WEG-Recht

Verwalter muss sich beim Wort nehmen lassen

Mit Urteil vom 15.04.2015 zum gerichtlichen Aktenzeichen 318 S 125/14 hat sich das Landgericht Hamburg zu der Frage geäußert, ob Eigentümer darauf vertrauen dürfen, dass zu einem bestimmten TOP keine Beschlüsse gefasst werden, wenn der Verwalter dies in der Einladung ausdrücklich angekündigt hat.

Der Fall

Der Mehrheitseigentümer hatte vom Verwalter die Einberufung einer außerordentlichen Versammlung verlangt mit dem Tagesordnungspunkt, bei Sanierungsarbeiten über EUR 2.000,00 ab sofort stets 3 Vergleichsangebote einzuholen und ihn über die Auftragsvergabe bestimmen zu lassen. Der Verwalter lud ein, wies aber im Einladungsschreiben darauf hin, dass er im Falle einer Abstimmung hierzu keinen positiven Beschluss verkünden werde, da seiner Meinung nach der Beschluss nichtig sei. In der Versammlung erschien nur der Mehrheitseigentümer. Er beantragte unter Modifizierung seines angekündigten Antrags, dass nicht er, sondern die Versammlung über die endgültige Auftragsvergabe zu entscheiden habe. Die übrigen Eigentümer erheben Anfechtungsklage. Sie rügen einen formellen Mangel, weil entgegen der Nichtverkündungsankündigung doch ein positiver Beschluss verkündet wurde. Zudem meinen sie, dass der Beschluss auch inhaltlich rechtswidrig, möglicherweise sogar mangelsBeschlusskompetenz nichtig sei.

Die Entscheidung


Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen, da der Beschluss die Eckpunkte einer sinnvollen Kostenkontroll- und Sanierungsumfangsrechtsprechung zutreffend wiedergebe. Die Eigentümergemeinschaft habe bei Sanierungsmaßnahmen einen weitern Ermessensspielraum. Bei größeren Sanierungsvorhaben sie die Einholung von Vergleichsangeboten auch sinnvoll. Die Übertragung von Auswahlkompetenzen auf den Beirat, die hier ausgeschlossen werde, werde in der Rechtsprechung teilweise sogar explizit abgelehnt. Die „Nichtverkündungs-Ankündigungen" des Verwalters hielt das Amtsgericht für unwirksam.

Das Landgericht Hamburg änderte die amtsgerichtliche Entscheidung ab und gab der Klage statt. Der Beschluss war formell mangelhaft. Die Ankündigung von Tagesordnungspunkten soll die Eigentümer vor Überraschungen schützen sowie die Möglichkeit geben, abzuschätzen, ob man zur Versammlung geht oder nicht. Es genügt grundsätzlich eine schlagwortartige Bezeichnung. Im Regelfall müssen Eigentümer bei jedem TOP damit rechnen, dass Beschlüsse gefasst werden. Im vorliegenden Fall hatte der Verwalter jedoch ausdrücklich mitgeteilt, dass er eine Beschlussfassung für nichtig hielte und sofern hierzu keinen Beschluss verkünden werde. Angesichts dessen mussten die Eigentümer nicht damit rechnen, dass ein Beschluss tatsächlich gefasst würde. Das Landgericht bejahte auch die Kausalität des formellen Beschlussfehlers. Soweit die Beklagten (der Mehrheitseigentümer) im Prozess einwandten, er hätte den Beschluss sowieso mit seiner Mehrheit erzwungen, widerspricht das Landgericht dieser Behauptung. Denn der tatsächliche Versammlungsverlauf zeigte, dass noch in der Versammlung vom Mehrheitseigentümer Bereitschaft gezeigt wurde, den ursprünglich angekündigten Antrag umzuändern. Zur Frage der materiellen Wirksamkeit äußerte sich das Landgericht nicht mehr.

Fazit für den Verwalter

Zwar hatte der Verwalter mit seiner rechtlichen Einschätzung des ursprünglichen Beschlussantrages sicherlich recht. Trotzdem war es ungewöhnlich, meines Erachtens unnötig, in der Einladung anzukündigen, hierzu keinen Beschluss zu verkünden. Es ist nämlich zu beachten, dass der Versammlungsvorsitz dem Verwalter in der Versammlung entzogen werden kann (vgl. § 24 Abs. 5 WEG). Die übrigen Eigentümer konnten daher nicht darauf vertrauen, dass es zu dem Beschlussantrag keine (positive) Abstimmung geben werde.

Das Landgericht ließ die Frage der Wirksamkeit des Beschlusses offen. Nach vorherrschender Ansicht war der Beschluss mangels Beschlusskompetenz nichtig. Der Beschluss zielte darauf ab, die Zuständigkeitsregelungen innerhalb der Gemeinschaft bei Sanierungsmaßnahmen in abstrakt-genereller Weise, also eine Vielzahl von Fällen, abzuändern. Dieses Zuständigkeitsgefüge ist in der Rechtsprechung ausgeformt worden. Ausnahmsweise ist etwa eine Delegation auf Verwalter und Beirat zulässig. Dies war durch den hier streitgegenständlichen Beschluss ausgeschlossen, da stets die Versammlung entscheiden sollte. Auch war nicht recht einsehbar, weshalb bei Maßnahmen unterhalb von EUR 2.000,00 offenbar keine 3 Vergleichsangebote eingeholt werden sollten. Die Wohnanlage bestand nur aus 10 Wohnungen, so dass dieser Betrag nicht als Bagatellbetrag eingestuft werden kann.

Zu weiteren Aspekten des Urteils (Sanktionierungen von Hausordnungsverstößen) siehe den DDIVnewsletter 2015-04-2

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft Hamburg
www.wir-breiholdt.de