Die Eigentümerversammlung ist das oberste Organ der WEG. Alle wesentlichen Entscheidungen werden hier in Form von Beschlüssen getroffen. Eingeladen werden müssen daher zwingend alle aktuellen Eigentümer. Die Vertretung ist grundsätzlich zulässig, da es sich bei der Teilnahme nicht um eine höchstpersönliche Angelegenheit handelt. Das setzt allerdings eine nachweisbare Bevollmächtigung voraus, die auch innerhalb der Eigentümerversammlung vor der Beschlussabstimmung für alle Teilnehmer einsehbar sein muss. Die vorherige Information des Verwalters von der Bevollmächtigung reicht nicht aus, insbesondere dann nicht, wenn Streit über die Bevollmächtigung besteht.
Was gilt es im Detail bei einer Vollmacht zu berücksichtigen?
Bei der Vertretung durch Vollmachten sind einige Dinge zu berücksichtigen. Es ist darauf zu achten, ob in der Gemeinschaftsordnung bzw. Teilungserklärung Einschränkungen geregelt sind (z.B. keine Übertragung auf Ehegatten oder den Verwalter). Darüber hinaus muss geprüft werden, dass kein Stimmrechtsverbot nach § 25 Absatz 5 WEG (z.B. weil die Beschlussfassung die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits der anderen Wohnungseigentümer gegen ihn betrifft) vorliegt.
Da auf keinen Fall eine Vermehrung der Mitgliedschaftsrechte stattfinden darf, ist bei der Vertretung nur die Teilnahme des Vertreters oder des Wohnungseigentümer zulässig. Die Vollmacht muss auf Verlangen im Original vorgelegt werden. Das Recht, Einsicht in die Originalvollmacht zu nehmen hat jeder Versammlungsteilnehmer zu jeder Zeit. Dies bestätigte nun auch das Landgericht Frankfurt/Main.
Das Gericht hatte jüngst einen Fall zu entscheiden, in dem auf der Eigentümerversammlung einer Wohnanlage mit über 1 000 Wohneinheiten nur 30 Eigentümer persönlich anwesend waren und ca. 450 Eigentümer sich durch Vollmachten vertreten ließen.
Das Recht der Einsichtnahme in die Originalvollmacht darf nicht abgewiesen werden
Im konkreten Fall war ein Miteigentümer mittels Bevollmächtigung mit 16.450 Miteigentumsanteilen mit Stimmrecht ausgestattet. Ein weiterer Versammlungsteilnehmer beantragte, ihm vor der ersten Abstimmung Einsicht in die Originalvollmacht zu gewähren. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Daraufhin beanstandete der Teilnehmer die Bevollmächtigung für die nachfolgenden Abstimmungen und erhob im Anschluss Anfechtungsklage. Der Anfechtungsklage wurde stattgegeben, die Berufung vor dem Landgericht dagegen hatte keinen Erfolg. Das Gericht war der Ansicht, dass die Beschlussfassung an formellen Fehler litt und dieser Fehler vermutlich kausal auf das Ergebnis ausgewirkt habe. Es gab damit dem Kläger Recht.
Kenntnis durch den Verwalter reicht nicht aus
Bereits in der Zurückweisung des Antrages auf Einsichtnahme in die Vollmachten lag nach Auffassung des Gerichts ein Beschlussfehler vor. Das Recht der Versammlungsteilnehmer, sich davon zu überzeugen, ob die Zulassung des Vertretenen zu Recht erfolgt ist und die Beschlussfassung in der Versammlung damit ordnungsgemäß erfolgte, wird damit unterlaufen. Der Zurückweisung stand auch nicht entgegen, dass die Vollmachten dem Verwalter angezeigt wurden. Denn die Kenntnis des Verwalters führt nicht dazu, dass eine Zurückweisung im Sinne von § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist. Seine Kenntnis von der Vollmacht reicht nicht aus, weil die anderen von der Bevollmächtigung nicht informiert wurden. Dies gilt zumindest für den Fall, wenn die Parteien maßgeblich um die Frage der Bevollmächtigung streiten.Nichtvorlage führt zu Beschlussmangel
Da die Vollmacht nicht nachgewiesen werden konnte, lag ein Beschlussmangel vor, der zur Ungültigkeit des angefochtenen Beschlusses führte. Die Kausalität eines formellen Beschlussfehlers wird widerlegbar vermutet. Nur wenn zweifelsfrei festgestellt werden kann, dass der Mangel keinen Einfluss auf das Beschlussergebnis hatte, ist die Vermutung widerlegt. Im vorliegenden Fall konnte nicht zweifelsfrei von dem darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht vorgetragen werden.Tipp für die Praxis
Dieses Urteil bestätigt, dass es ratsam ist, die Vertretungsvollmachten genau zu prüfen und in der Eigentümerversammlung im Original parat zu haben. So können eventuelle Zweifel und Fragen vor einer Beschlussfassung geklärt und viel Ärger erspart werden.
LG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.08.2015 -2-13 S 32/13