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22.07.2022 Ausgabe: 5/2022
(BGH, Urteil vom 7.5.2021 – Az. V ZR 299/19)
DAS THEMA
Die zum 1. Dezember 2020 in Kraft getretene Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) hat sowohl in prozess- als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht einige Änderungen in die gewohnten Mechanismen eingeführt. In seiner Entscheidung vom 16. Juli 2021, Az. V ZR 284/19, die in vdivaktuell 8/21, S. 49 f. bereits besprochen wurde, hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage nach der Prozessführungsbefugnis des Wohnungs-eigentümerverbands nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) beschäftigt. In der hier besprochenen Entscheidung setzt er sich wiederum mit der Frage nach der Prozessfüh rungsbef ugn is des einzelnen Wohnungseigentümers in einem bereits vor dem Inkrafttreten der WEG-Reform anhängigen Verfahren auseinander und zeigt dabei einen Lösungsweg auf, der potenzielle Konflikte zwischen dem Wohnungseigentümer und der Eigentümergemeinschaft aus dem Weg räumt.
DER FALL
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in Baden-Württemberg. Das eine Grundstück steht im Eigentum des Klägers und einer weiteren Person, die zusammen eine Eigentümergemeinschaft bilden. Ihr Grundstück grenzt in dem Bereich des Gartens, an welchem dem weiteren Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht zusteht, unmittelbar an das Grundstück der Beklagten. 2011 pflanzten die Beklagten auf ihrem Grundstück entlang dieser Grenze vier Zypressen mit einem Grenzabstand von unter vier Metern. Der Kläger verlangt deren Beseitigung. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision möchten die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage erreichen. Die Revision vor dem BGH bleibt jedoch ohne Erfolg und führt zur Bestätigung der amtsgerichtlichen Entscheidung.
Vorliegend zu entscheiden hatte der BGH die für die Zulässigkeit der Klage wesentliche Rechtsfrage nach der Prozessführungsbefugnis des klagenden Wohnungseigentümers, und zwar gemäß § 557 Abs. 3 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Im Ergebnis bejaht der BGH die Prozessführungsbefugnis des Eigentümers nach altem Recht, wobei er auch die Unterschiede zwischen der alten und der nach Inkrafttreten der WEG-Reform bestehenden neuen Rechtslage herausarbeitet.
Der Kläger war demnach berechtigt, als einzelner Wohnungseigentümer den Beseitigungsanspruch gerichtlich geltend zu machen. Für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dem Miteigentum an dem Grundstück bestand nach bisher geltendem Recht keine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1 WEG a. F., auch dann nicht, wenn Anspruchsgegner – wie hier – ein außerhalb der Wohnungseigentümer-gemeinschaft stehender Dritter war. Die Gemeinschaft konnte Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche wegen Störung des Gemeinschaftseigentums zwar durch Mehrheitsbeschluss nach § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 2 WEG a. F. an sich ziehen (gekorene Ausübungsbefugnis) und war dann allein zuständig für die gerichtliche Geltendmachung gegenüber Dritten. Einen solchen Beschluss haben die Wohnungseigentümer aber nicht gefasst. Im Unterschied dazu sind die Prozessführungsbefugnis und die Anspruchsberechtigung der Eigentümergemeinschaft als Verband durch das WEMoG mit Wirkung zum 1. Dezember 2020 neu geregelt worden. Die sich aus § 1004 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für das gemeinschaftliche Eigentum ergebenden Unterlassungsansprüche übt nun gemäß § 9a Abs. 2 WEG der Verband aus, der deshalb nach neuem Recht schon kraft Gesetzes prozessführungsbefugt ist. Dies ist auch im Revisionsverfahren zu beachten. Der Anspruch aus dem an die Stelle von § 15 Abs. 3 WEG a. F. getretenen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist nunmehr allein dem Verband zugewiesen. Nach § 9a Abs. 2 WEG übt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. Mit der Vorschrift hat der Gesetzgeber das bisher geltende Konzept aufgegeben, das zwischen der geborenen Ausübungs- bzw. Wahrnehmungsbefugnis der Eigentümergemeinschaft und der gekorenen Ausübungs- bzw. Wahrnehmungsbefugnis, die einen Beschluss der Eigentümer voraussetzt, unterschieden hat. Eine auf einem Beschluss beruhende besondere Ausübungs- und Wahrnehmungsbefugnis sieht das Gesetz nicht mehr vor. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übt kraft Gesetzes die in § 9a Abs. 2 WEG genannten Rechte aus und nimmt die entsprechenden Pflichten wahr (BT-Drucks. 19/18791 S. 46). Im Anwendungsbereich der Vorschrift steht die Ausübungs- und Wahrnehmungsbefugnis und damit auch das Recht zur gerichtlichen Geltendmachung nunmehr ausschließlich dem Verband und nicht dem einzelnen Eigentümer zu.
Nach § 9a Abs. 2 WEG wäre der ursprünglich prozessführungsbefugte Kläger nicht mehr dazu befugt. Er verlangt von den Beklagten die Beseitigung der auf dem Nachbargrundstück angepflanzten Gehölze, da diese den in § 16 Abs. 1 Nr. 4 des Baden-Württembergischen Nachbarrechts (NRG BW) vorgeschriebenen Grenzabstand zu dem im gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer stehenden Grundstück nicht einhalten. Damit macht er die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer ergebenden Rechte i. S. d. § 9a Abs. 2 Alt. 1 WEG geltend. Eine Übergangsvorschrift, die regelt, ob bei der gerichtlichen Geltendmachung solcher Rechte durch einzelne Wohnungseigentümer die Prozessführungsbefugnis auch dann nach § 9a Abs. 2 WEG zu beurteilen ist, wenn das Verfahren – wie hier – bereits vor dem 1. Dezember 2020 bei Gericht anhängig war, enthält das neue WEG nicht, insbesondere ist dies nicht von der Überleitungsregelung in § 48 Abs. 5 WEG erfasst.
Da insoweit eine Übergangsvorschrift fehlt, wird überwiegend angenommen, dass die Prozessführungsbefugnis eines Eigentümers auch dann nach der neuen Regelung zu beurteilen ist, wenn das Verfahren schon vor dem 1. Dezember 2020 anhängig war. Aufgrund der darin festgelegten alleinigen Ausübungszuständigkeit der Gemeinschaft verliere der ursprünglich prozessführungsbefugte Wohnungseigentümer diese Befugnis mit der Folge, dass die Klage als unzulässig abzuweisen ist. Zur Vermeidung einer Klageabweisung wegen Wegfalls der Prozessführungsbefugnis werden verschiedene prozessuale Möglichkeiten aufgezeigt: Der Kläger könne den Rechtsstreit für erledigt erklären. Denkbar sei auch ein Parteiwechsel, indem die Gemeinschaft der Eigentümer nach entsprechender Beschlussfassung den Prozess übernehme, oder eine Fortsetzung des anhängigen Prozesses durch den ursprünglichen Wohnungseigentümer in gewillkürter Prozessstandschaft, wenn die Gemeinschaft ihn zur Prozessführung ermächtige. Lehnten die Wohnungseigentümer eine Übernahme des Prozesses oder die Ermächtigung des bisher klagenden Wohnungseigentümers zur (weiteren) Prozessführung ab, könne dieser hiergegen mit einer Beschlussersetzungsklage vorgehen. Das bisher anhängige Verfahren sei analog § 148 ZPO auszusetzen, bis über die Beschlussersetzungsklage rechtskräftig entschieden sei.
Nach anderer Auffassung soll die einmal zulässig erhobene Klage des Wohnungseigentümers weiter zulässig bleiben. Hierzu werden unterschiedliche Lösungsansätze erörtert. Teilweise wird unter Hinweis auf den verfahrensrechtlichen Charakter der Ausübungsbefugnis gemäß § 9a Abs. 2 WEG eine analoge Anwendung der Übergangsvorschrift des § 48 Abs. 5 WEG befürwortet. Eine andere Auffassung erwägt, § 265 ZPO entsprechend anzuwenden. Die Vorschrift gelte in ihrem Anwendungsbereich auch für einen Wechsel der Prozessführungsbefugnis. Sie enthalte ein Regelungsmodell, das sich für die Bewältigung der Überleitungssituation eigne.
Der BGH entscheidet die Frage dahingehend, dass für vor dem 1. Dezember 2020 bei Gericht anhängige Verfahren die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers über diesen Zeitpunkt hinaus fortbesteht, in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 48 Abs. 5 WEG und bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht wird.
Ein – zur Unzulässigkeit der Klage führender – Wegfall der Prozessführungsbefugnis des Wohnungseigentümers während des laufenden gerichtlichen Verfahrens hätte zur Folge, dass das Verfahren, selbst wenn es – wie hier – schon seit Jahren anhängig und über mehrere Instanzen geführt worden war, für beide Parteien gänzlich nutzlos gewesen wäre und im Ergebnis nur erheblichen Aufwand und Kosten verursacht hätte. Die Zielsetzung des Gesetzgebers rechtfertigt es, die aufgrund des Fehlens einer Übergangsvorschrift entstandene Gesetzeslücke durch das beschriebene Vorgehen zu schließen. Solange dem Gericht ein entgegenstehender Wille der Eigentümergemeinschaft nicht zur Kenntnis gebracht wird, besteht für schon vor dem 1. Dezember 2020 anhängige Verfahren die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers fort. Dies rechtfertigt sich insbesondere aus der Überlegung, dass die Geltendmachung und Durchsetzung von sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechten, insbesondere die Verfolgung von Ansprüchen wegen einer Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums, typischerweise im Interesse der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer liegt. Beurteilungsgrundlage für das Vorliegen eines entgegenstehenden Willens der Gemeinschaft ist die – im Außenverhältnis maßgebliche – Äußerung ihres nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs. Auf die Wirksamkeit der Entscheidungsbildung der Wohnungseigentümer im Innenverhältnis, insbesondere die Wirksamkeit eines dazu gefassten Beschlusses, kommt es dagegen nicht an.
VERWALTERSTRATEGIE
Für Verwalter ist die Entscheidung insbesondere deshalb interessant, weil sich der BGH darin mit einer bisher nicht geklärten Rechtsfrage befasst, die in noch anhängigen Verfahren, z. B. bei Revision, auftauchen und sowohl eine Verteidigungslinie des Prozessgegners darstellen als auch zu Konflikten zwischen dem einzelnen Wohnungseigentümer und der Gemeinschaft führen kann.
DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.
PIOTR PIEKUT
Der Rechtsanwalt ist am Berliner Standort derselben Kanzlei u. a. im Miet- und Grundstücksrecht tätig. www.asd-law.com