21.07.2020 Ausgabe: 4/20

Was gilt? Bei der Gestaltung von Mietverträgen für Wohn- und Gewerberaum sind wesentliche Unterschiede zu beachten.

Selbst in formularmäßig vereinbarten Geschäftsraummietverträgen besteht erheblich mehr Gestaltungsspielraum als bei Wohnraummietverträgen. Die Abgrenzung ist daher wichtig, wenn auch im Einzelfall nicht immer einfach.

Wird eine Wohnung teilgewerblich genutzt, gelten insgesamt entweder die Regelungen der Vermietung von Wohnraum oder die der Geschäftsraummiete – je nach dem, welcher Nutzungszweck dem Willen der Parteien zufolge überwiegt. Maßgebendes objektives Kriterium ist die Flächenverteilung. Betreibt der Mieter in seiner Wohnung ein kleines Büro und nutzt nur etwa 40 Prozent der Fläche zum Wohnen, kann ein einheitlicher Geschäftsraummietvertrag vereinbart werden. Die Parteien können aber auch einen einheitlichen (Geschäftsraummiet-) Vertrag für räumlich getrennte Einheiten vereinbaren, also z. B. wenn ein Gastwirt nicht nur die Gaststättenräume, sondern auch die darüber liegende Wohnung mietet. Bei einem einheitlichen Geschäftsraummietvertrag besteht dann für diese Wohnung kein Kündigungsschutz. Bei der einheitlichen Vermietung von Wohnraum und Garage gilt Wohnraummietrecht. Für Vermieter ist es aber in den meisten Fällen ratsam, für die Garage getrennt und unabhängig von der Wohnung einen separaten Geschäftsraummietvertrag zu schließen.

Werden Räume nicht zu eigenen Wohnzwecken des Mieters, sondern zur Weitervermietung an Dritte vermietet, so werden Geschäftsraummietverträge abgeschlossen. Dies ist z. B. der Fall, wenn ein Unternehmen mehrere Wohnungen anmietet, um sie Mitarbeitern zum Wohnen auf Zeit zu überlassen. Vermieter sollten sich allerdings davor hüten, derartige Verträge mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder mit privaten Trägern der Wohlfahrtspflege abzuschließen: Nach der misslungenen, erst kürzlich eingeführten Vorschrift des § 578 Abs. 3 BGB gelten in diesen Fällen selbst bei vereinbarten Geschäftsraummietverträgen die Regeln der Wohnraummiete, diese Verträge sind praktisch nicht kündbar.

Die Bedeutung der Schriftform
Während die Schriftformverletzung bei einem Wohnraummietvertrag wegen des weitreichenden Kündigungsschutzes nur sehr selten Konsequenzen hat, führt ein Verstoß gegen die – noch geltende – gesetzliche Schriftform aus § 550 BGB bei Geschäftsraummietverträgen zu deren vorzeitiger Kündbarkeit. Deswegen muss bei der Vertragsgestaltung besonders auf die Formalien und auf die Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit aller wesentlichen Vertragsbestimmungen, insbesondere auf die exakte Beschreibung des Vertragsgegenstandes geachtet werden. Dies gilt nicht nur für den Ursprungsvertrag, sondern auch für alle Nachträge. Ist ein Nachtrag nicht schriftformgerecht vereinbart worden, so wirkt dies auf das gesamte Vertragsverhältnis, das dann vorzeitig gekündigt werden kann, obwohl der Ursprungsvertrag schriftformgerecht ist. Dies bedeutet, dass bei Geschäftsraummietverträgen alle wesentlichen Änderungen formgerecht durch beiderseits unterschriebene Nachträge vereinbart werden müssen.

Welcher Flächenmaßstab gilt?
Während in Wohnraummietverträgen grundsätzlich nur die exklusiv genutzte Fläche innerhalb der Wohnung zugrunde gelegt werden darf und sich der Gestaltungsspielraum darauf reduziert, ob etwaige Balkon- oder Terrassenflächen zu 25 oder zu 50 Prozent angesetzt werden dürfen, können bei der Geschäftsraummiete sehr unterschiedliche Flächenmaßstäbe vereinbart werden. Sowohl nach den gif-Richtlinien als auch nach der Nettoraumfläche der DIN 277 können auch gemeinschaftlich genutzte Verkehrsflächen anteilig in die Flächenberechnung einfließen, nach der Bruttogrundfläche der DIN 277 sogar die Konstruktionsgrundflächen. Die genannten Flächenmaßstäbe können frei vereinbart, müssen aber transparent dargelegt werden.

Die Miethöhe
In Gebieten mit geltender Verordnung zur Mietpreisbremse kann die anfängliche Wohnraummiete nicht mehr frei vereinbart werden – zusätzliche Einschränkungen gelten im Land Berlin, solange das MietenWoG Bln, der Mietendeckel, nicht für verfassungswidrig erklärt worden ist. Dagegen kann die anfängliche Gewerberaummiete frei ausgehandelt werden. Es bleibt zu hoffen, dass dies auch in Zukunft so sein wird und dass sich vereinzelte politische Bestrebungen, auch für Geschäftsräume einen Mietendeckel einzuführen, nicht durchsetzen werden. Auch für die Geschäftsraummiete gelten allerdings die allgemeinen Wuchervorschriften. Wucher wird jedoch nur bei einer Überschreitung der Marktmiete um etwa 100 Prozent angenommen. Derartige Fälle sind äußerst selten.

Die Mieterhöhung
Als Ausgleich für den im Wohnraummietrecht für Mieter geltenden umfassenden Kündigungsschutz ist es Vermietern gestattet, die Miete nach den §§ 558 ff. BGB zu erhöhen. Dieses System (der ortsüblichen Vergleichsmiete) hat sich über Jahrzehnte bewährt. Im Unterschied dazu sieht das Gesetz für die Geschäftsraummiete keine Möglichkeiten zur Mieterhöhung vor; diese dürfen und sollten daher vertraglich vereinbart werden, weil sie sich sonst bei längeren Laufzeiten nicht durchsetzen lassen.

Während die anfängliche Höhe der Geschäftsraummiete frei vereinbart werden kann, sind spätere Erhöhungen bei langfristigen Verträgen durch das Preisklauselgesetz reglementiert. Dieses Gesetz, dessen Verfassungsmäßigkeit wegen eventuell fehlender Gesetzgebungskompetenz der Bundesrepublik umstritten ist, lässt die üblichen automatischen Wertsicherungsklauseln nur zu, wenn aus der Sicht des Mieters eine Mindestlaufzeit von zehn Jahren gewährleistet ist. Ausreichend ist also auch eine Laufzeit von fünf Jahren bei einer Option auf weitere fünf Jahre. Wie im Wohnraummietrecht, wo ebenfalls alternativ eine Indexklausel vereinbart werden kann, darf als Wertmesser nur ein zulässiger Lebenshaltungskostenindex vereinbart werden, in der Regel der Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI). Außerdem muss die Klausel neutral sein, im Falle deflationärer Tendenzen also auch zu einer Mietsenkung führen können. Im Unterschied zum Wohnraummietrecht, wo als Vo-raussetzung für die Wirksamkeit einer Mieterhöhung die formelle Erhöhungserklärung gilt, können in der Geschäftsraummiete Wertsicherungsklauseln vereinbart werden, die zu einer automatischen Mietänderung bei entsprechender Indexentwicklung führen. Bei einer Laufzeit von weniger als zehn Jahren können entweder Staffelmieten vereinbart werden oder die Wertsicherung in Form sogenannter Leistungsvorbehaltsklauseln. Für diese gilt das Preisklauselgesetz nicht. Sie führen nicht zu einer automatischen Erhöhung und müssen Verhandlungsspielraum lassen. Im Einigungsfall müssen schriftformgerechte Nachträge vereinbart werden. Bei kurzen Vertragslaufzeiten bedarf es keiner Wertsicherung. Der Geschäftsraumvermieter kann Mieterhöhungen im Wege der Änderungskündigung durchsetzen, was im Wohnraummietrecht verboten ist.

Instandsetzung und Instandhaltung
Die Rechtsprechung zu Schönheitsreparaturen in Wohnungen und Geschäftsräumen gleicht sich immer mehr an. Deutliche Unterschiede gibt es aber bei der Instandsetzung und Instandhaltung – mit erheblichem Gestaltungsspielraum bei der Vermietung von Geschäftsräumen. Selbst in Formularverträgen darf die Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht von Einrichtungen mit exklusivem Nutzungsrecht dem Geschäftsraummieter in vollem Umfang auferlegt werden. Es muss nur gewährleistet sein, dass sich diese Einrichtungen zu Beginn des Mietverhältnisses in einem neuwertigen oder so gut gewarteten Zustand befinden, dass sie während der Laufzeit des Vertrages nicht erneuert werden müssen. Reparaturen an Dach und Fach bleiben bei Formularverträgen im Verantwortungsbereich des Vermieters, könnten aber im Wege der Individualvereinbarung dem Mieter auferlegt werden. Was viele Vermieter nicht wissen: Der Geschäftsraummieter kann auch formularmäßig zu den Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung gemeinschaftlicher Einrichtungen (außer Dach und Fach) herangezogen werden, wenn die Kostentragungspflicht auf zehn Prozent der Jahresnettokaltmiete begrenzt wird. Der Gestaltungsspielraum in Geschäftsraummietverträgen ist erheblich und bleibt oft ungenutzt.

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Schultz, Dr. Michael

Der Rechtsanwalt und Notar ist Partner der Kanzlei Müller Radack Schultz, Berlin
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