Aus dem Landgerichtsbezirk Dortmund stammen zwei Fälle, in denen Anfechtungskläger nach Prozessende versuchten, den Streitwert deutlich nach unten zu drücken, nachdem sie mit ihren Klagen auf die Mütze bekommen hatten und die Prozesskosten tragen mussten. Im ersten Fall gehörten dem Kläger eine Wohnung und eine Gewerbeeinheit, zahlen wollte er nur für eine. Im zweiten Fall versuchten drei verschiedene Kläger, Mehrheitsbeschlüsse gerichtlich zu Fall zu bringen und die Streitwertberechnung auf eine Einheit zu reduzieren. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte die hohen Streitwerte, die durch Addition aller klägerischen Einheiten zu bilden sind.
Die Fälle
Im ersten Fall (BGH, Beschluss vom 06.12.2018 V ZR 239/17), der beim Amtsgericht Essen startete, hatte die Klägerin Beschlüsse über die Jahresabrechnungen 2012 bis 2014, den Wirtschaftsplan 2015 und eine Instandhaltungsmaßnahme angefochten. Das Amtsgericht wies die Klage ab und setzte den Streitwert auf 5.000,00 EUR fest. Die Berufung beim Landgericht Dortmund scheiterte. Den Streitwert erhöhte das Berufungsgericht auf knapp 70.000,00 EUR. Der BGH wies die Gegenvorstellung der Klägerin zurück. Diese hatte gerügt, dass die Streitwertfestsetzung auf 70.000,00 EUR die absolute Obergrenze des § 49a Abs. 1 S. 3 Gerichtskostengesetz (GKG) verletze, die durch den Verkehrswert des Sondereigentums gebildet werde.
In dem zweiten Fall (BGH, Beschluss vom 21.03.2019 - V ZR 120/17), der beim Amtsgericht Brilon begann, scheiterten drei Kläger. Offenbar ging es auch um eine Anfechtungsklage. Das Berufungsgericht hatte die erstinstanzlich erfolgte Klagabweisung bestätigt, die Revision zum BGH nicht zugelassen und den Streitwert auf 167.200,00 EUR festgesetzt. Die Nichtzulassungsbeschwerde hatte der BGH zurückgewiesen und die Streitwertfestsetzung bestätigt. Hiergegen richtete sich die Gegenvorstellung des Klägers zu 1). Er verweist auf die absolute Streitwertobergrenze des § 49a Abs. 1 S. 3 GKG und behauptet, seine Wohnung habe lediglich einen Verkehrswert von 5.000,00 EUR. Belastbare Angaben hierzu und zu den Werten der Wohnungen der Kläger zu 2) und 3) liefert seine Gegenvorstellung nicht.
Die Entscheidungen
Der BGH bestätigt in beiden Fällen die hohen Streitwerte. Gehören einem Kläger mehrere Einheiten oder stehen auf Klägerseite verschiedene Eigentümer sind die Einzelverkehrswerte aller Einheiten der klagenden Eigentümer zu addieren. Weder sei auf den höchsten noch auf den niedrigsten Einzelverkehrswert abzustellen. Bereits dem Wortlaut des Gesetzes lasse sich entnehmen, dass alle Einzelwerte zusammenzuzählen seien. Im Fall aus Brilon sei die Gegenvorstellung außerdem schlecht begründet. Der Vortrag sei so dünn und veraltet, dass er nicht einmal für eine Schätzung des Verkehrswertes der Wohnungen genüge. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung (§ 40 GKG), hier das Jahr 2014, als die Kläger die Anfechtungsklage bei dem Amtsgericht einreichten. Der Kläger zu 1) legte mit der Gegenvorstellung die Einschätzung eines Sachverständigen für Immobilienbewertungen vom 29.07.2009 vor. Darin wurde der Verkehrswert der 28,35 qm großen Wohnung auf 1.000,00 EUR geschätzt, da sie keinen Balkon habe, dies bei Ferienwohnungen K.O.-Kriterium sei und außerdem verschiedene Mängel vorhanden seien, die indessen nicht näher benannt wurden.
Fazit für den Verwalter
Stehen auf Klägerseite mehrere Eigentümer und/ oder mehrere Sondereigentumseinheiten, sind die Einzelinteressen zu addieren. Nicht etwa kommt es auf den niedrigsten oder höchsten Einzelwert an. Demgemäß dürfen Verwalter kraft ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht höhere Streitwertvereinbarungen mit einem Rechtsanwalt treffen, der die beklagten Eigentümer in einem Beschlussanfechtungsverfahren vertritt. Dies bedeutet freilich nicht, dass Verwalter bei niedrigen Streitwerten ohne Rücksprache das höchste hälftige Gesamtinteresse als Gebührenstreitwert mit dem Beklagtenanwalt vereinbaren müssen bzw. sollten. Es ist darauf zu achten, dass ein angemessener Streitwert vereinbart wird, der dem Beklagtenvertreter eine kostendeckende Bearbeitung des Mandates ermöglicht. An den durch eine Streitwertvereinbarung verursachten Mehrkosten sind alle Eigentümer zu beteiligen, also auch der bzw. die siegreiche(n) Anfechtungskläger (siehe § 16 Abs. 8 Wohnungseigentumsgesetz [WEG]).
Versuchen, am Ende einer teuren Prozessniederlage den Gebührenstreitwert herabsetzen zu lassen, um die Prozesskosten zu senken, schiebt der BGH einen Riegel vor. Nicht nur im Landgerichtsbezirk Dortmund gehört es zum Fairplay, auch als zweiter Sieger seinen Deckel zu zahlen.
§ 49a GKG lautet:
(1) 1Der Streitwert ist auf 50 Prozent des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung festzusetzen. 2Er darf das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen an der Entscheidung nicht unterschreiten und das Fünffache des Wertes ihres Interesses nicht überschreiten. 3Der Wert darf in keinem Fall den Verkehrswert des Wohnungseigentums des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen übersteigen.
(2) 1Richtet sich eine Klage gegen einzelne Wohnungseigentümer, darf der Streitwert das Fünffache des Wertes ihres Interesses sowie des Interesses der auf ihrer Seite Beigetretenen nicht übersteigen. 2Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
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