Arbeitsrecht

Angemessene Vergütung oder schon sittenwidrig?

Wussten Sie, dass bei jeder Entgeltvereinbarung darauf zu achten ist, dass diese nicht sittenwidrig sein darf? Sicherlich. Doch auch bei Auszubildenden muss das Entgelt angemessen sein. Maßstab ist die übliche Vergütung und damit zunächst ein einschlägiger Tarifvertrag. Von diesem darf abgewichen werden - jedoch nicht unbegrenzt. Mehr als 20 Prozent nach unten ist risikobehaftet. Das hat aktuell das Landesarbeitsgericht Sachsen entschieden. Unser Arbeitsrechtsexperte Ivailo Ziegenhagen stellt Ihnen den Fall ausführlich vor und beleuchtet die Konsequenzen für Ihre tägliche Arbeit.

Der Fall

A war Azubi und hat mit dem Arbeitsgeber als monatliche Ausbildungsvergütung vereinbart: jeweils im 1., 2., 3. Und 4. Ausbildungsjahr: 230,00 €; 280.00 €; 320,00 €; 390,00 € brutto.
 
Der Arbeitgeber ist Mitglied der Innung des Kraftfahrzeughandwerks der Region ..., gehört der dort gebildeten Schiedskommission an und ist Lehrlingswart. Er ist nicht tarifgebunden. Die tarifliche Ausbildungsvergütung nach dem Tarifvertrag der TG MDK beträgt für das 1. Ausbildungsjahr 400,00 €, für das 2. Ausbildungsjahr 455,00 €, für das 3. Ausbildungsjahr 510,00 € und für das 4. Ausbildungsjahr 560,00.
 
A ist er Ansicht, dass die vereinbarte Ausbildungsvergütung nicht angemessen ist und verlangte daher die Differenzen zur tarifvertraglichen Ausbildungsvergütung. Der Arbeitgeber meint, dass er zwar unter Tarif zahle, jedoch genau 20 % unter dem von der zuständigen Innung empfohlene Ausbildungsvergütung.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht gab dem Auszubildenden Recht. Auszubildende haben einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung. (§ 17 Abs. 1 BBiG). Angemessen ist sie, wenn sie hilft, die Lebenshaltungskosten zu bestreiten, und zugleich eine Mindestentlohnung für die Leistungen des Auszubildenden darstellt.
 
Es ist zunächst Sache der Vertragsparteien, die Höhe der Vergütung festzulegen. Dabei haben sie einen Spielraum. Aber: Die Angemessenheit der Vergütung wird unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls festgestellt. Hierbei ist auf die Verkehrsanschauung abzustellen.
 
Wichtigster Anhaltspunkt dafür sind die einschlägigen Tarifverträge, da sie von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt sind und anzunehmen ist, dass in ihnen die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt sind.
 
Da hier die tarifliche Regelung nicht fehlt, kann auch nicht auf branchenübliche Sätze abgestellt werden. Somit ist den Empfehlungen der Kammern und Innungen kein größeres Gewicht beizumessen, weil sie nicht von Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite ausgehandelt worden sind. Sie bieten nicht die gleiche Gewähr wie Tarifverträge für die angemessene Berücksichtigung der Interessen beider Seiten bieten.

Der Tipp

Bei jeder Entgeltvereinbarung ist zu beachten, dass diese (abgesehen vom Mindestlohn) nicht sittenwidrig sein darf. Bei Auszubildenden kommt hinzu, dass das Entgelt angemessen sein muss. Maßstab ist die übliche Vergütung und damit zunächst ein (zumindest örtlich und fachlich) einschlägiger Tarifvertrag. Von diesem darf abgewichen werden. Jedoch eben nicht unbegrenzt. Mehr als 20 % Abweichung nach unten ist risikobehaftet.

LAG Sachsen, Urteil vom 16.11.2013 - 7 Sa 254/10