WEG-Recht

Auch bei Beschlussersetzungsklage keine Ausforschung durch das Gericht!

Mit Urteil vom 04.09.2015 zum gerichtlichen Aktenzeichen 318 S 75/14 hat das Landgericht Hamburg entschieden, wie zu verfahren ist, wenn die Eigentümer durch Mehrheitsbeschluss eine erforderliche Gebäudeabdichtung gegen aufsteigende Feuchtigkeit blockieren. Das Gericht betont das Selbstorganisationsrecht der Eigentümer und warnt davor, mit einem Antrag auf gerichtliche Beschlussersetzung verfrüht über das Ziel hinaus zu schießen, indem sogleich eine konkrete Sanierungsmaßnahme eingeklagt wird anstatt zunächst Bestandsaufnahme und Sanierungskonzept zu beschließen.

Der Fall

In der Eigentümerversammlung vom 15.08.2013 beantragte der Kläger die Beauftragung einer Instandsetzungsmaßnahme zur Abdichtung der gemeinschaftlichen Außenwand im Bereich seines Kellerraumes durch Aufgraben und Aufbringen einer bituminösen Außenabdichtung. Die Versammlung lehnte dies mehrheitlich ab, da ein bereits tätiger Privatgutachter weitere Untersuchungen sowie die Erstellung eines Sanierungskonzepts für erforderlich hielt, um die verschiedenen Möglichkeiten einer Abdichtung zu überprüfen. Der Kläger erhob gegen den Negativbeschluss Anfechtungsklage und kombinierte diese mit einer Klage auf Zustimmung, hilfsweise gerichtliche Beschlussersetzung gem. § 21 Abs. 8 WEG. Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Negativbeschluss entspreche ordnungsgemäßer Verwaltung, da der Sachverständige mehrere Sanierungsmöglichkeiten aufgezeigt habe, die einer weiteren Planung bedürften. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Die Entscheidung

Das Landgericht bestätigt das Amtsgerichtsurteil. Der Kläger habe die Ergreifung einer konkreten Instandsetzungsmaßnahme gefordert (Aufgraben und Abdichten von Außen), obwohl zunächst andere Schritte erforderlich gewesen seien. Deshalb sei das Ermessen der Eigentümer hinsichtlich der eingeklagten Instandsetzungsmaßnahme im Zeitpunkt der Eigentümerversammlung vom 15.08.2013 nicht auf Null reduziert gewesen. Die vom Kläger behauptete Tatsache, nur eine Abdichtung von Außen könne Feuchtigkeitseintritte in seinen Kellerraum verhindern, sei durch die Angaben des Sachverständigen nicht bestätigt worden; welche weitergehenden Erkenntnisse durch ein Sachverständigengutachten zu erwarten gewesen wären, sei nicht ersichtlich. Soweit der Kläger vorgetragen habe, das Gericht habe ein Gutachten zu der Frage einzuholen, auf welche Ursache die erhöhte Durchfeuchtung zurückzuführen sei und wie diese nachhaltig behoben werden könne, sei eine gerichtliche Beweiserhebung abzulehnen, da der Kläger keinen substantiierten Tatsachenvortrag geliefert habe und die gerichtliche Ermittlung daher eine unzulässige Ausforschung gewesen wäre. Der Hilfsantrag müsse erfolglos bleiben, da der Kläger verfrüht eine bestimmte Beseitigungsmaßnahme forderte und die Eigentümerversammlung durch ihre Ablehnung noch nicht eine grundsätzlich ablehnende Haltung zu Ausdruck gebracht habe, die Ursache der Durchfeuchtung überhaupt nicht klären zu wollen. Erst wenn die Beklagten eine Beschlussfassung hinsichtlich der Erstellung eines Sanierungskonzepts gänzlich ablehnen würden, dürfe das Gericht anstelle der Eigentümer den erforderlichen Beschluss gem. § 21 Abs. 8 WEG fassen.

Fazit für den Verwalter

Letztlich steht hinter der Entscheidung des Landgerichtes Hamburg die in der Rechtsprechung und Verwalterpraxis anerkannte Reihenfolge, die bei größerem Instandsetzungsbedarf einzuhalten ist: zuerst Bestandsaufnahme und Erstellung eines Sanierungskonzepts (Schadensbild, Schadensursache, mögliche Gegenmaßnahmen, voraussichtliche Kosten); dann Beschlussfassung über die durchzuführende Instandsetzung einschließlich Finanzierung und erst dann Durchführung der Instandsetzung.

Vorliegend war bisher nur eine Bestandsaufnahme erfolgt, aber noch keine Sanierungsplanung, um die vom Sachverständigen in Betracht gezogenen verschiedenen Sanierungsmöglichkeiten näher zu überprüfen. Verwalter sollten daher jedenfalls bei größeren Instandsetzungsvorhaben am gemeinschaftlichen Eigentum diese Reihenfolge beachten und die notwendigen Beschlüsse herbeiführen, damit untersucht, geplant, ggf. ausgeschrieben und saniert werden kann. Bei kleinen Maßnahmen hingegen kann unter Umständen auf einzelne (Zwischen-)Schritte (Sanierungsplanung, Ausschreibung) verzichtet werden.


Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt Rechtsanwälte
PartG mbB Hamburg
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