10.03.2022 Ausgabe: 2/22

Geimpft, genesen, getestet? - Die Eigentümerversammlung und der Datenschutz im Kontext der Infektionsschutzverordnungen

Seit zwei Jahren hält uns die COVID-19-Pandemie in Atem, und noch immer ist fraglich, ob Eigentümerversammlungen stattfinden können und wie man sie durchführt. Nun ist die Versammlung das Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft, das im Wege des Gedankenaustauschs die gemeinsame Willensbildung erst ermöglicht und auch Minderheiten Gelegenheit bietet, ihre Meinung kundzutun. Unter geltenden Kontaktbeschränkungen ist dies in einer Versammlung schwierig. Wie aber sieht es (datenschutz-)rechtlich bei Präsenzversammlungen in Coronazeiten aus?

Beinahe wöchentlich treten neue Innenräumen in Kraft oder werden außer Kraft gesetzt. Was zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels im März gilt, lässt sich bei Redaktionsschluss im Januar also nicht vorhersagen. Einige generelle Fragen lassen sich dennoch beantworten.


Dürfen ungeimpfte Personen teilnehmen?
Zuerst zu den Mitarbeitern der Hausverwaltung: In der Regel gilt, dass Arbeitnehmer nicht geimpft sein müssen, um ihrer Arbeit nachzugehen – außer im Gesundheits-wesen. Stand 20. Januar 2022 gilt für Immobilienverwaltungen keine Impfpflicht. Ungeimpfte Mitarbeiter dürfen also an Eigentümerversammlungen teilnehmen, weil diese Teil ihrer Arbeit sind. Wegen des Kundenkontakts dürfte aber meist ein tagesaktueller negativer Test erforderlich sein.

Für Eigentümer gilt Folgendes: Da § 24 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) n. F. bestimmt, dass die Versammlung der Wohnungseigentümer vom Verwalter mindestens einmal im Jahr einberufen werden muss, dürfte es sich bei Eigentümerversammlungen um Veranstaltungen handeln, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften stattfinden und der Wahrnehmung gesetzlich vorgeschriebener Mitbestimmungs- oder Mitwirkungsrechte dienen. Für solche Veranstaltungen gilt oft „3G“, also dass die Teilnehmenden geimpft, genesen oder getestet sein müssen. Näheres dazu und vor allem, was unter „3G“ oder „2G“ mit oder ohne „+“ zu verstehen ist, regeln die Infektionsschutzverordnungen der Länder.


Kann die Gemeinschaft schärfere Regeln beschließen?
Können Ungeimpfte ausgeschlossen werden? Nein. Bekanntlich dürfen Eigentümer nur in sehr seltenen Ausnahmen von der Versammlung ausgeschlossen werden, denn es hindert sie daran, ihre mitgliedschaftlichen Rechte geltend zu machen. Der Kernbereich ihres Eigentums ist hier betroffen. Ein Beschluss, dass eine Versammlung unter „2G“ stattfindet, obwohl das Gesetz „3G“ vorsieht, dürfte unwirksam sein, weil er ungeimpfte Personen ausschließt. In einer solchen Versammlung etwa gefasste Beschlüsse wären nach der insoweit einschlägigen Rechtsprechung wegen Entziehung unverzichtbarer Mitgliedschaftsrechte nicht nur anfechtbar, sondern sogar nichtig.

Dürfen Personen ohne 3G-Nachweis ausgeschlossen werden?
Unseres Erachtens ist hier eine seltene Ausnahme gegeben: Eigentümer können ausgeschlossen werden, wenn sie keinen 3G-Nachweis vorlegen können oder sich weigern, dies zu tun. Die Regelungen aus den jeweiligen Infektionsschutzverordnungen zu den Beschränkungen bei Versammlungen sind wirksam, weil es um den Gesundheitsschutz geht. Die ersten Verfahren, in denen ausgeschlossene Eigentümer Beschlüsse anfechten, sind bereits anhängig. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte entscheiden.


Was muss der Versammlungsleiter tun?
Damit die infektionsschutzrechtlichen Vorgaben bei der Durchführung der Versammlung eingehalten werden, muss der Versammlungsleiter oder eine andere beauftragte Person beim Zugang zur Versammlung kontrollieren, ob ein den Vorgaben entsprechender Nachweis vorliegt, zum Beispiel über die Corona-Warn-App, die diese Angaben enthält. Der Versammlungsleiter verarbeitet also Gesundheitsdaten der teilnehmenden Personen. Gesundheitsdaten gehören zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten, die auch sensible Daten genannt werden. In Bezug auf die Verarbeitung sensibler Daten sind Personen besonders schutzwürdig, daher ist die Verarbeitung auch grundsätzlich untersagt.
 

Gibt es eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Datenverarbeitung?
Dies ist eine rhetorische Frage, denn wenn der Versammlungsleiter diese Daten erheben muss, dann darf er das auch. Die Ausnahmen vom Verarbeitungsverbot sind in Art. 9 Abs. 2 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geregelt. Zu den Ausnahmen gehören die Gesundheitsvorsorge und die Interessen der öffentlichen Gesundheit. In der Präambel der Berliner
SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung ist als Ziel formuliert: „die weiterhin notwendige Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 und der hierdurch verursachten Krankheit COVID-19 durch Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und zur Bewältigung der Auswirkungen auf das Gesundheitswesen.“ Das bedeutet, dass die Durchsetzung dieser Regelungen unter die Ausnahmen des Art. 9 DSGVO fallen.


Welche Daten darf der Versammlungsleiter erfragen?
Der Versammlungsleiter fragt nicht, ob jemand geimpft oder genesen ist und lässt sich auch nicht den Test vorlegen, sondern er fragt nach dem 3G-Nachweis. Welche der drei Voraussetzungen ein Teilnehmer erfüllt, ist nicht entscheidend und darf daher auch nicht erfragt werden. Wenn Teilnehmende dies von sich aus zeigen, ist das datenschutzrechtlich kein Problem. Die Grundsätze der Datenverarbeitung aus Art. 5 DSGVO gelten aber auch hier, nämlich:

■ Rechtmäßigkeit

■ Transparenz

■ Zweckgebundenheit

■ Datenminimierung

■ Richtigkeit

■ Speicherbegrenzung

■ Integrität

■ Vertraulichkeit

Die Rechtmäßigkeit ergibt sich, wie erwähnt, aus den Ausnahmen nach Art. 9 DSGVO und den entsprechenden Verordnungen. Doch auch die anderen Grundsätze sind zu beachten.

Die gesetzlichen Regelungen bieten zunächst nur die Rechtsgrundlage für die Zutrittskontrolle: Der Versammlungsleiter prüft die vorgelegten Nachweise und notiert (oder merkt) sich, dass er alle Teilnehmenden am Eingang des Versammlungsraums kontrolliert hat. Dieses Vorgehen wäre das datensparsamste. Weitere Verarbeitungsschritte der individuellen Gesundheitsdaten erfolgen nicht, außer dass festgehalten wird, dass alle z. B. „3G“ waren, also geimpft, genesen oder getestet. Das folgt den Grundsätzen Speicherbegrenzung, Richtigkeit und Datenminimierung – und zudem der Integrität und Vertraulichkeit, denn das Protokoll der Versammlung erhalten nur die Mitglieder der Eigentümergemeinschaft.

Was passiert mit den Daten nach der Versammlung?
Genügt die Sichtkontrolle am Eingang? Was passiert im Falle einer Anfechtung mit der Begründung, man sei entweder ausgeschlossen worden oder gegangen, weil eben nicht kontrolliert wurde? Wäre es hier nicht sinnvoller, die Nachweise zu kopieren und zu speichern? Sicher wäre es das. Für die weitere Verarbeitung der Daten existiert aber keine Rechtsgrundlage im Sinne des Art. 6, vor allem aber keine Ausnahme im Sinne des Art. 9 Abs. 2 DSGVO mehr. Die Speicherung der individuellen Daten ist für die Gesundheitsvorsorge nicht erforderlich. Die weitere Ausnahme von der Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen ist auch nicht gegeben, denn hier genügt es, wenn der Versammlungsleiter angibt, dass er die Nachweise am Eingang kontrolliert hat. Als Zeugen fungieren hier die kontrollierten Eigentümer. Die Nachweise selbst werden nicht benötigt. Als weitere Ausnahme bzw. Rechtsgrundlage käme noch die Einwilligung der betroffenen Personen in Betracht. Sie muss unmissverständlich und in informierter Art und Weise erfolgen, sollte dokumentiert werden, und sie ist jederzeit widerrufbar.

Das richtige Vorgehen
Der Versammlungsleiter oder eine von ihm beauftragte Person kontrolliert den Zutritt zur Versammlung und die erforderlichen Nachweise. Er fertigt einen Vermerk, dass er diese Kontrolle bei allen Teilnehmenden durchgeführt hat und dass alle die Zugangsvoraussetzungen erfüllen. Dieser Vermerk kann gespeichert und für den Fall verwendet werden, dass dies hinterher strittig wird. Um auch Personen den Zugang zu Versammlungen zu gewähren, die nicht offenlegen wollen, ob sie geimpft, genesen oder getestet sind, könnte die Gemeinschaft beschließen, dass zukünftig die Online-Teilnahme an einer Eigentümerversammlung möglich sein soll. 

Gündel, Katharina

Die Fachanwältin für Miet- und ­WEG-Recht ist in der Kanzlei Groß Rechtsanwälte tätig.
www.gross.team