WEG-Recht

Verjährt der Anspruch auf Beschlussdurchführung?

Seit dem Kurswechsel in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) steht fest, dass nicht die Gemeinschaft, sondern der Verwalter zur Durchführung gefasster Beschlüsse verpflichtet ist (siehe den » DDIVnewsletter vom 2. August 2018). Am Rande eines Beiratskongresses fragte mich ein Wohnungseigentümer, ob ein solcher Anspruch verjährt. Er schilderte mir einen Fall, der hier in leicht abgewandelter Form aufgegriffen werden soll.

Der Fall

Die Eigentümerversammlung beschließt im Jahr 2013 die Modernisierung des Hauseingangsbereichs der Wohnanlage. Der damals bestellte Verwalter (wir nennen ihn X) sollte Angebote einholen. Der Beschluss wurde bestandskräftig. X unternahm in dieser Angelegenheit nichts weiter und schied Ende 2016 aus. Mitte 2018 verlangt ein Wohnungseigentümer von dem inzwischen neu bestellten Verwalter Y die Umsetzung des damaligen Beschlusses. Y meint, der Anspruch sei verjährt.

Zur Rechtslage

Im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander ist festzuhalten, dass der Beschluss aus 2013 bestandskräftig ist. Er wurde nicht gerichtlich angefochten. Daraus folgt, dass dahinstehen kann, welches Mehrheitserfordernis galt (einfache Mehrheit, doppelt qualifizierte Mehrheit, Zustimmung aller beeinträchtigten Eigentümer). Aus der Bestandskraft folgt, dass alle damaligen, heutigen und künftigen Eigentümer an den Beschluss gebunden sind (§ 10 Abs. 4 Wohnungseigentumsgesetz [WEG]). Da nicht die konkrete Ausführung beschlossen wurde, handelt es sich um einen so genannten Grundlagen- oder auch Grundbeschluss, der vorerst nur verbindlich festlegt, dass der Hauseingangsbereich umgebaut wird. Über die Art und Weise der baulichen Ausführung muss ein weiterer Beschluss gefasst werden. Unbeachtlich ist, dass im Beschluss der X namentlich benannt ist. Bei objektiv-normativer Auslegung des Beschlussinhalts ergibt sich für den unbefangenen Leser, dass der jeweilige Amtsinhaber Angebote einzuholen hat, inzwischen also nicht mehr X, sondern Y.

Obwohl der Verwalter nicht in § 10 Abs. 4 WEG genannt ist, besteht auch ihm gegenüber eine Bindungswirkung gefasster Beschlüsse. Diese ergibt sich kraft Gesetzes aus seiner Amtsstellung. § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG verpflichtet den Verwalter, Beschlüsse durchzuführen.

§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist eine Kompetenznorm im Organisationsgefüge der Eigentümergemeinschaft. Sie verleiht dem Verwalter keine Vertretungsmacht nach außen (siehe dazu vielmehr § 27 Abs. 3 Satz 1 WEG) und dem einzelnen Eigentümer keinen Anspruch gegen ihn. Anspruchsgrundlage im Verhältnis vom Eigentümer zum Verwalter ist stattdessen § 21 Abs. 4 WEG. Es gehört zur ordnungsmäßigen Verwaltung, dass der Verwalter Beschlüsse in die Tat umsetzt. Jeder Eigentümer hat das Recht, den Verwalter notfalls sogar auf Beschlussdurchführung gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Die Versammlung muss er nicht anrufen.

Der Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung ist grundsätzlich unverjährbar, wie der BGH mit Urteil vom 27.04.2012 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 177/11 entschied. Der dortige Fall betraf das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander. Im Verhältnis zum Verwalter, der kraft seines Amtes ebenfalls zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung verpflichtet ist (vgl. §§ 20 Abs. 1 und 21 Abs. 1 WEG), kann nichts anderes gelten. Dies folgt auch aus Sinn und Zweck der Verjährungsvorschriften. Die Verjährung soll einen Schuldner davor schützen, wegen länger zurückliegender Vorgänge, die er nicht mehr aufklären oder überblicken kann, in Anspruch genommen zu werden. Dies trifft auf die Beschlussdurchführungspflicht des Verwalters nicht zu. Er nimmt Einblick in die Beschluss-Sammlung oder die Versammlungsniederschrift und schreitet zur Tat.

Fazit für den Verwalter

Im Beispielsfall kann dem neuen Verwalter Y nur angeraten werden, seine ablehnende Haltung aufzugeben und in die Hufe zu kommen. Anderenfalls ist er der Gefahr ausgesetzt, dass ein oder mehrere Eigentümer ihn auf Durchführung des Beschlusses verklagen. Da Y überdies durch die Aufforderung eines Eigentümers in Verzug gesetzt wurde, müsste er auch außergerichtliche Rechtsanwaltskosten erstatten. Y ist daher zu empfehlen, mindestens 3 Vergleichsangebote einzuholen, einen Tagesordnungspunkt in die nächste Einladung aufzunehmen und die Eigentümer über die Auftragsvergabe für die Umgestaltung des Hauseingangsbereichs abstimmen zu lassen.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de