Mit Urteil vom 22.03.2024 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 141/23 entschied der BGH über einen Fall aus dem Amtsgerichtsbezirk Büdingen, der über das Landgericht Frankfurt am Main nach Karlsruhe gelangte, mit folgendem Leitsatz:
Sieht die GO vor, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums „der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer“ bedarf, ist eine Klage auf Zustimmung zur Veräußerung stets gegen die GdWE zu richten – dies gilt auch dann, wenn die Vereinbarung vor dem 01.12.2020 getroffen wurde.
Der Fall
Die Klägerin und die Beklagte sind Wohnungseigentümerinnen und bilden eine Zweier-GdWE. Ein Verwalter ist nicht bestellt. In der im Jahr 2001 beurkundeten Teilungserklärung/ Gemeinschaftsordnung (TE/GO) heißt es unter § 6:
„Ein Wohnungseigentümer bedarf zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer. Die Zustimmung darf nur aus wichtigem Grunde versagt werden. Der Zustimmung des Verwalters bedarf es nicht. (…).“
Mit notariellem Kaufvertrag vom 17.11.2021 veräußerte die Klägerin ihre Wohnung an eine Erwerberin und forderte die Beklagte vergeblich zur Zustimmung auf. Das AG gab der Zustimmungsklage statt, das LG Frankfurt am Main wies sie ab mangels Passivlegitimation der Beklagten. Die Klägerin hätte die GdWE verklagen müssen, nicht aber die Miteigentümerin unmittelbar. Dies ergäbe sich aus einer objektiven Auslegung der GO nach allgemeinen grundbuchrechtlichen Auslegungsgrundsätzen. Der BGH bestätigte dies.
Die Entscheidung
Der BGH gibt der Revision dahin recht, dass der Wortlaut von § 6 TE/GO in der Tat eher darauf hindeute, dass nicht die GdWE, sondern die andere Wohnungseigentümerin die Zustimmung schulde. Im Weiteren macht der BGH jedoch deutlich, dass die allgemeinen Grundsätze der Auslegung von Grundbucherklärungen maßgeblich sind, die über den beurkundeten Wortlaut hinausgehen können, sofern sich aus zeitlichem Zusammenhang, Systematik und Sinn der Eintragung etwas anderes ergibt. Lege man dies und dem vom Gesetzgeber zum 01.12.2020 (WEMoG) vollzogenen Systemwechsel zugrunde, müsse auch in einem Fall der vorliegenden Art die GdWE verklagt werden.
Fazit für den Verwalter
Verwalterlose Zweiergemeinschaften gelangen immer wieder bis zum BGH, um grundsätzliche Rechtsfragen klären zu lassen. Gesetzlicher Ausgangspunkt ist zwar, dass Sondereigentum ohne die Zustimmung der GdWE oder eines Dritten veräußert werden kann. Allerdings kann in der GO als Inhalt des Sondereigentums und somit mit Bindungswirkung gegenüber Rechtsnachfolgern vereinbart werden, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder eines Dritten bedarf. So sieht es § 12 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) bereits seit dem Inkrafttreten des WEG im Jahre 1951 unverändert vor. Viele TE/GO machen von dieser Möglichkeit Gebrauch, um Miteigentümer und GdWE vor persönlich oder finanziell unzuverlässigen Erwerbern zu bewahren.
Verwalter, Eigentümer und sonstige Rechtsanwender dürfen sich bei der Auslegung von Formulierungen in einer TE/GO nicht aufs Glatteis führen lassen! Selbst wenn – wie im Fall – ausdrücklich die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer verlangt wird, nicht hingegen die Zustimmung des Verwalters, ist nicht diese explizite Regelung maßgeblich, sondern eine objektiv-normative Auslegung nach Wortlaut und Sinn. „Ausdrücklich“ muss daher in diesem Sinne nicht zwingend „klar und eindeutig“ im Sinne der höchstrichterlichen Auslegungsgrundsätze für TE/GO sein!
Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte
Ein Wohnungseigentümer, der sein Sondereigentum veräußern will, muss im Klagefall beachten, die GdWE in Anspruch zu nehmen. Eine Klage gegen einen oder mehrere Miteigentümer wäre unbegründet. Dies bestätigt der BGH erneut und zumindest im Grundsatz. Zwar gibt der BGH in Randnummer 15 des Urteils der Revision (Klägerin) darin recht, dass theoretisch das Zustimmungserfordernis auch zugunsten eines, einzelner oder anderer Wohnungseigentümer wirksam begründet (also vereinbart) werden könne. Wie eine derartige Formulierung in der TE/GO zu lauten hätte, deutet das Urteil aber nicht an. Theoretisch denkbar wäre dies vor allem in Fällen von TE/GO, die nach dem 01.12.2020 beurkundet werden und klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass es auf die Zustimmung von Miteigentümern ankommt und nicht auf die der GdWE. Praktikabel wäre eine solche Vereinbarung in der Regel nicht, wenngleich besondere Umstände es rechtfertigen und zweckmäßig erscheinen lassen könnten, individuelle Zustimmungen vorzusehen, wie etwa in der Person eines Sondereigentümers bzw. Sondereigentums, dessen Person bzw. Lage eine besondere Schutzwürdigkeit erkennen lässt.
Solange eine erforderliche Zustimmung fehlt, sind Kaufvertrag und Übereignung schwebend unwirksam.
Fazit für die Gemeinschaft
Der Laie denkt, es spukt! Auch eine Zweiergemeinschaft ist „zu dritt“, weil es neben den beiden Wohnungseigentümern den unsichtbaren rechtsfähigen Verband (GdWE) gibt. Formaljuristisch ist auch die Ein-Personen-GdWE ab Anlegung der Wohnungsgrundbuchblätter zu zweit. Sowohl der Bauträger/aufteilende Eigentümer als auch die GdWE sind eigenständige rechtsfähige Personen.
Die Klägerin hätte im vorliegenden Fall einen Parteiwechsel aussprechen sollen. Einen gerichtlichen Hinweis hatte sie erhalten. Hätte sie die Klage gegen die GdWE umgestellt, wäre zu prüfen gewesen, ob es wichtige Gründe (im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG) gab, die Zustimmung zu versagen. Hierzu musste das Landgericht keine tatsächlichen Feststellungen treffen. Wäre die Klage gegen die verwalterlose GdWE gerichtet worden, hätte die beklagte Wohnungseigentümerin die GdWE gesetzlich vertreten. Die gesetzlich an sich vorgesehene Gesamtvertretung wäre hier ausgeschieden, weil es unmöglich ist, dass die klagende Wohnungseigentümerin sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite (für die GdWE) in Erscheinung träte.
Zu Recht betont der BGH, dass ein vereinbartes Zustimmungserfordernis dem Schutz der Wohnungseigentümer gegen den Eintritt unerwünschter Personen dient, zugleich aber auch dem Interesse der GdWE selbst. Verhaltensauffällige Störenfriede sprechen die zwischenmenschlichen Interessen der übrigen Wohnungseigentümer an. Soweit es um die finanzielle Zuverlässigkeit, Zahlungsfähigkeit von Erwerbern geht, steht hingegen das Interesse der GdWE im Blickfeld, da ihr die Hausgeldforderungen zustehen, nicht den übrigen Wohnungseigentümern, wenngleich diese es freilich wieder sind, die Finanzlöcher in der Kasse durch Liquiditäts-Sonderumlagen stopfen müssen.
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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