Die Auslegung von Gemeinschaftsordnungen in Mehrhausanlagen bereitet Schwierigkeiten. Sind vereinbarte Beschlusskompetenzen der jeweiligen Eigentümer einer Untergemeinschaft wirksam? Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) dies für Beschlüsse über Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen schon im Jahr 2012 bejaht hatte, erweitert er seine Rechtsprechung jetzt auf Beschlüsse über bauliche Maßnahmen.
Mit Urteil vom 10. November 2017 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 184/16 stellt der Bundesgerichtshof (BGH) fest: In der Gemeinschaftsordnung einer Mehrhausanlage kann den Eigentümern der für einzelne Gebäude oder Gebäudekomplexe gebildeten Untergemeinschaften die Beschlusskompetenz eingeräumt werden, unter Ausschluss der anderen Eigentümer die Durchführung von Instandhaltungs-, Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu beschließen, die ein zur jeweiligen Untergemeinschaft gehörendes Gebäude betreffen, wenn zugleich bestimmt wird, dass die durch diese Maßnahmen verursachten Kosten im Innenverhältnis allein von den Mitgliedern dieser jeweiligen Untergemeinschaft zu tragen sind. Fehle es hingegen an einer solchen Kostenzuweisung, sei die Regelung in der Gemeinschaftsordnung unwirksam.
Der Fall
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft in Hamburg. Es handelt sich um eine aus drei Gebäudekomplexen bestehende Mehrhausanlage. In § 4 der Teilungserklärung/ Gemeinschaftsordnung (nachfolgend TE/GO) ist vereinbart, dass es drei selbständige Untergemeinschaften gibt, nämlich Vorderhaus (Untergemeinschaft A), Hinterhaus und Hofgebäude (Untergemeinschaft B) und Stadthaus, Hofgarage, Kutscherhaus (Untergemeinschaft C). Weiter heißt es in § 4 TE/GO, dass die jeweiligen Eigentümer der Untergemeinschaften (nachfolgend auch UG) berechtigt sind, sämtliche Entscheidungen, die ausschließlich ihre Gebäude bzw. die Garagen betreffen, allein unter Ausschluss der anderen Eigentümer zu treffen. Sie sind weiter befugt, zu eigenen Eigentümerversammlungen zu laden und Beschlüsse mit Wirkung für die Untergemeinschaft zu fassen. Sämtliche Lasten und Kosten sind soweit möglich für die drei Untergemeinschaften getrennt zu ermitteln und abzurechnen ( ).
Am 13.12.2012 hielten die Untergemeinschaft A (UG A) und die Untergemeinschaft B (UG B) jeweils eigene Eigentümerversammlungen ab. Die Versammlung der UG A beschloss, ein Unternehmen mit der teilweisen Putzerneuerung an einem zu ihrer UG gehörenden Gebäude zu beauftragen mit einem Kostenrahmen von 4.000,00 EUR, finanziert aus der Instandhaltungsrücklage der UG A. Die Versammlung der UG B beschloss, dasselbe Unternehmen mit der Beseitigung von Feuchtigkeitsursachen im räumlichen Bereich einer zu dieser UG gehörenden Wohnung zu beauftragen für einen Kostenrahmen von 2.000,00 EUR, finanziert über die laufenden Kosten des Wirtschaftsplanes dieser UG.
Ein Eigentümer erhebt Anfechtungsklage. Er beantragt die Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse, hilfsweise deren Ungültigerklärung. Amtsgericht und Landgericht wiesen die Klage ab, das Landgericht ließ die Revision zum BGH zu mit der Beschränkung auf die Frage der Beschlusskompetenz der Untergemeinschaften für die streitigen Beschlüsse.
Die Entscheidung
Der BGH bestätigt das Urteil des Hamburger Landgerichts. Die angegriffenen Beschlüsse seien von der notwendigen Beschlusskompetenz getragen. Zwar stehe die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Gesetz allen Eigentümern gemeinschaftlich zu. Jedoch sei es zulässig, gemäß § 10 Abs. 2 WEG in der Gemeinschaftsordnung (GO) von der gesetzlichen Grundregel abweichende Vereinbarungen zu treffen. Dies sei hier in § 4 TE/GO geschehen, und zwar auf eine klare und eindeutige Weise, die sich zudem innerhalb der Grenzen der Regelungsbefugnis des aufteilenden Eigentümers bewegten.
Grenzen der Regelungsbefugnis des teilenden Eigentümers seien u.a. dann überschritten, wenn durch eine Regelung in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte eingegriffen würde. Dies sei hier aber nicht der Fall, da die Befugnis, in Beschlussangelegenheiten, die allein und ausschließlich eine UG beträfen, allein und unter Ausschluss der jeweiligen Eigentümer der übrigen UG Beschlüsse fassen zu können (Blockstimmrecht), nach der ausdrücklichen Vereinbarung in § 4 TE/GO damit einhergehe, dass die damit verbundenen Kosten im Innenverhältnis allein von den Mitgliedern der betroffenen UG zu tragen seien. Zwar sei es richtig, dass die bei der Durchführung des Beschlusses zu vergebenden Aufträge im Außenverhältnis (z.B. mit Handwerkern) kraft Gesetzes zu einer teilschuldnerischen Mithaftung aller Wohnungseigentümer führten (§ 10 Abs. 8 WEG); dieses Risiko der übrigen Eigentümer sei aber im Hinblick auf mögliche Regressansprüche hinnehmbar angesichts des Autonomiegewinns der jeweiligen UG bei der Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten.
Fazit für den Verwalter
Wer Mehrhausanlagen verwaltet, muss prüfen, ob die TE/ GO Regelungen über die Bildung von Untergemeinschaften mit Kostentrennung, eigener Verwaltungszuständigkeit und Blockstimmrecht enthält. Falls ja, muss der Verwalter klären, ob diese Regelungen wirksam sind. Grundsätzlich sind Vereinbarungen zulässig und wirksam. Dies kann anders sein, wenn es an der vom BGH geforderten alleinigen Kostentragungspflicht der jeweils stimmberechtigten Eigentümer der Untergemeinschaft fehlt. Diese muss klar und eindeutig in der Gemeinschaftsordnung Niederschlag finden, weil es sonst bei der gesetzlichen Grundregel (Kostentragungspflicht aller, § 16 Abs. 2 WEG) bliebe, was im Ergebnis zur Unwirksamkeit der gesamten Regelung führen würde. Unwirksam wäre eine Vereinbarung in der TE/GO auch dann, wenn die Regelung einer UG die Beschlusskompetenz einräumte, über Maßnahmen zu entscheiden, die das Grundstück oder weitere nicht zu der UG gehörende Gebäude einer anderen UG oder gemeinschaftliche Anlagen und Einrichtungen beträfen (Rn. 25 der Urteilsgründe). Falls der Verwalter Probleme bei der Auslegung hat, sollte anwaltlicher Rat eingeholt werden.
Vom BGH nicht explizit beantwortet wird die Frage, ob die Berechtigung der Eigentümer einer UG, unter Ausschluss der anderen Eigentümer Beschlüsse fassen zu können, bedeutet, dass diesen kein Teilnahmerecht an den fremden Teil-Eigentümerversammlung zusteht, der Verwalter mithin die anderen Eigentümer nicht zu einer solchen Teil-Versammlung einladen darf. Dann könnte nämlich in einer solchen Einladung bzw. Teilnahme ein Verstoß gegen den Nichtöffentlichkeitsgrundsatz liegen. In Rn. 16 des Urteils deutet sich an, dass der BGH solche Teil-Eigentümerversammlungen für zulässig hält. Angesichts der zentralen Bedeutung des Mitgliedschaftsrechts wird aber anzunehmen sein, dass den anderen Eigentümern zumindest ein Teilnahmerecht an den Teilversammlungen der anderen Untergemeinschaften zustehen muss. Denn immerhin gehört das gemeinschaftliche Eigentum trotz der auf eine UG ausgelagerten Verwaltungszuständigkeit, Kostentragungspflicht und Stimmberechtigung allen Eigentümern, und auch die teilschuldnerische Außenhaftung für die Verbandsschuld rechtfertigt eine Anwesenheit und Kontrolle in der Versammlung. Lediglich stimmberechtigt sind anwesende Eigentümer aus anderen UG nicht. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH diese Frage in einer künftigen Entscheidung aufgreifen wird.
In den beiden Urteilen aus 2012 ging es um die Beschlusskompetenz für Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen in einer UG, also reines Innenrecht. Der vorliegende Fall betrifft Instandsetzungsmaßnahmen, also mit Außenbezug, da die Verträge im Namen des rechtsfähigen Verbandes (WEG) geschlossen werden müssen. Vertragsschlüsse im Namen der jeweiligen Untergemeinschaft scheiden aus, denn Untergemeinschaften sind nicht rechtsfähig. Das muss der Verwalter beim Vertragsabschluss im Rahmen der Beschlussdurchführung wissen und beachten!
Fazit für Rechtsanwälte
Nur am Rande weist der BGH nochmals darauf hin, dass Anfechtungsklagen gegen alle übrigen Wohnungseigentümer zu richten sind, also nicht nur gegen die restlichen Eigentümer der jeweils betroffenen Untergemeinschaft (Rn. 10 des Urteils).
Dr. Jan-Hendrik SchmidtW·I·R Breiholdt Nierhaus SchmidtRechtsanwälte PartmbB Hamburgwww.wir-breiholdt.de