15.04.2025 Ausgabe: 3/2025

Verbrauchsdaten, Klimapfade und wohnungspolitische Entscheidungen

Symbolbild Verbrauchsmessung
c Tomasz Zajda - stock.adobe.com

Welche Vorteile hat es, Verbrauchsdaten selbst zu erfassen und somit in Bezug auf eventuellen Sanierungsbedarf auswerten zu können?

De Frage, ob es sich lohnt, Verbrauchsdaten für Wasser und Energie selbst zu erfassen, hatten wir uns in unserer kleinen Baugenossenschaft gar nicht gestellt, als wir entschieden, eine eigene Software zur Heizkostenabrechnung zu schreiben. Wir hatten uns lediglich über die bisherigen Dienstleister geärgert: Mit hohen, oft intransparent gestalteten Preisen, schlechtem Service und jeder Menge Verbrauchsschätzungen hatten wir in der Vergangenheit wenig gute Erfahrungen gemacht.

Am Anfang war der Ärger.

er einige Jahre hatten wir unser gesamtes Unternehmen quasi auf den Kopf gestellt, um es zu restrukturieren, wie Unternehmensberater sagen würden. Als wir damit fast fertig waren, blieb nur noch die Sache mit den Heizkostenabrechnungen. Namen will ich an dieser Stelle nicht nennen, man wird sich ohnehin denken können, worum es geht: All unsere Versuche und Ermahnungen, das Preisniveau und die Qualität der Dienstleistungen besser unseren Anforderungen als Auftraggeber anzupassen, wurden lediglich belächelt und führten letztlich zu nichts. Selbst Anbieterwechsel machten höchstens wohl eines deutlich, nämlich dass es Branchen gibt, die wohl am besten komplett neu gedacht werden sollten. Und das taten wir dann auch.

Die Geschichte unserer Heizkosten-Plattform

Wir suchten uns also einen Programmierer für die Baugenossenschaft und ein Partnerunternehmen, das mehrere Programmierer im Team hatte, und dann bauten wir uns eine Software zur Heizkostenabrechnung, wie wir sie uns vorstellten: übersichtlich, bedienfreundlich, modern, schnell und korrekt. Schätzverfahren zum Beispiel, die Nutzern vom System vorgeschlagen wurden, sollten künftig rechtskonform sein und nicht über Jahre die immer gleiche Variante wiedergeben – das alles selbstverständlich webbasiert.

Kaum hatten sich die für die Betriebskostenabrechnungen zuständigen Kolleginnen so richtig in unsere Software verliebt – wurde die Heizkostenverordnung novelliert. Nun ging es nicht mehr nur um die Abrechnung der Heizkosten, sondern auch um die Erfassung der Daten aus funkbasierten Zählern und die Bereitstellung der unterjährigen Verbrauchsinformation (uVI).

Die uVI, das unterschätzte Wesen

Was haben wir alle geschimpft über die uVI! Und als sie dann endlich in unsere Heizkosten­Plattform einprogrammiert war, wollte sie keiner haben. Schon gar nicht unsere Mieter. Teuer und vollkommen unsinnig sei sie, so hieß es. Wobei teuer ja gar nicht stimmte, denn wir konnten unseren Mietern, die eine E­Mail­Adresse angaben oder ein Smartphone haben, die Verbrauchsdaten für Wärme und Wasser digital zur Verfügung stellen. Der Postversand wäre teuer gewesen. Aber Gesetz ist Gesetz, und neue Gesetze sind in letzter Zeit für uns alle fast immer irgendwie teuer, nicht wahr?

Die große Bedrohung: der Klimapfad

Apropos Gesetze und Kosten: Mit dem Heizungsgesetz wurde es plötzlich für Wohnungsunternehmen und Hausbesitzer essenziell, für jedes Anwesen einen Klimapfad zu entwickeln. Zur Hilfe kam die EU in altbekannter Manier: Zunächst wurden Energieeffizienzklassen für Gebäude entwickelt, die in Deutschland selbstredend anders eingeteilt waren als im übrigen Europa. Dann wurde es den Stadtwerken auferlegt, Planungen für Wärmenetze zu erstellen, um Klarheit zu schaffen für die Entwicklung der Klimapfade: Welche standortspezifischen Möglichkeiten gibt es eigentlich für meine Immobilie? Bei vielen Stadtwerken weiß man wahrscheinlich bis heute noch nicht so genau, was da eigentlich von ihnen gefordert ist.

Derweil regulierte die EU in atemberaubendem Tempo weiter: Nun ging es um die „Worst Performing Buildings,“ die energetisch ganz schlechten Gebäude, überwiegend in den 1950er­ und 1960er­Jahren gebaut und seither ein wenig vergessen, zumindest was ihren energetischen Zustand betrifft. Sie sollten jetzt als Erste saniert werden. Das aber war leider nur der Anfang.

Hilfe, die Babyboomer kommen!

Als dann schon kaum noch jemand mehr wusste, was nun wie, wann und mit welchen Mitteln anzugehen sei, wurde in Deutschland der demografische Wandel entdeckt – auch in der Wohnungswirtschaft. Demografischer Wandel ist, wenn sehr viele Menschen irgendwann nicht mehr zu Fuß bis in den dritten Stock kommen – oder auch in den ersten und zweiten. So kam für viele Häuser zum Klimapfad auch noch die Barrierefreiheit als Problem hinzu. Damit aber nicht genug: Allmählich wurde es auch eng bei Vater Staat, der bislang der Meinung war, die Probleme dieser Welt ließen sich nicht nur mit vielen Regularien und Vorgaben, sondern mit ebenso reichlichen Fördermitteln lösen – bis die Fördertöpfe leer waren und der Haushalt Löcher aufwies. Hier sind nun alle dazu aufgerufen, einmal kräftig durchzuatmen und intensiv nachzudenken: Was kann uns jetzt noch helfen?

Theorie und Praxis

All diese Probleme wirken nun auf einmal auf die Wohnungswirtschaft ein, und gewissenhafte Immobilieneigentümer wie auch Immobilienverwaltungen werden sich zu überlegen haben, welche Schachzüge aus der Bredouille helfen. Genau an diesem Punkt kommt wieder unsere Heizkosten­Plattform ins Spiel: Als wir nämlich mühevoll und langwierig unsere Gebäudedaten endlich in ein eigens dafür angeschafftes System eingepflegt hatten, fiel uns auf, dass uns auch die besten theoretischen Daten ohne die tatsächlichen praktischen Verbrauchsdaten unserer Mieter nicht viel bringen. Wie sollten wir erkennen, in welche Klimaklassen unsere Häuser einzustufen sind, wenn sich die Bewohner in der Praxis unterschiedlich, nämlich individuell verhielten?

Um ein Beispiel zu nennen: Wir entdeckten, dass ältere Mieterinnen und Mieter sich bei abkühlendem Wetter offensichtlich dicke Socken und Pullover anzogen oder eben keine 23 Grad Raumtemperatur brauchten, wie wir im Büro. Jedenfalls ergab die Auswertung ihrer Verbrauchsdaten, dass ein Gebäude, das theoretisch der Energieeffizienzklasse G entsprach, praktisch aber in Klasse D einzuordnen war. Unsere neueren Gebäude, vorschriftsmäßig und entsprechend unserer Klimapolitik in KFW 55­Manier gebaut, hingegen ... ach, lassen wir das weg!

Daten, das Gold der Zukunft

Damit war uns plötzlich allen klar geworden, wie wichtig die Daten aus unserer Heizkosten­Plattform und ihrer ungeliebten Tochter, der uVI, waren. Auf Knopfdruck und praktisch täglich hatten wir untrügliche Zahlen für jedes Gebäude zur Hand. Wir stellten fest, dass wir Häuser im Bestand hatten (z. B. nach KfW 55­Standard), bei denen wir gar keinen Einfluss mehr nehmen konnten, dass aber andere Gebäude vielleicht noch ein paar Jahre durchaus ohne massiven energetischen Eingriff auskommen werden – einfach weil die Bewohner das über ihr Verhalten selbst regeln.

Unsere sämtlichen Entscheidungen zu baulichen Maßnahmen fußen nun auf diesen Daten, und so wurde uns klar, dass die Erfassung unserer Daten zur Selbstabrechnung der Verbrauchskosten noch viel mehr ist als ein gutes Geschäftsmodell. Darüber kann ich Interessierten gerne mehr verraten.

VDIV Aktuell Autor - Udo Petzold
Petzoldt, Udo

Vorstand Baugenossenschaft 
Kulmbach und Umgebung eG
www.bg-kulmbach.de