WEG-Recht

Weg vom Fenster! Kein Kostenersatz für irrtümliche Fensterinstandsetzung – Teil 1

Immer wieder erneuern Wohnungseigentümer die im räumlichen Bereich ihrer Wohnung befindlichen Fenster selbst und auf eigene Kosten, da sie irrtümlich annehmen, hierzu nach der Gemeinschaftsordnung (GO) oder einer Beschlussfassung verpflichtet zu sein. In Wahrheit unterliegt die Fensterinstandsetzung der Zuständigkeit und Kostentragungspflicht der Gemeinschaft, so dass der einzelne Eigentümer gar nicht selbst hätte tätig werden müssen bzw. dürfen und darüber hinaus auch nur seinen Anteil, aber nicht die Gesamtmaßnahme hätte bezahlen müssen. Jetzt entschied der für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH), dass derartige Rechtsirrtümer keine Erstattungsansprüche gegen die Gemeinschaft auslösen. 

Mit Urteil vom 14. Juni 2019 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 254/17 beendete der BGH die Hoffnung mancher Wohnungseigentümer auf einen finanziellen Obolus, wenn sie – irrtümlich – Fenster ihrer Wohnung auf eigene Kosten erneuerten, obwohl an sich die Gemeinschaft in der Pflicht gewesen wäre. Bislang liegt nur die Pressemitteilung der Pressestelle des BGH vor, so dass die genaue Begründung, die der BGH liefert, noch nicht bekannt ist. Gleichwohl lohnt sich bereits jetzt ein Blick auf den zugrunde liegenden Fall. (Update: Das inzwischen veröffentlichte Urteil des BGH, das für noch mehr Durchblick sorgt, » beleuchten wir im 2. Teil.)

Der Fall

Der Kläger ist Mitglied der von ihm verklagten Wohnungseigentümergemeinschaft, die aus 212 Wohnungen besteht und im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek liegt. Er ließ 2005 in seiner Wohnung die einfachverglasten Holzfenster aus dem Jahr 1972 durch Kunststofffenster mit Dreifachisolierglas ersetzen. Bereits zuvor hatten viele andere Eigentümer ihre Wohnungen mit modernen Kunststofffenstern ausgestattet. Die Wohnungseigentümer gingen bis zur Veröffentlichung der Fenster-Grundsatzentscheidung des BGH vom 2.3.2012 (V ZR 174/11) zu einer ähnlich formulierten Bestimmung in einer GO rechtsirrtümlich davon aus, jeder Eigentümer müsse eine notwendige Fenstererneuerung in seiner Wohnung auf eigene Kosten vornehmen. Tatsächlich ist dies aber nach der objektiven Auslegung der GO eine gemeinschaftliche Aufgabe. Das Amtsgericht hatte die auf Wertersatz in Höhe von 5.500,00 EUR gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung vor dem Landgericht Hamburg blieb ebenfalls erfolglos. Das Landgericht ließ aber wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zu. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Die Entscheidung

Der BGH sieht keine Anspruchsgrundlage für den eingeklagten Geldbetrag. In Betracht kämen theoretisch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass diese allgemeinen Vorschriften des BGB durch die spezialgesetzlichen Bestimmungen in § 21 Abs. 4 und 5 WEG verdrängt würden. Zwischen Wohnungseigentümern sei das gesetzlich vorgegebene Verfahren einzuhalten, welches grundsätzlich einen Beschlussantrag voraussetze, bei einer Fenstererneuerung also einen hierauf gerichteten Antrag in der Versammlung. Auch bei zwingend notwendigen Maßnahmen – wenn also eine Reparatur des alten Fensters ausscheidet – bliebe den Wohnungseigentümern immer noch ein Gestaltungsspielraum, etwa dahingehend, ob sie die Fenstererneuerung isoliert oder zusammen mit anderen Maßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum durchführen und welche Handwerker sie beauftragen. Ohne einen solchen Antrag sei der einzelne Eigentümer, der eigenmächtig oder rechtsirrtümlich (also in gutem Glauben) eine an sich gemeinschaftliche Angelegenheit der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums besorge, nicht schutzwürdig.

Stattdessen sieht der BGH die überwiegende Schutzbedürftigkeit bei den übrigen Wohnungseigentümern. Diese müssten ihre private Finanzplanung nicht darauf einrichten, dass sie im Nachhinein für abgeschlossene Maßnahmen aus der Vergangenheit, auf die sie keinen Einfluss nehmen konnten und die mitunter viele Jahre oder Jahrzehnte zurücklägen, herangezogen würden. Werde eine GO – wie hier – jahrelang unzutreffend rechtlich ausgelegt, hätten zudem häufig viele Wohnungseigentümer einen Erstattungsanspruch. Ein damit verbundener „Hin- und Her - Ausgleich“ zwischen allen Betroffenen führe zu einem hohen Ermittlungs- und Berechnungsaufwand, ohne dass sich zwangsläufig ein als gerecht empfundenes Ergebnis einstellte.

Fazit für den Verwalter

Der BGH verhilft im Fensterstreit zum notwendigen Durchblick. Ob alles an der Begründung glasklar ist, bleibt der Lektüre des vollständig veröffentlichten Urteils vorbehalten.

Der vorliegende Sachverhalt betrifft die Fallgruppe, dass Wohnungseigentümer, Verwalter oder sonstige Rechtsanwender die GO unzutreffend auslegen. Irrtümlich wird eine Bestimmung der GO dahin verstanden, dass abweichend von der gesetzlichen Grundregel der einzelne Sondereigentümer für die Instandhaltung und Instandsetzung „seiner“ Fenster zuständig und kostentragungspflichtig sei. In Wahrheit aber ist die fragliche Regelung so zu verstehen, dass die gemeinschaftliche Zuständigkeit und Kostentragungspflicht gilt.

Eine zweite, in der Praxis ebenfalls relevante Fallgruppe, ist die der nichtigen „Fenster-Beschlüsse“. Es gibt viele Wohnungseigentümergemeinschaften, in denen in den vergangenen Jahrzehnten Mehrheitsbeschlüsse gefasst wurden, wonach die Instandhaltung und Instandsetzung von Fenstern nicht Gemeinschaftsaufgabe sei, sondern Angelegenheit jedes einzelnen Eigentümers. Derartige Beschlüsse waren teils über Jahrzehnte als wirksam erachtet und von allen befolgt worden. Im Gefolge der Veröffentlichung der Grundsatzentscheidung des BGH vom 20.9.2000 zur Beschlusskompetenz war sodann aber offenbar, dass derartige Beschlüsse mangels Beschlusskompetenz nichtig sind. Entpuppten sich dann – zumeist neu hinzu gekommene – Eigentümer als Spielverderber, indem sie sich auf die Nichtigkeit beriefen und – zu Recht – eine gemeinschaftliche Fenstererneuerung geltend machten, löste dies oft eine Kettenreaktion aus. Viele Eigentümer, die zuvor im Vertrauen auf die Gültigkeit der Beschlusslage aus eigenen Mitteln Fenster ausgetauscht hatten, verlangten finanzielle Entschädigung. In der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung der zurückliegenden Jahrzehnte gab es in der Tat konstruktive rechtliche Ansätze, derartigen Erstattungen eine Brücke zu bauen, beispielsweise dadurch, dass die Berufung der übrigen Eigentümer bzw. der WEG auf eine inzwischen eingetretene Verjährung als rechtsmissbräuchlich bewertet wurde oder (gestaffelte) Pauschalerstattungen von bis zu 1.000,00 EUR je Wohnung als „Wiedergutmachung“ gebilligt wurden.

Eine Ausnahme scheint der BGH für Maßnahmen der Notgeschäftsführung (§ 21 Abs. 2 WEG) zu machen. Hier käme ein Erstattungsanspruch gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft (Verband) in Betracht, da es einer Beschlussfassung nicht bedürfe. Indessen ist zu beachten, dass ein Fall der Notgeschäftsführung so gut wie nie vorliegen wird. Die Instandsetzungsbedürftigkeit und Unausweichlichkeit der Erneuerung genügt nicht. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, etwa der Nachweis, dass es bei Niederschlag zu liquidem Wassereintritt kommt und eine provisorische Abdichtung oder ein Wetterschutz unmöglich oder mit vernünftigem wirtschaftlichen Aufwand nicht zumutbar waren.

Für die Praxis wissenswert ist, wie die hier im Streit stehende Vereinbarung in der GO konkret formuliert war. Dem Berufungsurteil und der Pressemitteilung des BGH lässt sich hierzu nichts entnehmen.

Update: Das inzwischen veröffentlichte Urteil des BGH, das für noch mehr Durchblick sorgt, » beleuchten wir im 2. Teil.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de