WEG-Recht

Wenn zwei sich streiten, freut sich die Dritte (oder auch nicht …)

Auch Zweiergemeinschaften sind stets zu dritt. Neben den zwei Sondereigentümern existiert die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, vom Bundesgerichtshof (BGH) neuerdings „GdWE“ abgekürzt. Das klingt spukig und ist es auch. Besonders, wenn das Verwalteramt unbesetzt ist, die GdWE für die beiden Eigentümer also unsichtbar ist. So wie Cary Grant, der im Hitchcock-Klassiker „Der unsichtbare Dritte“ einen redlichen Werbefachmann spielte, der in die Fänge einer Geheimdienstintrige geriet, tappen Wohnungseigentümer, die von ihrem Miteigentümer Auslagenerstattung fordern, in die Falle, wenn sie die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung nicht kennen.

Mit Urteil vom 25.03.2022 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 92/21 entschied der BGH, dass in einer Zweiergemeinschaft, in der Stimmenpatt herrscht und Verbindlichkeiten der GdWE getilgt wurden, diese in Anspruch genommen werden muss. Zahlungsklagen gegen den Miteigentümer – auch wenn er aus der Gemeinschaft ausgeschieden ist – sind unbegründet.

Der Fall

Der dem Fall zugrunde liegende Sachverhalt spielte vor dem 01.12.2020. Der Kläger und der Beklagte waren die beiden einzigen Mitglieder der Gemeinschaft. Der Kläger hält 51,07/ 100 Miteigentumsanteile (MEA), die vom Beklagten später veräußerte Wohnung ist mit 48,93/100 MEA verbunden. Kosten werden nach MEA verteilt, abgestimmt wird nach TE/GO nach Objektprinzip. Der neue Eigentümer wurde am 27.09.2019 ins Wohnungsgrundbuch als Rechtsnachfolger des Beklagten eingetragen. Zuvor hatten beide Parteien immer wieder Verbindlichkeiten der GdWE getilgt und forderten voneinander die Erstattung der jeweils verauslagten Kosten in Höhe des MEA des anderen. Der Kläger verklagte den Beklagten vor dem Amtsgericht Saarbrücken auf Zahlung von 7.068,49 EUR. Der Beklagte verrechnete im Prozess mit streitigen Gegenforderungen aus seinerseits für die GdWE getätigten Auslagen. Das Amtsgericht verurteilte den Beklagten unter teilweiser Berücksichtigung der eingewandten Aufrechnung zur Zahlung von 2.641,10 EUR. Der Kläger ging in Berufung und wollte weitere 4.138,12 EUR zugesprochen bekommen. Der Beklagte ließ das Urteil rechtskräftig werden, legte also keine Rechtsmittel ein.

Das Landgericht Saarbrücken versagte dem Kläger die 4.138,12 EUR. Denn der Beklagte dürfe hier ausnahmsweise aufrechnen. Zwar finde – so das LG Saarbrücken – die für die teilschuldnerische Außenhaftung einschlägige Vorschrift des § 10 Abs. 8 S. 1 WEG aF laut Rechtsprechung des BGH in einer Zweiergemeinschaft keine Anwendung, weil sonst das Finanzsystem innerhalb der GdWE umgangen würde. Von diesem Grundsatz sei vorliegend aber eine Ausnahme zu machen, da der Beklagte aus der Gemeinschaft ausgeschieden sei und auf die dortige Beschlussfassung daher keinen Einfluss mehr nehmen könne. Das Landgericht ließ die Revision zu.

Die Entscheidung

Der BGH folgt dem Landgericht nicht und spricht dem Kläger auch die weiteren 4.138,12 EUR zu. Zwar nehme der Beklagte als Ex-Wohnungseigentümer die Stellung eines außenstehenden Dritten ein. Es sei ihm daher nicht mehr möglich, unmittelbar auf die Beschlussfassung Einfluss zu nehmen und eine Beschlussersetzungsklage gegen die GdWE anzustrengen. Sein Ausscheiden ändere aber nichts daran, dass es sich bei dem noch während seiner Mitgliedschaft entstandenen Erstattungsanspruch gegen die GdWE um eine sogenannte Sozialverbindlichkeit handele, auf die § 10 Abs. 8 WEG aF nicht anwendbar sei. Forderungen eines Wohnungseigentümers auf Aufwendungserstattung wegen der Tilgung einer Verbindlichkeit der GdWE hätten ihre Grundlage einschließlich in dem Gemeinschaftsverhältnis und seien untrennbar mit der Rechtsstellung des Ausgleichsberechtigten als früherem Wohnungseigentümer verbunden. Ansprüche dieser Art würden deshalb auch nicht durch die spätere Beendigung der Mitgliedschaft zu „normalen“ Drittgläubigerforderung. Der ausgeschiedene Wohnungseigentümer müsse sich daher an die GdWE als Schuldnerin seiner Ersatzforderung halten und ggf. die Vollstreckung gegen diese betreiben.

Fazit für den Verwalter

Im vorliegenden Fall war seit 2018 kein Verwalter mehr bestellt, wahrscheinlich auch deshalb, weil die Parteien langjährig zerstritten und unverwaltbar waren. Sie hatten ihre Gemeinschaft „zerwaltet“. Für die Verwalterbestellung in einer Zweiergemeinschaft gelten keine Besonderheiten. Es genügt eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Ist das Amt besetzt, vertritt ausschließlich der Verwalter die Gemeinschaft.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

Für Sondereigentümer, die während ihrer Zugehörigkeit zur GdWE Verbindlichkeiten der Gemeinschaft gegenüber anderen Miteigentümern oder Dritten getilgt haben, müssen ihre Erstattungsansprüche gegen die GdWE richten. Direkte Zahlungsansprüche gegen ihre Miteigentümer bestehen nicht, Zahlungsklagen sind daher aussichtslos. Es muss „über Bande gespielt“ werden. Für den Anspruchsteller bedeutet dies oft, die Angelegenheit in die Eigentümerversammlung zu bringen, beispielsweise mit einer Abstimmung über die freiwillige Zahlung des begehrten Geldbetrages zur Vermeidung einer sonst drohenden Zahlungsklage gegen die GdWE als Beschlussgegenstand (§ 23 Abs. 2 WEG). Dies gilt zumindest, solange der die Zahlung begehrende Eigentümer noch Wohnungseigentümer ist. Scheidet er aus, stehen ihm Beschlussantragsrechte und Stimmrechte nicht mehr zu. Gleichwohl kann er natürlich seiner ehemaligen Gemeinschaft eine Frist zur Zahlung unter Klageandrohung setzen. Für das Gemeinschaftsmitglied mag der oben skizzierte Weg unnötig sein, wenn in einer zerstrittenen Zweiergemeinschaft mit Stimmenpatt der Miteigentümer bereits vorab signalisiert, die Zahlung abzulehnen. Eine unmittelbare Zahlungsklage gegen die GdWE wäre dann zulässig. Die GdWE wird im Prozess von dem anderen Wohnungseigentümer gesetzlich vertreten. Ungeklärt ist, was geschieht, wenn der andere Wohnungseigentümer sein Sondereigentum nach Rechtshängigkeit veräußert. Theoretisch müsste der Erwerber als gesetzlicher Vertreter der Gemeinschaft eintreten, da der Kläger nicht auf beiden Seiten des Prozessrechtsverhältnisses erscheinen dürfte.

Unverständlich ist, weshalb der Beklagte nicht in Berufung gegangen ist. Wenn – wie es das Urteil besagt – auch die klägerische Forderung ein Erstattungsanspruch wegen getilgter Gemeinschaftsverbindlichkeiten war, war die Klage ebenfalls unbegründet. Dies wäre im Berufungsverfahren zur Sprache gekommen. Der Beklagte hätte über eine Drittwiderklage nachdenken, also die GdWE verklagen müssen. Dann hätte es jedenfalls nicht an der Passivlegitimation der Drittwiderbeklagten (GdWE) gefehlt, möglicherweise aber an der Zulässigkeit. Auch hier wäre die Frage interessant gewesen, wer gesetzlicher Vertreter der verwalterlosen GdWE gewesen wäre.

Fazit für die Gemeinschaft

Wenn zwei sich streiten, freut sich - laut Sprichwort - der Dritte. Dies muss allerdings nicht immer so sein. Verklagt zu werden, ist für gewöhnlich kein freudiges Ereignis. Durch das Rechtsgefüge innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft lässt es sich aber nicht verhindern, dass im Normalfall die GdWE Ansprüche verfolgt bzw. in Anspruch genommen wird, nicht die einzelnen Sondereigentümer.

Zum Spießrutenlauf kann es für Gläubiger werden, wenn die GdWE chronisch pleite, d.h. die Gemeinschaftskasse leer, und ihre Mitglieder nicht bereit sind, sie mit Finanzmitteln auszustatten, also Beschlüsse über Wirtschaftspläne, Jahresabrechnungen oder eine Sonderumlage herbeizuführen. Dann müsste der Gläubiger, der einen Zahlungstitel gegen die GdWE erstritten hat, den Anspruch der Gemeinschaft gegen ihre Mitglieder auf ordnungsmäßige Verwaltung (Finanzmittelausstattung) pfänden, eine Beschlussfassung erzwingen, hierüber die Auffüllung des Gemeinschaftsvermögens herbeiführen, um ganz am Ende, in diese Vermögensmasse vollstrecken zu können. Hierzu muss nicht gewartet werden, bis Hausgeld tatsächlich gezahlt wurde. Der Gläubiger kann nach Beschlussfassung die dadurch entstehenden Zahlungsansprüche der Gemeinschaft gegen ihre Mitglieder pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Das hebt die Spannung, da kommt Freude auf. Hitchcock hätte es nicht besser inszenieren können.

Wie wäre es nach dem neuen WEG 2020 (WEMoG)?

Da der im Fall beschriebene Sachverhalt vor dem 01.12.2020 spielte und abgeschlossen war, war § 10 Abs. 8 S. 1 WEG aF die für den Gegenanspruch maßgebliche Anspruchsgrundlage. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift in das neue Gesetz übernommen (§ 9 a Abs. 4 S. 1 WEG nF). Nach wie vor greift sie nur dann nicht, wenn die streitige Forderung nicht aus dem Gemeinschaftsverhältnis herrührt. Bei sogenannten Sozialverbindlichkeiten ist dies indessen der Fall. Aufwendungsersatzansprüche wegen getilgter Gemeinschaftsverbindlichkeiten gehören dazu.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt

W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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