Arbeitsrecht

Reisende soll man ziehen lassen - mit wirksamer Vertragsstrafe

Vereinbarte Kündigungsfristen sollten rechtlich stets sauber absichert werden. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass Arbeitnehmer, die das Arbeitsverhältnis in der Probezeit kündigen keine Vertragsstrafe zahlen müssen, da sie dadurch benachteiligt werden. Jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers ist demnach unangemessen, wenn sie nicht durch begründete Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sind.

Der Fall

Die Arbeitgeberin begehrt von der Arbeitnehmerin die Zahlung einer Vertragsstrafe. Diese war aufgrund eines Arbeitsvertrages beschäftigt, in dem es u. a. heißt:

㤠2 Probezeit
Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit. Während dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

...

§ 12 Vertragsstrafe

... löst er das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist auf ... so hat der Mitarbeiter an das Unternehmen eine Vertragsstrafe zu bezahlen. ... Im Übrigen beträgt die Vertragsstrafe ein Bruttomonatsentgelt.”

Die Arbeitnehmerin kündigte fristlos innerhalb der Probezeit, innerhalb derer mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden konnte. Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, dass die Arbeitnehmerin eine Vertragsstrafe verwirkt habe, da sie das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist aufgelöst habe. Ein wichtiger Grund läge nicht vor.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass keine Vertragsstrafe zu zahlen ist. Laut Arbeitsvertrag ist für den Fall der Kündigung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist eine Vertragsstrafe von einem Bruttomonatsgehalt zu zahlen. Diese Klausel benachteiligt die Arbeitnehmerin unangemessen und ist deshalb unwirksam. Denn die Höhe der Vertragsstrafe führt zu einer sog. Übersicherung.

Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, wenn sie nicht durch begründete Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist. Es sind also die rechtlich anzuerkennenden Interessen beider Vertragspartner abzuwägen.  

In der Länge der Kündigungsfrist kommt zum Ausdruck, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitgeber Arbeitsleistungen vom Arbeitnehmer verlangen kann und welches Interesse er an der Arbeitsleistung hat. Die für diesen Zeitraum zu zahlende Vergütung spiegelt regelmäßig das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Arbeitskraft des Arbeitnehmers wider.  

In der Probezeit sind das 14 Tage Kündigungsfrist. Daher darf eine Vertragsstrafe grundsätzlich nicht höher sein als eine Vergütung für 14 Tage. Anders wäre es nur, wenn besondere Umstände dafür vorliegen, dass das Interesse der Arbeitgeberin den Wert der Arbeitsleistung, der sich in der bis zum Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist geschuldeten Arbeitsvergütung niederschlägt, übersteigt.

Der Tipp für den Verwalter

Reisende soll man ziehen lassen. Natürlich ist es ärgerlich, wenn man sich – ggfs. nach einem längeren Auswahlprozess – für bestimmte Beschäftigte entschieden hat und diese von jetzt auf gleich verschwinden. Das ist aber eben Vertragsfreiheit. Steuern kann man das nur, indem man vereinbarte Kündigungsfristen rechtlich sauber absichert. Hierfür sind Stufen innerhalb von Vertragsstrafen vorzusehen (Probezeit = Entgelt zwei Wochen; nach der Probezeit –– 2 Jahre = vier Wochen; ...). Möglich wäre auch, längere Kündigungsfristen für beide Seiten zu vereinbaren und diese entsprechend abzusichern. Aber drohen dann nicht die Arbeitsunfähigkeit und die Entgeltfortzahlung?

Unabhängig von einer Vertragsstrafe kann man bei Vertragsverletzung durch zu kurze Kündigungsfrist Schadensersatz verlangen. Nur gelingt es selten, einen Schaden darzulegen, weil der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis früher als vereinbart beendet hat.

(BAG, Urteil vom 17.03.2016 - 8 AZR 665/14)

Ivalio Ziegenhagen
Ziegenhagen Rechtsanwälte
Fachanwälte für Arbeitsrecht