Arbeitsrecht

Verfall von Urlaub bei fehlendem Urlaubsantrag?

Ist der Arbeitgeber in der Pflicht, seinen Mitarbeiter vor Beendigung des Jahres in den „Zwangsurlaub” zu schicken oder ist doch der Arbeitnehmer am Ende selbst dafür verantwortlich, seinen Urlaub im laufenden Jahr wahrzunehmen? Die Rechtslage ist verworren. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) legte dem EuGH diese Frage daher zur Klärung vor. Das Urteil steht derzeit noch aus.

Der Fall

Der Arbeitnehmer verlangt vom seinem ehemaligen Arbeitgeber, 51 Urlaubstage aus den Jahren 2012 und 2013 „abzugelten” (11.979,26 Euro). Er war zuletzt befristet bis zum 31.12.2013 beschäftigt. Der Arbeitgeber hatte ihn mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 gebeten, bis zur Beendigung seinen Urlaub von 53 Tagen zu nehmen. Bis dahin nahm der Arbeitnehmer nur zwei Tage Urlaub. Der Arbeitgeber ist der Meinung, der Urlaub sei nicht „abzugelten”, da kein Urlaubsantrag vorlag.

Die Entscheidung

Ausgangspunkt ist, dass die Richter in Erfurt nach bisheriger Rechtsprechung die Klage abweisen würden. Denn die Urlaubsansprüche verfallen mit Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Nach Ansicht der Richter kann § 7 BUrlG nicht so ausgelegt werden, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer die bezahlte Freistellung aufzuzwingen.

Eine Ausnahme liegt nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber rechtzeitig vor Ablauf des Urlaubsjahres die Gewährung des Urlaubs verlangt hatte und dieser – z. B. wegen noch zu erledigender Arbeiten wie Dokumentation, Einarbeitung des Nachfolgers, Übergabe des Arbeitsplatzes oder ähnliches keinen Urlaub gewährt. Das war hier ebenfalls nicht der Fall.

Aber: Das BAG legte dem EuGH diese Frage vor. Denn dieser hatte sowohl entschieden, dass der Urlaubsanspruch verfallen kann, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Jedoch wird aus zwei anderen Entscheidungen abgeleitet, dass a) der Arbeitgeber verpflichtet sei, den Erholungsurlaub von sich aus einseitig zeitlich festzulegen und b) der Mindestjahresurlaub auch dann nicht verfällt, wenn der Arbeitnehmer in der Lage war, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen.

Der Tipp

Man muss unterscheiden: Endet das Arbeitsverhältnis und es bestehen noch Resturlaubsansprüche, müssen Arbeitgeber aus NRW, Bayern oder Berlin/Brandenburg aktuell den Urlaub einseitig anordnen (LAG Köln, Urt. v. 22.4.2016 – 4 Sa 1095/15; LAG München, Urteil vom 06.05.2015 - Aktenzeichen 8 Sa 982/14; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.6.2014 – 21 Sa 221/14). Sonst ist der Urlaub „abzugelten”.

Und was ist, wenn das Arbeitsverhältnis fortbesteht? Bislang verfallen Urlaubsansprüche am Jahresende. Sie werden nur übertragen, wenn z.B. der Arbeitnehmer krank ist oder aus dringenden betrieblichen Gründen den Urlaub nicht nehmen konnte. Wenn jedoch gar kein Urlaubsantrag vorliegt, konnten sich entgegenstehende betriebliche Gründe noch gar nicht manifestieren. Die o. g. Rechtsprechung könnte jedoch dazu führen, dass die Sorgfaltspflichten der Arbeitgeber ausgeweitet werden und die Arbeitnehmer in den Zwangsurlaub geschickt werden müssen.

Es ist zu raten, die Arbeitnehmer aufzufordern, bis zu einer Frist x Urlaub in einem Umfang y für einen Zeitraum zu beantragen. Wenn nichts kommt, schreibt der Arbeitgeber den Urlaubsplan.

BAG, Vorlagebeschluss vom 13.12.2016 - 9 AZR 541/15