01.03.2016 Ausgabe: 2/2016

Aufgeschlüsselt

Für die Heizkostenabrechnung empfiehlt sich aus fachlicher Sicht sowohl für ältere und als auch für neuere Gebäude der Verteilerschlüssel 50:50. Sonderfälle mit 30:70-Pflicht sind sehr selten.

Laut Heizkostenverordnung (HKVO) dürfen die Kosten für Heizung und Warmwasser nicht ausschließlich nach individuellem Verbrauch – das heißt nach den Verbrauchsanzeigen der Mess- und Erfassungsgeräte – unter den Bewohnern verteilt werden. Es gibt immer auch Grundkosten, die nach einem festen Maßstab aufzuteilen sind. Meist wird dafür die Wohn- oder Nutzfläche der einzelnen Wohnungen angesetzt. Der Verteilerschlüssel beschreibt das Verhältnis zwischen Grund- und Verbrauchskosten. Aber welcher Verteilerschlüssel ist der richtige?

Laut § 6 HKVO darf der Gebäudeeigentümer den Verteilerschlüssel bestimmen und er hat dabei laut §§ 7 und 8 den Spielraum, „mindestens 50 vom Hundert, höchstens 70 vom Hundert“ verbrauchsabhängig zu verteilen.

Sonderfall mit 30:70-Pflicht

Die aktuell geltende HKVO schränkt diese Wahlfreiheit in § 7 Abs. 1 nur für eine Gebäudegruppe ein: Für Gebäude, „die das Anforderungsniveau der Wärmeschutzverordnung vom 16. August 1994 (BGBl. I S. 2121) nicht erfüllen, die mit einer Öl- oder Gasheizung versorgt werden und in denen die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung überwiegend gedämmt sind“, ist ein Verteilerschlüssel von 30:70 (Grundkosten- zu Verbrauchskostenanteil) verpflichtend. Diese Regelung führte mit dazu, dass Vermieter und Eigentümergemeinschaften in den vergangenen Jahren die Verteilerschlüssel von Bestandsgebäuden zunehmend von 50:50 auf 30:70 umgestellt haben. Dabei ist die tatsächlich betroffene Gebäudegruppe sehr klein. Die erste Bedingung (Baujahr vor 1994) und auch die zweite (Öl- oder Gasheizung) betreffen nach Einschätzung von Minol zwar jeweils rund 70 Prozent des Gebäudebestandes, doch die dritte (freiliegende Leitungen überwiegend gedämmt) nur rund 5 Prozent. Laut HKVO müssen jedoch alle drei Bedingungen erfüllt sein, und das ist – grob geschätzt – bei 2,5 Prozent der Bestandsgebäude der Fall. Eine allgemeine 30:70-Pflicht lässt sich aus diesem Sonderfall also nicht ableiten.


Der Trend geht zu 30:70

Während der Verteilerschlüssel 50:50 im Jahr 2002 deutlich überwog, werden heutzutage fast genauso viele Immobilien mit dem Schlüssel 30:70 abgerechnet. Die Verbrauchskosten werden also stärker gewichtet. Dahinter steckt das gut gemeinte Ziel, die Kosten gerechter zu verteilen und sparsames Verhalten zu belohnen. Fachlich kann die Tendenz aber nicht befürwortet werden. Wer sich ausführlich mit den Grundkosten befasst, erkennt, dass sie zu Recht in die Abrechnung einfließen und ihr Anteil nicht vorschnell reduziert werden sollte.

Neue Gebäude, höherer ­Grundkosten-Anteil

Sollte der Verbrauchsanteil nicht besonders hoch sein, wenn die Außenhülle moderner Gebäude gut gedämmt und die Fenster gut isoliert sind? Im Gegenteil: Je besser die energetische Hülle, desto höher wird der relative Anteil der verbrauchsunabhängigen Kosten. Gerade weil diese Gebäude weniger Heizwärme als vergleichbare ältere Häuser benötigen, steigt der prozentuale Anteil der Fixkosten, etwa für Wartung, Schornsteinfeger, Messtechnik, Abrechnung oder die Grundpreise der Gas- oder Fernwärmeversorger. Dieser Zusammenhang wird auch in einem Gutachten des ITG (Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden, Prof. Dr.-Ing. Bert Oschatz, 2008) dargestellt, auf das sich auch der GdW in seiner Arbeitshilfe 63 zur HKVO-Novelle von 2009 bezieht. Ein weiterer Aspekt: Die Wohnlage spielt im Neubau eine geringere Rolle als im Altbau, weil weniger Wärme nach außen entweicht, dafür nimmt aber der Wärmetausch innerhalb des Gebäudes (Transmissionswärme) proportional zu. Fachlich ist der derzeitige Trend zu einer stärkeren Gewichtung des Verbrauchsanteils also nicht zu begründen.


Fachliche Empfehlung: 50:50

Minol empfiehlt generell, für ältere und für neuere Wohngebäude – außer den Sonderfällen nach HKVO – den Verteilerschlüssel 50:50. Bei einem zu hohen Verbrauchskostensatz kommt es zu großen Spreizungen innerhalb des Hauses, die für viele Bewohner nicht nachvollziehbar sind. Je höher der Verbrauchskostenanteil, desto höher ist nach Erfahrungen von Minol auch die Reklamationsquote. Den Sinn und Zweck der verbrauchsabhängigen Heizkostenabrechnung kann all das nicht schmälern: Sie ist für Hausbewohner nach wie vor die größte Motivation, Energie zu sparen. Dieser Effekt ist in gut gedämmten Wohnhäusern genauso wichtig wie im Altbau: Die bundesweit größte Studie zur Energieeffizienz in Gebäuden des Instituts für Energietechnik an der TU Dresden (Prof. Dr. Clemens Felsmann, 2013) zeigt: Je besser der energetische Zustand der Gebäudehülle, desto weniger kümmert die Bewohner ihr Umgang mit der Wärme. Deshalb plädiert der Wissenschaftler für verursachergerechtes Abrechnen der Heizkosten, auch in sehr gut wärmegedämmten Gebäuden. Die Studie belegt auch das hohe CO2-Minderungspotenzial der Heizkostenabrechnung nach Verbrauch.

Die Grundkosten im Detail

Fixkosten des Heizungsbetriebs:
u. a. Kosten für Wartung, Reinigung, Abrechnung und die Eichung von Messgeräten sowie Grundpreise für Erdgas und Fernwärme.

Verluste der Heizung:
Nur 60 bis 80 Prozent der erzeugten Wärme kommt tatsächlich nutz- und messbar an den Heizkörpern an und ist vom Verbraucher beeinflussbar.

Verluste der Warmwasserbereitung:
40 bis 60 Prozent der Energie gehen bei der Warmwasserbereitung verloren. Das liegt u. a. an Abgas- und Kesselverlusten, insbesondere im Sommer an der Überkapazität der Heizungsanlage und hat nichts mit dem messbaren individuellen Verbrauch zu tun.

Wohnlage:
Der grundsätzliche Wärmebedarf einer Wohnung hängt von ihrer Lage im Gebäude ab. Innenliegende Wohnungen haben den niedrigsten Bedarf, in Randlagen ist er um bis zu 50 Prozent höher. Ein 50:50-Verteilerschlüssel gleicht diesen Nachteil immerhin um die Hälfte aus. Die Alternative – eine Staffelung der Kaltmiete nach Wohnlage – würde auf wenig Verständnis stoßen.

Transmissionswärme:
Das Heizverhalten der Nachbarn beeinflusst den individuellen Verbrauch. 10 bis 40 Prozent macht die von wärmeren zu kälteren Wohnungen strömende Transmissionswärme nach Untersuchungen u. a. der TU Wien aus.

Foto: © pogonici / Shutterstock.com


Peters, Frank

Der Verfasser des „Handbuch zur Wärmekostenabrechnung“ ist bei Minol Messtechnik W. Lehmann GmbH & Co. KG tätig.