WEG-Recht

Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche der Eigentümer muss nicht zwingend der Verband durchsetzen

Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung oder Zerstörung gemeinschaftlichen Eigentums muss zwingend der Verband durchsetzen, obwohl das Eigentum den Eigentümern gehört. Anders verhält es sich bei Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen, die der Verband geltend machen darf, aber nicht zwingend muss. Für Streitigkeiten zwischen Eigentümern war dies bereits entschieden. Jetzt bestätigt der Bundesgerichtshof (BGH) seine Sichtweise auch für Ansprüche gegen Dritte.

Mit Urteil vom 13.10.2017 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 45/17 hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine Rechtsprechung zur gerichtlichen Verfolgung von Unterlassung- und Beseitigungsansprüchen der Wohnungseigentümer bestätigt und auf eine weitere Fallgruppe erweitert. Kritischen Stimmen aus dem Schrifttum, denen sich das Landgericht Stuttgart als Berufungsgericht angeschlossen hatte, erteilt der BGH eine Absage.

Der Fall

Die Klägerin (Gartensondernutzungsberechtigte) und der Kläger (kein Sondernutzungsrecht) sind Wohnungseigentümer in einer Gemeinschaft, deren Grundstück an das Grundstück des Beklagten angrenzt. Dessen Haus ist über einen im Grenzbereich beider Grundstücke gelegenen Weg erreichbar. Dieser Weg verläuft teilweise über das Grundstück der Wohnungseigentümer und ist sehr schmal geschnitten. Aus diesem Grunde sind zugunsten des herrschenden Grundstückes des Beklagten zwei Grunddienstbarkeiten in den Wohnungsgrundbüchern sämtlicher Wohnungseigentümer eingetragen. In der notariellen Bestellungsurkunde für eine Grunddienstbarkeit heißt es unter anderem:

Für die Grunddienstbarkeit gelten folgende nähere Bestimmungen:

Das Recht berechtigt zum ungehinderten Zugang zu dem berechtigten Grundstück auf der beschriebenen Teilfläche. Die Teilfläche darf nicht verstellt werden. (…) Die Unterhaltungskosten des Zugangs trägt der Eigentümer des berechtigten Grundstücks.

Der Beklagte hat auf dem vor seinem Haus befindlichen Teil des Zugangswegs eine Holzwand, eine Gartenbank, Pflanzkübel, Blumenkästen, Figuren und ein Gestell aufgestellt. Klägerin und Kläger verlangen die Entfernung dieser Gegenstände, soweit sie sich auf dem den Wohnungseigentümern gehörenden Bereich des Zugangsweges befinden, ferner die künftige Unterlassung der Aufstellung von Gegenständen sowie der Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, die sie an ihren Rechtsanwalt bezahlten mussten. Amtsgericht und Landgericht haben die Klage abgewiesen. Allerdings hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen, weil es sich in seiner Urteilsbegründung einer im Schrifttum aufgekommenen kritischen Gegenansicht angeschlossen hat, die der bisherigen Rechtsprechung des BGH widerspricht. Auf diese Weise hatte der BGH Gelegenheit zur grundsätzlichen Klärung der Rechtslage.

Die Entscheidung

Der BGH bewertet den Fall anderes als die Vorinstanzen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei eine gebündelte, einheitliche Rechtsdurchsetzung durch den Verband nicht erforderlich, so dass die Kläger berechtigt seien, die ihnen zustehenden Abwehransprüche auch selbst und im eigenen Namen durchzusetzen. Anders verhielte es sich nur dann, wenn die gerichtliche Rechtsverfolgung durch Mehrheitsbeschluss (Ansichziehen) zur Gemeinschaftsaufgabe gemacht worden wäre (so genannte gekorene Ausübungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 Halbsatz 2 WEG). An einem solchen Beschluss fehle es aber, so dass die Prozessführungsbefugnis den Klägern zustehe und nicht dem Verband.

Anderes als etwa für Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung von gemeinschaftlichem Eigentum (z. B. Eintreten der Hauszugangstür, Zerstörung der Schrankenanlage zur Tiefgarage), deren Verfolgung gerichtliche Durchsetzung der zwingenden (geborenen) Ausübungsbefugnis des Verbandes gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 Halbsatz 1 WEG unterliege, bestehe für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dem Miteigentum am Grundstück gemäß § 1004 Abs. 1 BGB kein Zwang zu einer einheitlichen Rechtsverfolgung durch den Verband, und zwar auch dann nicht, wenn Anspruchsgegner kein Wohnungseigentümer sei, sondern ein außerhalb der Gemeinschaft stehender Dritter (z. B. Mieter, Besucher oder – wie hier – Nachbar).

Auch in der Sache selbst gehe der Anspruch durch, weil die im Grundbuch eingetragene Grunddienstbarkeit lediglich ein Zugangsrecht gewähre, nicht aber ein Recht zugunsten des jeweiligen Eigentümers der herrschenden Nachbargrundstücks zum Aufstellen beweglicher Sachen auf der fraglichen Teilfläche. Daher seien die Kläger nicht zur Duldung (§ 1004 Abs. 2 BGB) verpflichtet.

Fazit für den Verwalter

Unterscheiden Sie immer zwischen Prozessführungsbefugnis und Rechtsinhaberschaft! Rechtsinhaber von Ansprüchen aus dem gemeinschaftlichen Eigentum (Unterlassung, Beseitigung, Schadensersatz) sind die Wohnungseigentümer, denn nur ihnen – nicht dem Verband – gehört das gemeinschaftliche Eigentum (Recht). Damit ist aber nicht gesagt, dass den Rechtsinhabern auch die Rechtsverfolgungskompetenz (vor Gericht: Prozessführungsbefugnis) zusteht. Dies hängt vielmehr davon ab, ob es ein zwingendes oder anerkanntes Interesse gibt, die – zumeist vielen – Einzelansprüche der Wohnungseigentümer gebündelt und einheitlich geltend zu machen. Bei Schadensersatzansprüchen bejaht die Rechtsprechung eine zwingende gemeinschaftliche Rechtsverfolgungskompetenz. Der BGH spricht von geborener Ausübungsbefugnis. Bei Ansprüchen auf Unterlassung (z. B. einer zweckbestimmungswidrigen Nutzung) oder Beseitigung (z. B. Rückbau einer baulichen Veränderung) liegen die Dinge laut BGH anders. Hier greift keine zwingende (geborene) Ausübungsbefugnis des Verbandes für die Rechte der Eigentümer, sondern den Eigentümern (Rechtsinhabern) steht ein Ermessen zu, ob sie es bei der individuellen Rechtsverfolgungskompetenz belassen oder ob der Verband die Rechtsverfolgung „zur Chefsache” macht. Man spricht von einer gekorenen Ausübungsbefugnis. Der gerichtlich in Anspruch genommene Anspruchsgegner (Wohnungseigentümer oder Dritter) kann sich vor einer uneinheitlichen oder mehrfachen Inanspruchnahme dadurch schützen, dass er den (anderen) Wohnungseigentümern den Streit verkündet (Rn 9 des Urteils).

Oberbegriff für die außergerichtliche oder gerichtliche Geltendmachung der Rechte der Wohnungseigentümer durch den Verband ist die Ausübungsbefugnis. Sie ist in § 10 Abs. 6 S. 3 WEG geregelt. Prozessrechtlich gesprochen handelt es sich bei der Ausübungsbefugnis vor Gericht um eine Prozessstandschaft. Der Verband klagt die für ihn fremden Rechte der Wohnungseigentümer im eigenen Namen ein.

Bei Störungsabwehransprüchen (Unterlassung und Beseitigung) kommen stets zwei unterschiedliche Anspruchsgrundlagen in Betracht, und zwar einerseits § 1004 Abs. 1 BGB und andererseits § 15 Abs. 3 WEG. Im vorliegenden Fall kam nur § 1004 Abs. 1 BGB in Betracht, da es sich nicht um einen Rechtsstreit zwischen Wohnungseigentümern untereinander handelte. Beklagter war ein Nichteigentümer.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
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