WEG-Recht

Verwalter darf Beschluss über bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums bei einfacher Mehrheit verkünden

Gemäß § 22 Absatz 1 WEG kann ein Beschluss über eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums mit einfacher Mehrheit gefasst werden, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Fehlt die Zustimmung einzelner beeinträchtigter Wohnungseigentümer, ist ein dennoch verkündeter Beschluss anfechtbar, aber nicht nichtig. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 29. Mai 2020 (Az. V ZR 141/19) klargestellt.

Der Fall

Im konkreten Fall hatten die Wohnungseigentümer in einer Eigentümerversammlung im Jahr 2011 mit Stimmenmehrheit beschlossen, einer Teileigentümerin den Umbau ihres Einkaufzentrums im Hinblick auf die damit verbundenen baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums zu genehmigen. Der Geschäftsführer der Verwalterin verkündete den Beschluss. Ein Wohnungseigentümer, der gegen den Beschluss gestimmt hatte, reichte Anfechtungsklage ein. Nach einer übereinstimmenden Erledigungserklärung erlegte das Landgericht die Prozesskosten den beklagten Wohnungseigentümern auf, weil der Beschluss mit hoher Wahrscheinlichkeit für ungültig erklärt worden wäre. Es habe nicht die Zustimmung aller Eigentümer vorgelegen, die durch die Baumaßnahmen beeinträchtigt werden.

Daraufhin verlangten einige der im Verfahren unterlegenen Wohnungseigentümer von der ehemaligen Verwalterin Ersatz der im Anfechtungsverfahren entstandenen Kosten. Sie argumentierten, der Geschäftsführer der Verwalterin hätte das Zustandekommen des Beschlusses nicht verkünden dürfen.

Die Entscheidung

Die BGH-Richter sahen das anders. Der Beschluss, mit dem die bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums genehmigt wurde, war zwar mangels Zustimmung aller beeinträchtigten Eigentümer rechtswidrig. Gleichwohl hat der Geschäftsführer der Verwalterin bei der Verkündung des Beschlusses nicht pflichtwidrig gehandelt.

Die Verantwortung für den Inhalt gefasster Beschlüsse liegt bei den Wohnungseigentümern. Sie können das Risiko der Anfechtung bewusst eingehen. Der Verwalter ist jedoch als Versammlungsleiter verpflichtet, der Eigentümerversammlung durch umfassende Informationen eine ordnungsgemäße Grundlage für die zu treffende Entscheidung zu verschaffen. Dazu gehört die Pflicht, vor der Abstimmung über eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums nach § 22 Abs. 1 WEG auf ein bestehendes Zustimmungserfordernis hinzuweisen. Im strittigen Fall konnten die klagenden Eigentümer nicht nachweisen, dass der Verwalter seine Informations- und Hinweispflichten verletzt hatte. Entsprechend hat er nicht pflichtwidrig gehandelt, indem er den Beschluss über die bauliche Veränderung verkündet hat. 

Fazit für den Verwalter

In Vorbereitung einer Beschlussfassung über die bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums muss der Verwalter prüfen, ob und welche Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilen müssen. Vor der Beschlussfassung muss er die Eigentümerversammlung über das Ergebnis seiner Prüfung informieren und auf Anfechtungsrisiken hinweisen.

Versäumt es der Verwalter, in gebotener Weise über ein bestehendes Zustimmungserfordernis zu informieren, so handelt er zwar pflichtwidrig im Sinne von § 280 Absatz 1 BGB. Nach Auffassung des BGH hat er einen Rechtsirrtum aber nur dann im Sinne von § 276 BGB zu vertreten, wenn seine Einschätzung offenkundig falsch ist.

Es mag jedoch durchaus vorkommen, dass ein Verwalter der Auffassung ist, dass die erforderliche Zustimmung einzelner Eigentümer fehlt, und daher Bedenken gegen die Verkündung des Beschlusses hat, für den sich eine einfache Mehrheit ausgesprochen hat. Dann kann er, statt das Zustandekommen des Beschlusses zu verkünden, eine Weisung der Wohnungseigentümer im Wege eines Geschäftsordnungsbeschlusses einholen.