WEG-Recht

Vertragsabschluss mit abweichendem Kostenverteilungsschlüssel ändert nicht automatisch Gemeinschaftsordnung ab

Änderungen von Kostenverteilungsschlüsseln stehen regelmäßig auf der Tagesordnung von Eigentümerversammlungen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte einen Fall zu entscheiden, in dem sich die Frage stellte, ob der Abschluss eines Vertrages zwischen der WEG und einem Eigentümer im Außenverhältnis gleichzeitig auf die Kostenverteilung im Innenverhältnis durchschlug. Der BGH verneint das.

Mit Urteil vom 8. Juni 2018 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 195/17 befasste sich der BGH mit einer WEG-Sache von der deutschen Ostseeküste. Parteien des Anfechtungsprozesses sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer aus über 400 Einheiten bestehenden WEG mit Hotel und Wohnappartements (Residenzen).

Der Fall

Dem Hotel gehören 3 Teileigentumseinheiten mit knapp über der Hälfte der Miteigentumsanteile (MEA), nach deren Verhältnis sich laut Gemeinschaftsordnung (GO) auch die Kostenverteilung regelt. Eine Öffnungsklausel enthält die GO nicht. In einem Vertrag aus dem Jahr 1993 über die Verteilung der „Kosten des Pförtnereinsatzes”, verlängert durch Vertrag aus dem Jahr 1996, und in einem weiteren Vertrag über die „technische Betreuung” aus dem Jahre 2009 sind Vereinbarungen zwischen der Hotelgesellschaft und dem Verband getroffen worden. Die darin vertraglich vorgesehene Kostenverteilung weicht von den Bestimmungen der GO ab. Die Verträge wurden durch Versammlungsbeschlüsse genehmigt, die gerichtlich nicht angefochten wurden. In einer Eigentümerversammlung vom 04.12.2015 wurden durch Mehrheitsbeschluss die Kosten für den Pförtner und die technische Betreuung für das Jahr 2011 nach einem Schlüssel verteilt, der sowohl von der GO (MEA) als auch den o.g. Verträgen abwich. 4 Wohnungseigentümer erhoben Anfechtungsklage, die in erster Instanz vor dem Amtsgericht Eutin teilweise und in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht Itzehoe vollständig erfolgreich war. Von den Beklagten legte lediglich die Hotelgesellschaft (Teileigentümerin) Revision ein. Ihr Rechtsmittel scheiterte.

Die Entscheidung

Die zwei angefochtenen Beschlüsse widersprechen ordnungsmäßiger Verwaltung, da der falsche Kostenverteilungsschlüssel angewendet werde. Die streitigen Kostenpositionen müssten nach MEA verteilt werden, da dieser in der GO vereinbarte Verteilerschlüssel nicht wirksam abgeändert worden sei. Eine Änderung durch Beschluss setze Beschlusskompetenz voraus.

Daran fehle es für die Pförtnerkosten bereits deshalb, weil § 16 Abs. 3 WEG und § 21 Abs. 7 WEG, die jeweils eine gesetzliche Beschlusskompetenz verliehen, 1993 und 1996 noch nicht in Kraft waren, sondern erst mit der WEG-Novelle zum 01.07.2007 in das Gesetz aufgenommen wurden. Am 04.12.2015 seien die gesetzlichen Öffnungsklauseln zwar in Kraft gewesen; es sei aber keine Änderung der Kostenverteilungsschlüssel beschlossen worden, sondern eine Einzelfallregelung nur für das Jahr 2011.

Bezüglich der Kosten der technischen Betreuung sei ebenfalls keine wirksame Änderung des Kostenverteilungsschlüssels MEA festzustellen. Selbst wenn der Vertragsschluss zwischen Hotelgesellschaft und WEG vom 15.09.2009 durch einen Beschluss genehmigt worden sein sollte, ergäbe sich aus der Beschlussfassung nicht mit der notwendigen Bestimmtheit, dass die Eigentümer das Bewusstsein und den Willen hatten, eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels für künftige Abrechnungen zu beschließen; ein solcher Wille im Zeitpunkt der Beschlussfassung sei aber erforderlich (Rn 18 der Urteilsgründe). Im Übrigen bestünden erhebliche Zweifel, dass die fraglichen Kosten die Tatbestandsmerkmale einer besonderen Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder eines besonderen Verwaltungsaufwandes gemäß § 21 Abs. 7 WEG erfüllten; dass einige technische Anlagen im Gebäude allen Eigentümern, anderen nur den Wohnungseigentümern und wieder anderen nur dem Hotelbereich dienten, genüge nicht (Rn 13 f.). In Bezug auf § 16 Abs. 3 WEG sei nicht ersichtlich, welche Kostenarten der „technischen Betreuung“ zu den Betriebs- und Verwaltungskosten im Sinne dieser Vorschrift gehörten und inwieweit es sich um Kosten der Instandhaltung oder Instandsetzung handelt, die gerade nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift fielen (Rn 16).

Fazit für den Verwalter

Wirksame Änderungen bestehender Kostenverteilungsschlüssel durch Beschluss erfordern eine entsprechende Beschlusskompetenz. Diese kann – woran es hier fehlte – in der GO vereinbart sein (vereinbarte Öffnungsklausel) oder aus dem Gesetz folgen (gesetzliche Öffnungsklausel), speziell § 16 Abs. 3 WEG und § 21 Abs. 7 WEG. Letztere Vorschrift soll indes nicht nur Änderungen gestatten, sondern auch Einzelfallregelungen, worauf der BGH vorliegend indes gar nicht eingeht.

Verwalter sollten Beschlüsse über Änderungen der Kostenverteilung stets in einem separaten Beschluss (TOP) ankündigen und zur Abstimmung stellen. Für aktuelle und künftige Eigentümer muss transparent sein, dass Beschlussgegenstand eine Änderung des Verteilerschlüssels ist. „Versteckte Regelungen” in Jahresabrechnungen, Wirtschaftsplänen, Sonderumlagen oder – wie hier – Verträgen, die im Außenverhältnis zwischen WEG und Miteigentümern geschlossen bzw. legitimiert werden, genügen den Bestimmtheitsanforderungen nicht. Gleiches hat zu gelten, wenn der Verwaltervertrag eine Vergütungsverteilung nach Anzahl der Einheiten vorsieht, laut GO aber z.B. nach MEA oder Fläche zu verteilen ist. Auch hier schlägt der Verteilungsmaßstab aus dem Außenverhältnis (Verwaltervertrag) nicht automatisch in das Innenverhältnis (GO) durch. Eine Anpassung setzt vielmehr einen Beschluss nach § 16 Abs. 3 WEG voraus, dessen Regelungsbereich Kosten der Verwaltung und mithin auch die Verwaltervergütung umfasst.

Wissenswert ist eine Aussage aus Rn 17 des Urteils: Wird ein Miteigentümer für die WEG auf der Grundlage eines Vertragsschlusses entgeltlich tätig, darf er den auf ihn entfallenden Kostenanteil vorab in Abzug bringen, so dass nur der restliche Betrag aus dem Verwaltungsvermögen zu begleichen ist und als Geldabfluss in den Jahresabrechnungen auf die übrigen Eigentümer verteilt wird. Allerdings muss der Miteigentümer eine Rechnung vorlegen, in dem der vollständige Betrag, also einschließlich seines Kostenanteils, abgerechnet wird.

Bei der Abstimmung über den Abschluss eines Vertrages zwischen WEG und einem Miteigentümer ergibt sich für Letzteren ein Stimmverbot (§ 25 Abs. 5 Alternative 1 WEG). Der Verwalter als Versammlungsleiter darf den Miteigentümer also nicht an der Abstimmung beteiligen.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
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