14.05.2021 Ausgabe: vdivDIGITAL 2021

Getestet und für gut ­befunden - Die digitale Eigentümerversammlung im 365‐Tage‐Praxistest

Wie schnell die Zeit vergeht! Vor etwa einem Jahr waren Online-Meetings für die meisten Verwaltungen und ihre Kunden noch Neuland. Mittlerweile hat die ursprüngliche Notlösung, um nicht ganz in Handlungsunfähigkeit verharren zu müssen, viele Anhänger und Anwender gefunden. Virtuelle Teammeetings gehören zum beruflichen Alltag, und wo Skype auch bei Familienkontakten vor Infektionen schützt, verliert das Unbekannte seinen Schrecken. So habe auch ich mich relativ früh entschlossen, Versammlungen kleinerer und mittlerer Liegenschaften online einzuberufen. Nach intensiver Recherche und dem Vergleich verschiedener Anbieter entschied ich mich für die Software ­„GoToMeeting“. Zahlreiche Zusatzfunktionen und Flexibilität bei der Zahl zuschaltbarer Teilnehmer passten zum Anforderungsprofil unseres Unternehmens.

So läuft’s rund
Nun lässt auch das neue Wohnungseigentumsgesetz (WEG) die Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen eigentlich erst nach entsprechender Beschlussfassung in einer Präsenzveranstaltung zu. Die Durchführung in dieser Form ist mit der Einholung unterzeichneter und weisungsgebundener Vollmachten aller Eigentümer im Vorfeld jedoch rechtlich abgesichert und die Beschlussfähigkeit damit dauerhaft gewährleistet.

Mit der Einladung erhalten die Eigentümer ihren persönlichen Teilnahme-Link. In Kombination mit einem individuellen Einwahl-Code können sie damit der virtuellen Versammlung per Rechner oder Smartphone beitreten. Denkbar einfach, lediglich Nutzer mobiler Endgeräte brauchen zusätzlich eine App. Die Teilnahme ist dann wahlweise nur per Telefon oder auch mit Video-Stream möglich.

Fast wie im „richtigen Leben“ haben auch Online-Teilnehmer die Tagesordnung jederzeit im Blick. So wird nichts dem Zufall überlassen. Programmabstürze oder Bild- und Tonschwankungen blieben nahezu völlig aus, alle Anwendungen liefen stabil, erwiesen sich als nutzerfreundlich und leicht bedienbar. Vereinzelte Störungen ließen sich eher auf eine „ruckelige“ Internetverbindung, Nebengeräusche oder Missverständnisse unter den Teilnehmern zurückführen. Sie lassen sich mit einem guten Briefing im Vorfeld und der Einhaltung der vereinbarten Spielregeln nahezu vollständig eliminieren.

Deutlich zielführender Ablauf
Als Moderator wird der Versammlungsleiter von den Teilnehmern fast mehr respektiert, und auch Regeln der Gesprächsführung finden Akzeptanz: Teilnehmer zeigen Wortmeldungen über die Chatfunktion an, die der Versammlungsleiter dann chronologisch abarbeitet – ohne störende Zwischenrufe und Unterbrechungen, die Diskussionen unnötig in die Länge ziehen.

Zu komplexeren Tagungspunkten können temporär zugeschaltete Experten oder Sachverständige gehört werden. Auch das Herbeiführen von Entscheidungen und Beschlüssen erfolgt analog zu den Abstimmungsprozessen einer Präsenzversammlung. Möchte sich der Versammlungsleiter ausschließlich auf diese Rolle konzentrieren, lässt sich im Vorfeld auch ein externer Moderator dazu buchen, um die Teilnehmer zu begrüßen, technische Probleme zu lösen und bei den mit dem Medium weniger erfahrenen Eigentümern Unsicherheiten auszuräumen.

Gut zu wissen: Digitale Versammlungen lassen sich aufzeichnen. Das spart Zeit und vereinfacht die Nachbearbeitung und Protokollierung. Allerdings sollte man alle Teilnehmer aus Gründen des Datenschutzes zuvor darüber informieren.

Seit Beginn der Pandemie entwickeln die Anbieter von Online-Konferenzen ihre Produkte kontinuierlich weiter und erweitern sie um neue, auch für Immobilienverwaltungen relevante, Funktionen. So ist beispielsweise die casavi-Cloudsoftware mit Abstimmungs-, Dokumentations- und Protokollfunktion bereits perfekt auf digitale Eigentümerversammlungen zugeschnitten.

Handlungsfähig bleiben
Viele Kollegen, die seit dem Frühjahr 2020 komplett auf Eigentümerversammlungen verzichtet haben, geraten zunehmend in die Bredouille, weil sich nach wie vor nicht abzeichnet, wann sie Versäumtes nachholen können. Die Ungewissheit bringt administrative Strukturen ins Stocken – mit wachsender Unzufriedenheit, auch aufseiten der Eigentümer.
Unser 365-Tage-Praxistest hat wie erhofft bestätigt, dass Online-Veranstaltungen die Handlungsfähigkeit von Verwaltungen bewahren, und zwar unabhängig von Inzidenz, behördlichen Vorgaben und geltenden Verordnungen. Auch Eigentümer haben diese Form der Versammlung gut angenommen, bezeichnen den Ablauf als angenehm und zukunftsfähig, zumal sie sich als effizienter, kompakter und deutlich flexibler erweisen als reine Präsenzveranstaltungen.

Wo nicht erst seit heute Aktionärs- oder Mitgliederversammlungen mit tausenden Teilnehmern als digitale Großevents durchgeführt werden, darf dies für den eher begrenzten Rahmen einer Eigentümerversammlung keine unüberwindbare Hürde darstellen. Ich plädiere für mehr Mut zum Selbstversuch und dafür, von den digitalen Errungenschaften aus Zeiten der Pandemie auch über sie hinaus zu profitieren.

Illustration: © KrerkStock / Shutterstock.com


Herrmann, Markus

Geschäftsführer der Apropos-Service GmbH, die mit fünf Mitarbeitern rund 2 400 Wohneinheiten verwaltet und Mitglied im VDIV Rheinland-Pfalz-­Saarland e.V. ist