Der Fall
Der Vermieter und die ehemalige Mieterin einer Dachgeschoss-Maisonette-Wohnung streiten über eine Betriebskostennachzahlung. Nachdem die Mieterin die Heizkostenabrechnung ab Einzug für drei Jahre bemängelt hatte, stellte der Vermieter einen Defekt am Wärmemengenzähler fest und ersetzte den Zähler mehrfach. Erst im Jahr 2017 wurde ein funktionierender Zähler eingebaut. In den korrigierten Betriebskostenabrechnungen der Jahre 2013 bis 2016 schätzte der Vermieter die verbrauchte Wärmemenge anhand von vergleichbaren Wohnungen in demselben Gebäude, aber auch in anderen Häusern. Insgesamt sollte die Mieterin Betriebskosten für vier Jahre in Höhe von knapp 1.000 Euro nachzahlen. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht wiesen die Klage ab. Nach Auffassung des Landgerichts war die Schätzung des Wärmeverbrauchs nicht ordnungsgemäß, weil diese teilweise auf Vergleichswohnungen aus anderen Gebäuden gestützt wurde. Der Vermieter verfolgte seinen Anspruch weiter und legte Revision beim Bundesgerichtshof ein.
Die Entscheidung
Nach Ansicht des BGH könne ein Anspruch auf Nachzahlung von Heizkosten auch auf einer vorgenommenen Schätzung des Wärmeverbrauchs mithilfe von Verbrauchswerten aus Vergleichswohnungen anderer Gebäude hergeleitet werden.
Grundsätzlich seien in Gebäuden mit zentralen Heizungsanlagen die Kosten nach dem konkreten Verbrauch der einzelnen Nutzer zu verteilen. Die gesetzliche Grundlage dafür bildet die Heizkostenverordnung, wonach der anteilige Wärmeverbrauch durch Wärmezähler oder Heizkostenverteiler zu erfassen ist. Da im vorliegenden Fall die Verbrauchsmenge nicht korrekt erfasst werden konnte, durfte der Vermieter den Verbrauch nach § 9a Abs. 1 Satz 1 HeizkV schätzen. Diese Regelung sieht mehrere Ersatzkriterien vor, die im betreffenden Abrechnungszeitraum an die Stelle der Verbrauchserfassung treten können. So kann der Verbrauch auf Grundlage des Verbrauchs vergleichbarer anderer Räume im selben Abrechnungszeitraum geschätzt werden.
Laut Bundesgerichtshof habe diese Vorschrift zum Ziel, den Verbrauch anhand von Ersatzkriterien zu schätzen, um die Interessen beider Parteien zum Ausgleich zu bringen. Für diese Schätzung seien dem BGH zufolge u.a. die Bausubstanz, die Nutzungsintensität sowie die Größe der Räume maßgeblich, nicht aber, in welchem Gebäude sich die zu beheizenden Räume befinden. Denn allein die Lage in demselben Gebäude sage nichts darüber, ob die zum Vergleich herangezogenen Räume einen ähnlichen Einfluss auf den Wärmeverbrauch haben wie die von der Schätzung betroffenen Wohnung. Eine in demselben Gebäude befindliche Kellerwohnung lasse sich auch nicht ohne weiteres mit einer Mittelgeschosswohnung vergleichen. Der Einwand der Mieterin, die Werte von Wohnungen in fremden Gebäuden seien nicht überprüfbar, ließ der BGH nicht gelten. Richtig sei zwar, dass bei Zweifeln der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast für die richtige Erfassung der Betriebs- und Heizkosten trage. Der Mieterin stehe es aber frei, dies mit Nichtwissen zu bestreiten. In solchen Fällen müsse dann in der Regel ein Sachverständigengutachten erstellt werden.
Da das Berufungsgericht hinsichtlich der Vergleichbarkeit noch zu wenige Feststellungen getroffen hatte, wurde der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Oktober 2021, VIII ZR 264/19
Vorinstanzen:
LG Mainz, Urteil vom 27. August 2019, Az:3 S 7/19
AG Mainz, Urteil vom 23. Januar 2019, Az: 84 C 378/17