Sind die Kosten eines Ersatzzustellungsvertreters Prozesskosten, sodass sie am Ende der Prozessverlierer zu tragen hat, oder sind es Kosten der Verwaltung mit der Folge, dass sie in der Jahresabrechnung sämtlichen Eigentümern anteilig aufzuerlegen sind? Der Bundesgerichtshof (BGH) bringt Klarheit in eine lange umstrittene Rechtsfrage.
Mit Beschluss vom 11.05.2017 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZB 52/15 entschied der BGH, dass die Kosten eines Ersatzzustellungsvertreters Kosten der internen Verwaltung sind und nicht zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) zählen, und zwar unabhängig davon, ob der Ersatzzustellungsvertreter durch Beschluss der Wohnungseigentümer (§ 45 Abs. 2 WEG) oder durch das Gericht (§ 45 Abs. 3 WEG) bestellt worden ist.
Der Fall
Mit seiner Anfechtungsklage wandte sich der Kläger gegen den Beschluss über die Wiederbestellung des amtierenden Verwalters. Einen Ersatzzustellungsvertreter hatten die Wohnungseigentümer nicht bestellt. Das Gericht bestellte eine Rechtsanwältin, die zur Übernahme dieser Aufgabe bereit war, zur Ersatzzustellungsvertreterin der Beklagten und ordnete die Zustellung der Klage an sie an. Das Verfahren endete durch beiderseitige Erledigungserklärung. Von den Kosten des Rechtsstreits wurden dem Kläger 80% und den Beklagten 20% auferlegt. Im Kostenfestsetzungsverfahren meldeten die Beklagten insgesamt 1.387,40 EUR zur Ausgleichung an, die von der Ersatzzustellungsvertreterin für ihre Tätigkeit (im wesentlichen Anfertigen von Kopien der Klageschrift nebst Anlagen sowie deren Versand an die Beklagten) verauslagt hatte. Das Amtsgericht setzte entsprechend der Kostengrundentscheidung 80% dieses Betrages (1.109,92 EUR) gegen den Kläger fest. Dieser wehrt sich gegen die Kostenfestsetzung und ist der Ansicht, es handele sich nicht um Kosten des Rechtsstreits, sondern um Kosten der internen Kommunikation, die als normale Verwaltungskosten von allen Wohnungseigentümern anteilig zu tragen seien.
Die Entscheidung
Der BGH gibt dem Kläger Recht. Er hat die Kosten nicht zu tragen. Kosten für einen Ersatzzustellungsvertreter seien interne Verwaltungskosten gemäß § 16 Abs. 2 WEG, die somit nicht dem Prozessgegner zur Last fallen. Dies gelte unabhängig davon, ob ein Ersatzzustellungsvertreter durch Beschluss der Wohnungseigentümer oder wie hier durch das Gericht bestellt werde. Auch für die Kosten der Erstunterrichtung der Beklagten nach Zustellung der Klage beim Verwalter gelte nichts anderes, da Kosten des Zustellungsvertreters unabhängig davon Verwaltungskosten seien, ob der Verwalter die Aufgabe des Zustellungsvertreters wahrnehme (§ 27 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 WEG) oder ein Ersatzzustellungsvertreter (§ 45 Abs. 2, 3 WEG). Diesbezüglich gibt der BGH seine frühere Rechtsprechung ausdrücklich auf. Im Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähig seien Kosten der Zustellung nur dann, wenn das Gericht die Klage direkt an die beklagten Wohnungseigentümer selbst zustelle (Rn 14 der Entscheidung).
Im zweiten Teil der Entscheidung stellt der BGH fest, dass die Kosten des gerichtlich bestellten Ersatzzustellungsvertreters nicht von den beklagten Wohnungseigentümern oder dem Prozessverlierer geschuldet werden. Vielmehr schulde die Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähiger Verband Auslagenersatz und gegebenenfalls eine Vergütung, da mit der Übernahme der Aufgabe des Ersatzzustellungsvertreters ein Schuldverhältnis zwischen dem rechtsfähigen Verband und dem Ersatzzustellungsvertreter zustande komme. Dies gelte unabhängig davon, ob die Ersatzzustellungsvertretung auf einen Beschluss der Eigentümer beruhe oder auf einer gerichtlichen Entscheidung (Rn 15). Bei der Entgegennahme, Vervielfältigung und Weiterleitung der Klage trete der Ersatzzustellungsvertreter nämlich partiell in die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters ein, dessen Vertragspartner ebenfalls der Verband sei.
Der BGH stellt schließlich fest, dass das Gericht gehalten sei, vorab die Konditionen festzulegen, auf deren Grundlage der Ersatzzustellungsvertreter die ihm zugedachte Aufgabe annehmen und ausüben solle. Hierbei habe sich das Gericht an der üblichen Vergütung im Sinne von § 675, § 612 Abs. 2 BGB zu orientieren; auch habe es die Berechnung des Auslagenersatzes vorzugeben, damit insoweit klare Verhältnisse herrschten. Der BGH verweist auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Heilbronn ZMR 2011, 336, wo das Gericht folgende Vergütung bzw. Berechnung vorgab: Zustellung des ersten Schriftstückes im Verfahren je Wohnungseigentümer jeweils 11,00 EUR, Zustellung jedes weiteren Schriftstückes im Verfahren je Wohnungseigentümer 6,00 EUR, Grundbuchauskunft je Sondereigentum 10,00 EUR sowie Erstattung der Auslagen für Anschriftenermittlung und Porto nach konkretem Aufwand.
Fazit für den Verwalter
Da der rechtsfähige Verband Schuldner der Vergütung bzw. Auslagenerstattung (gegebenenfalls Vorschuss) des Ersatzzustellungsvertreters ist, darf der Betrag aus dem Verwaltungsvermögen entnommen werden. In der Jahresabrechnung sind die Kosten als Kosten der Verwaltung nach dem von § 16 Abs. 2 WEG vorgegebenen Maßstab zu verteilen (Miteigentumsanteile). Sollte die Gemeinschaftsordnung einen abweichenden Kostenverteilungsschlüssel für Kosten der Verwaltung vorsehen, gilt dieser. Bei regelmäßigen Beschlussanfechtungsverfahren darf auch eine entsprechende Position im Wirtschaftsplan vorgesehen werden.
In der Praxis kommt es regelmäßig vor, dass Gerichte bei Rechtsanwaltskanzleien, die nicht als Prozessbevollmächtigte im laufenden Verfahren tätig sind, anfragt, ob sie zur Übernahme der Aufgabe des Ersatzzustellungsvertreters gegen Auslagenerstattung bereit sind. Speziell größere Kanzleien werden zumeist über ausreichend Kopiergeräte und Personal verfügen, um die Zustellung der Schriftstücke unverzüglich organisieren zu können. Unbedenklich dürfte es auch sein, wenn ein fremdes Verwaltungsunternehmen angefragt wird.
Ein Ersatzzustellungsvertreter tritt nur in die Zustellfunktion des Verwalters ein, also nicht in weitere Aufgaben und Befugnisse. Daraus folgt, dass die Organisation der Rechtsverteidigung der Beklagten im Anfechtungsprozess weiterhin Sache des Verwalters sein dürfte (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG), selbst wenn bezüglich der Zustellung ein Ersatzzustellungsvertreter eingeschaltet wurde. Die unverzügliche Unterrichtung der Beklagten über die Anhängigkeit eines Anfechtungsprozesses (§ 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG) dürfte hingegen dem Ersatzzustellungsvertreter obliegen.
Haben die Wohnungseigentümer bisher keinen Ersatzzustellungsvertreter bestellt, sollte ein Verwalter gleichwohl in jedem Jahr aufs Neue einen entsprechenden Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung setzen. Es entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, dass die Wohnungseigentümer selbst und durch Beschluss einen Ersatzzustellungsvertreter bestellen (§ 45 Abs. 2 WEG).
Dr. Jan-Hendrik SchmidtW·I·R Breiholdt Nierhaus SchmidtRechtsanwälte PartmbB Hamburgwww.wir-breiholdt.de