Was passiert bei Vertragsabschluss zwischen einer WEG und einer GmbH & Co. KG, wenn diese vom Wohnungseigentümer beherrscht wird?
Nach § 25 Abs. 5 WEG ist ein Wohnungseigentümer nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts (z. B. Abschluss eines Vertrages) mit ihm (Variante 1) oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits (z. B. einer Klage) gegen ihn (Variante 2) betrifft oder wenn er nach § 18 WEG rechtskräftig zur Veräußerung seines Wohnungseigentums (Entziehungsklage) verurteilt ist. Weil § 25 Abs. 5 WEG das Stimmrecht als wichtigstes Mitgliedschaftsrecht beschneidet, ist die Vorschrift eng auszulegen. Trotzdem gibt es Fälle von schweren Interessenkonflikten, in denen die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus entsprechend angewendet werden darf. Einen solchen Fall hatte der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden.
Mit Urteil vom 13.01.2017 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 138/16 entschied der BGH über einen Sachverhalt, den das Landgericht Frankfurt (Oder) durch Zulassung der Revision nach Karlsruhe brachte. Der BGH bestätigt die landgerichtliche Entscheidung mit folgendem amtlichen Leitsatz: Ein Wohnungseigentümer ist entsprechend § 25 Abs. 5 Alt. 1 WEG bei der Beschlussfassung über ein Rechtsgeschäft mit einer rechtsfähigen Personengesellschaft jedenfalls dann nicht stimmberechtigt, wenn er an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt und deren Geschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter ist.
Der Fall
Es geht um eine Anfechtungsklage. Der Beklagte ist der Mehrheitseigentümer mit einem MEA von 504/1000. Die klagenden übrigen Wohnungseigentümer haben zusammen 496/1000 MEA. Sie wenden sich gegen einen Beschluss der Versammlung, der mit der Stimmenmehrheit des Beklagten gefasst wurde. Beschlussinhalt ist der Abschluss eines Wärmelieferungsvertrages zwischen der WEG und einer GmbH & Co. KG, die auf einem benachbarten Grundstück eine Heizungsanlage betreibt und mehrere umliegende WEG mit Wärme beliefert. Der Beklagte ist Kommanditist dieser KG und Geschäftsführer von deren Komplementär-GmbH, an der er mit 51 Prozent der Gesellschaftsanteile beteiligt ist. Die übrigen 49 Prozent der Geschäftsanteile der Komplementärin stehen seiner Ehefrau zu. Zunächst war versucht worden, den Wärmelieferungsvertrag mit dem Beklagten selbst abzuschließen, jetzt ging es um den Abschluss mit der KG. Die Kläger fochten den Mehrheitsbeschluss gerichtlich an und beriefen sich auf ein den Beklagten treffendes Stimmverbot, so dass bei korrekter Stimmrechtsauszählung der Antrag hätte abgelehnt werden müssen. Mit ihrer Argumentation drangen die Kläger in allen Instanzen durch.
Die Entscheidung
Der BGH bejaht ein Stimmrechtsverbot nach § 25 Abs. 5 Variante1 WEG. Zwar passe der Wortlaut der Vorschrift nicht unmittelbar, da der Vertrag nicht mit dem Beklagten persönlich abgeschlossen werde, sondern mit einer Gesellschaft, mit der der Beklagte wirtschaftlich und persönlich verflochten sei. Jedoch komme über den Gesetzeswortlaut hinaus eine erweiternde (entsprechende) Anwendung des § 25 Abs. 5 WEG in Betracht, wobei allerdings Zurückhaltung geboten sei, da das Stimmrecht des Wohnungseigentümers zu dem Kernbereich seiner elementaren Mitgliedschaftsrechte gehöre. Auch sei es an sich nicht zu beanstanden, wenn ein Wohnungseigentümer bei der Abstimmung über eine gemeinschaftliche Angelegenheit nicht nur das Gemeinschaftsinteresse bzw. Verbandsinteresse im Blick habe, sondern auch private Sonderinteressen in die Willensbildung einfließen lasse. Jedoch könne eine solche Abwägung dem Wohnungseigentümer dann nicht mehr gestattet sein, wenn der Interessenkonflikt, in dem sich ein Wohnungseigentümer im Einzelfall befinden könne, so schwerwiegend sei, dass er ihn nicht mehr unbefangen lösen könne. In derartigen Ausnahmefällen sei mithin eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zulässig.
Der BGH bejaht einen solchen Ausnahmefall. Das Interesse der KG an dem Zustandekommen des Wärmelieferungsvertrages mit der WEG sei mit dem privaten Sonderinteresse des Beklagten am Abschluss des Vertrages gleichzusetzen. Dass er nur mit einem geringen Kommanditanteil von 1.500,00 EUR an der KG beteiligt sei, sei nicht ausschlaggebend, sondern vielmehr seine Eigenschaft als Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der KG. Daraus ergäbe sich für den Beklagten der gleiche Interessenkonflikt, der sich für ihn ergäbe, wenn er selbst die Wärmelieferung hätte übernehmen sollen. Bei einer derartigen Fallkonstellation sei der Beklagte bei der Ausübung seines Stimmrechts als Wohnungseigentümer nicht mehr im Stande, seine privaten Sonderinteressen, das Gesellschaftsinteresse der KG und das Gemeinschaftsinteresse der Wohnungseigentümer unbefangen gegeneinander abzuwägen, sondern bei objektiver Bewertung ausschließlich davon geleitet, das Gemeinschaftsinteresse der WEG nicht mehr zu berücksichtigen. In einem solchen gesteigerten Fall der Interessenkollision sei es gerechtfertigt, den Wohnungseigentümer bei der Abstimmung mit einem Stimmrechtsverbot zu überziehen.
Fazit für den Verwalter
Besteht ein Stimmrechtsverbot nach § 25 Abs. 5 WEG, darf der Verwalter den betroffenen Wohnungseigentümer von vornherein nicht an der Abstimmung beteiligen. Es verhält sich mithin anders als bei der Frage nach einem Stimmrechtsmissbrauch (§ 242 BGB), wo der Verwalter als Versammlungsleiter gehalten ist, erst nach Abgabe aller Stimmen abzuwägen, ob und inwieweit eine Einzelstimme wegen Rechtsmissbrauchs nicht mitzuzählen ist. Letzteres kann für ihn deutlich schwerer sein, da es einer umfangreichen Abwägung bedarf. Diese erspart der BGH dem Verwalter im vorliegenden Fall (Rn. 29 der Urteilsgründe); vielmehr sei es angesichts des vorprogrammierten schweren Interessenkonflikts angemessen, den Wohnungseigentümer von vornherein, also unabhängig von seinem tatsächlichen Abstimmungsverhalten, vom Stimmrecht auszuschließen (Rn. 31).
Die Frage nach einem Stimmrechtsverbot wird sich oftmals schon im Vorfeld einer Eigentümerversammlung abzeichnen, so dass sich der Verwalter darauf einzustellen hat, wie er in der Versammlung mit der Stimmabgabe umgeht. Sollten hierbei schwierige Rechtsfragen auftreten, ist es angemessen, wenn der Verwalter schon im Vorfeld anwaltlichen Rat einholt. Entweder ist ihm dies durch Regelungen des Verwaltervertrages gestattet oder er lässt sich die rechtliche Prüfung in der Versammlung durch einen Beschluss genehmigen. Im vorliegenden Fall ging es um eine entsprechende Anwendung von § 25 Abs. 5 Variante 1 WEG, also nicht um eine klare und eindeutige Rechtsanwendung der gesetzlichen Vorschrift. Derartige rechtlich schwierige Abwägungen können von einem gewerblichen Wohnungseigentumsverwalter für gewöhnlich nicht erwartet werden. Die vorliegende Grundsatzentscheidung des BGH mag freilich dazu beitragen, in der Praxis schneller und eindeutiger mit einer entsprechenden Sachverhaltskonstellation umgehen zu können.
Dr. Jan-Hendrik SchmidtW·I·R Breiholdt Nierhaus SchmidtRechtsanwälte PartmbB Hamburgwww.wir-breiholdt.de