WEG-Recht

Schuldet der Verwalter ausformulierte Beschlussanträge?

Nach dem Wohnungseigentumsgesetz muss der Verwalter form- und fristgerecht die Eigentümerversammlung einberufen. Formgerecht bedeutet Textform (§ 24 Abs. 1 Satz 1 WEG) unter Angabe der Beschlussgegenstände (§ 23 Abs. 2 WEG), was in der Praxis durch schlagwortartig aufgelistete Tagesordnungspunkte in einer Tagesordnung geschieht. Keine gesetzliche Regelung findet sich zu der Frage, ob vom Verwalter konkret formulierte Beschlussanträge geliefert werden müssen und – falls man das bejaht – ob diese bereits der Einladung beigefügt sein müssen.

Fallkonstellationen und rechtliche Würdigung

Die in der Einleitung beschriebene Fallkonstellation skizziert den Normalfall in der Praxis, d. h. die Gemeinschaftsordnung (GO) enthält keine vom Gesetz abweichenden Regelungen zu den §§ 23 Abs. 2 und 24 Abs. 1 S. 1 WEG. Wäre hingegen in der GO vereinbart, dass mit der Einladung Beschlussanträge geliefert werden müssen, dürfte eine solche Regelung wirksam sein. Der Verwalter hätte sie zu befolgen. Gleiches hätte zu gelten, falls der Verwalter im Verwaltervertrag mit der Wohnungseigentümergemeinschaft eine solche Pflicht zugunsten der Wohnungseigentümer eingegangen sein sollte. Aus der eigenen Praxis sind derartige Sonderregelungen in Gemeinschaftsordnungen oder Verwalterverträgen kaum bekannt. Folge ist, dass die gesetzlichen Einberufungsregelungen gelten.

Dem Gesetzeswortlaut (Beschlussgegenstand) kann im Umkehrschluss entnommen werden, dass ein Beschlussantrag nicht zu den Bestandteilen einer Einladung gehört. Es ist insbesondere nicht geschuldet, zu jedem angekündigten Beschlussgegenstand (Tagesordnungspunkt) einen konkreten Beschlussantrag zu liefern, und zwar auch nicht etwa beschränkt auf wichtige, umfangreiche oder zwischen den Eigentümern umstrittene Beschlussangelegenheiten.

Umgekehrt muss man konzedieren, dass es für den Verwalter haftungsträchtig sein kann, wenn er – beispielsweise als besonderer Service für die Eigentümer – mit der Einladung konkret ausformulierte Beschlussanträge zur Verfügung stellt. Das Risiko liegt in einem denkbaren formellen Beschlussmangel (Einberufungsfehler), wenn Eigentümer sich im Rahmen einer Anfechtungsklage darauf berufen, dass der tatsächlich zur Abstimmung bestellte Beschlussantrag abweichende Formulierungen im Vergleich mit dem angekündigten Beschlussantrag beinhaltete. Aus der Praxis sind Fälle bekannt, in denen Anfechtungskläger mit einem solchen Einwand (Verstoß gegen § 23 Abs. 2 WEG) vor Gericht erfolgreich durchgedrungen sind und das Gericht den Beschluss für ungültig erklärte.

Zwischenergebnis: Verwalter sollten mit der Einladung keine Beschlussanträge versenden, sondern erst in der Versammlung vor der Abstimmung einen Beschlussantrag präsentieren oder gemeinsam mit den Eigentümern erarbeiten.

Ein Beschlussinhalt muss hinreichend präzise (bestimmt) sein, also alle maßgeblichen Eckdaten enthalten, damit er – in der Regel vom Verwalter (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG) – durchgeführt werden kann. Auch im Hinblick auf künftige Eigentümer (Sondernachfolger) ist eine derartige Bestimmtheit notwendig, um die gesetzliche Bindungswirkung an früher gefasste Beschlüsse (s. § 10 Abs. 4 WEG) rechtfertigen zu können. Daraus folgt, dass der Verwalter als Versammlungsleiter in der Regel einen hinreichend bestimmt genug formulierten Beschlussantrag schuldet. Erkennt ein Verwalter schon vor der Versammlung, dass die ausreichend konkrete Formulierung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bereitet, kann es sich anbieten, den Beschlussantrag fertig formuliert zur Eigentümerversammlung mitzubringen. Es muss verhindert werden, unter Zeitdruck oder dem Druck einer kontroversen Versammlungsatmosphäre einen Beschlussantrag zu verfassen.

Mit einem blauen Auge davon kam ein Verwalter aus Hamburg, der in der Einladung als TOP die „Diskussion und Beschlussfassung über erforderliche Arbeiten an der Tiefgaragendecke sowie die Finanzierung der Maßnahme” angekündigt hatte, sich in der Versammlung am Ende einer hitzigen Diskussion unter dem Druck des Abstimmungswunsches der Mehrheit dazu verleiten ließ, statt des angekündigten Instandsetzungsbeschlusses über die Aufforderung gegenüber einem Miteigentümer abstimmen zu lassen, eine von diesem vor langer Zeit vorgenommene bauliche Veränderung zurückzubauen. Der Anfechtungsklage war vom Amtsgericht stattgegeben worden, da der Verwalter keinen Aufforderungsbeschluss angekündigt hatte, sondern eine Instandsetzung durch die Gemeinschaft auf deren Kosten. Der Verwalter hatte gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts, das ihm im Urteil gemäß § 49 Abs. 2 WEG die Prozesskosten aufgebrummt hatte, sofortige Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht (Landgericht Hamburg, 13.09.2018 – 318 T 13/18, u. a. ZMR 2019, 68) hatte der Beschwerde des Verwalters stattgegeben und die Prozesskosten den in der Sache unterlegenen Beklagten des Anfechtungsprozesses auferlegt. Der Leitsatz der landgerichtlichen Entscheidung lautet: Wird ein Beschlussantrag aus den Reihen der Eigentümer im Anschluss an eine Diskussion formuliert, der entweder gerade noch oder nicht mehr hinreichend bestimmt gefasst ist, so handelt der gewerbliche WEG-Verwalter nicht grob fahrlässig, wenn er nicht sofort und vor Ort eine rechtliche Ad-hoc-Bewertung des Beschlussinhalts im Hinblick auf mögliche Anfechtungsrisiken vornimmt. Wenn der Verwalter verkennt, dass eine Beschlussfassung von dem in der Einladung angekündigten TOP nicht mehr gedeckt ist, so muss dies nicht unbedingt auf groben Verschulden im Sinne von § 49 Abs. 2 WEG beruhen.

Fazit für den Verwalter

Wünschenswert ist, dass der Verwalter in der Versammlung in Textform vorformulierte Beschlussanträge parat hat. Dies bedeutet nicht nur eine haftungsrechtliche Absicherung, sondern eine erhebliche Arbeitserleichterung. Dies gilt umso mehr, als viele Beschlüsse Standardbeschlüsse sind und sogar auf umfangreiche Einzelmaßnahmen (z. B. Baumaßnahmen) gerichtete Beschlussanträge in aller Regel festen Mustern (Eckpunkten) folgen. Textbausteine können eine große Hilfe sein. Blick in die Zukunft: Sollten sich Wohnungseigentümer online in eine Versammlung zuschalten, könnte es für Transparenz und Rechtssicherheit sorgen, wenn vorformulierte Beschlussanträge sowohl im Versammlungsraum als auch auf den Bildschirmen der Online-Teilnehmer erscheinen. Weiterer Vorteil: Im Anschluss ist eine unverzügliche Einstellung in die Beschluss-Sammlung ebenfalls mit Leichtigkeit gewährleistet. Gestaltet sich die rechtssichere Formulierung eines Beschlussantrags im Einzelfall schwierig, bietet es sich an, wenn der Verwalter rechtzeitig daran denkt, die Eigentümer darüber abstimmen zu lassen, ob ein Fachplaner oder Rechtsanwalt hinzugezogen werden soll. Eine Regelung im Verwaltervertrag, die dies in Grenzen gestattet, kann ausreichen.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt

W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt

Rechtsanwälte PartmbB Hamburg

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