WEG-Recht

Wodurch kann sich eine Anfechtungsklage in der Hauptsache erledigen?

Fallkonstellationen

Die Beschlussanfechtungsklage ist darauf gerichtet, den vom Kläger angegriffenen Beschluss entweder gerichtlich für ungültig erklären zu lassen oder dessen Nichtigkeit festzustellen. Vom Bundesgerichtshof (BGH) ist bereits wiederholt entschieden worden, dass der Vollzug des Beschlusses, also seine tatsächliche Durchführung, kein erledigendes Ereignis darstellt. Begründet wird dies damit, dass trotz der Beschlussdurchführung bzw. gerade deswegen Auswirkungen auf Folgeprozesse der Wohnungseigentümer untereinander, gegen den Verwalter oder gegen Dritte nicht sicher ausgeschlossen werden können. Daher müsse in der Sache selbst gerichtlich entschieden werden, ob der Beschluss bestehen bleibt oder gerichtlich kassiert werde (grundlegend BGH, 13.05.2011 – V ZR 202/10 Rn 16). Nur in den seltenen Fällen, in denen der Vollzug des Beschlusses und ein Erfolg der Anfechtungsklage den Eigentümern oder der Gemeinschaft keinen Nutzen mehr bringen könne und Auswirkungen der Beschlussanfechtung auf Folgeprozesse sicher auszuschließen seien, entfalle auf Klägerseite das Rechtsschutzinteresse an der Beschlussanfechtungsklage, so dass diese unzulässig wird und vom Kläger – wenn er den Prozessverlust (Klagabweisung) verhindern möchte – in der Hauptsache für erledigt zu erklären ist (BGH, 10.05.2012 – V ZB 242/11).

Eine Erklärung der Beklagten oder des Verwalters, einen Beschluss nicht durchführen zu wollen, würde nicht zum Vollzug des Beschlusses führen, sondern zu seinem Nichtvollzug. Das Amtsgericht Hamburg-Blankenese, Urteil vom 05.02.2014 – 539 C 15/13, hatte im dortigen Fall angenommen, dass die Erklärung zu einer Hauptsacheerledigung im Anfechtungsprozess führe. Das Landgericht Hamburg in der Berufungsinstanz sah dies anders (Urteil vom 23.07.2014 – 318 S 19/14, ZMR 2015, 45).
Dem LG Hamburg ist beizupflichten. Eigentümerbeschlüsse sind gültig und vom Verwalter durchzuführen (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG), so lange sie nicht von einem Gericht rechtskräftig für ungültig erklärt wurden oder – was im Ergebnis gleichzusetzen ist – die Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses (beispielsweise wegen fehlender Beschlusskompetenz) gerichtlich festgestellt wurde. Die Erklärung des Verwalters, einen Beschluss nicht durchzuführen, kann mithin kein erledigendes Ereignis darstellen, sondern verkörpert vielmehr eine vorsätzliche Pflichtverletzung gegen seine Pflicht aus § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG. Nicht er darf darüber entscheiden, ob ein gefasster Beschluss durchgeführt wird, sondern allein die Wohnungseigentümer. Diese sind rechtlich befugt und in der Lage, durch einen Zweitbeschluss den streitgegenständlichen (Erst-)Beschluss wieder aufzuheben. In einem solchen Falle – spätestens mit Eintritt der Bestandskraft des Zweitbeschlusses – kommt eine Hauptsacheerledigung des Anfechtungsprozesses infrage. Ferner kann dies beispielsweise bei Eintritt der Bestandskraft eines mit dem angefochtenen (Erst-)Beschluss inhaltsgleichen Zweibeschlusses anzunehmen sein (vgl. BGH, 19.09.2002 – V ZB 30/02, ZMR 2002, 930).

Eine weitere denkbare Fallkonstellation besteht darin, dass die Beklagten, der Verwalter als Beklagtenvertreter oder ein Rechtsanwalt, der die Beklagten vertritt, im Anfechtungsprozess erklärt, dass ein Beschluss gar nicht gefasst worden sei. Die rechtliche Beurteilung entspricht im Ergebnis derjenigen in der vorgenannten Fallvariante. Eine Hauptsacheerledigung liegt darin nicht. Wie das Landgericht Hamburg in einem anderen Fall entschieden hat (Urteil vom 23.07.2014 – 318 S 43/14, ZMR 2015, 47). Wurde eine Anfechtungsklage erhoben, obwohl gar kein Beschluss gefasst wurde, geht die Klage von vornherein ins Leere. Sie ist unbegründet und abzuweisen. Erklärt der Kläger sie in der Hauptsache für erledigt und schließen die Beklagten sich der Erledigungserklärung an, hat das Gericht gemäß § 91a ZPO nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Diese sind mangels Beschlussfassung dem Kläger aufzuerlegen. Schließen sich die Beklagten der (einseitigen) Erledigungserklärung des Klägers nicht an, ist die Klage abzuweisen. Die Kosten des Rechtsstreits hat ebenfalls der Kläger zu tragen, weil seine Klage von Anfang an unbegründet war und zudem ein erledigendes Ereignis nicht eingetreten ist (vgl. LG Frankfurt/Main, Urteil vom 24.09.2015 – 2-13 S 214/14).

Fazit für den Verwalter

Professionelle Wohnungseigentumsverwalter sollten sich in Anfechtungsprozessen davor hüten, schriftsätzlich oder zu Protokoll des Gerichts zu erklären, den angefochtenen Beschluss nicht durchzuführen. Hierin läge eine vorsätzliche Pflichtverletzung (Verstoß gegen § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG). Der Verwalter sollte prüfen, ob er in einer außerordentlichen Eigentümerversammlung den angefochtenen Beschluss möglicherweise wieder aufheben lässt durch einen Zweitbeschluss. Soll anstelle eines solchen aufhebenden Zweitbeschlusses zu einem (mit dem (Erst-)Beschluss) inhaltsgleichen Zweibeschluss gegriffen werden, muss der Verwalter bedenken, dass darin ein erneutes Anfechtungsrisiko liegt, weil bzw. wenn absehbar ist, dass der Anfechtungskläger auch diesen inhaltsgleichen Zweibeschluss gerichtlich bekämpfen würde.

Stellt ein Gericht in einem Anfechtungsprozess die Erledigung der Hauptsache fest, ist dies in der Beschluss-Sammlung entsprechend zu vermerken.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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