WEG-Recht

Bauüberwachungs- und Hinweispflichten des Verwalters bei Bauverträgen

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Verwalter zur Vorbereitung der Beschlussfassung über Instandsetzungen am Gemeinschaftseigentum eine hinreichende Tatsachengrundlage beschaffen und den Eigentümern die verschiedenen Handlungsoptionen aufzeigen muss. Ist ein Vertrag geschlossen, muss der Verwalter die vertragsgerechte Erfüllung „wie ein Bauherr“ überwachen. Dazu gehört es, vor einer Bezahlung von Rechnungen zu prüfen, ob abgerechnete Leistungen erbracht sind. Der Bundesgerichtshof äußerte sich jetzt zum Umgang mit Abschlagsrechnungen.

Mit Urteil vom 26.01.2024 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 162/22 erweiterte der BGH den Katalog von Pflichten, die den Verwalter bei der Erfüllung seiner Aufgaben im Bereich des Vertragsmanagements treffen. Der Verwalter muss in der Regel „wie ein Bauherr“ agieren. Fehlt ihm die Fachkunde, um das Vorliegen einer vertragsgerechten Leistung selbst zu beurteilen, ist er „nicht aus dem Schneider“. Vielmehr muss er die Wohnungseigentümer über fehlende eigene Fachkunde informieren und gegebenenfalls eine Beschlussfassung herbeiführen, dass ein Sachverständiger, Architekt oder sonstiger Fachmann eingeschaltet werden darf oder wie sonst mit der Rechnung umgegangen wird.

Der Fall

Der Beklagte ist Ex-Verwalter der klagenden GdWE. Im Sommer 2019 wurde die Erneuerung der Dacheindeckung beschlossen und ein Bauvertrag über 116.497,85 € brutto abgeschlossen. Nach Materiallieferungen auf die Baustelle und vor Baubeginn im November 2019 stellte der Werkunternehmer eine Abschlagsrechnung für Material in Höhe von 61.872 €. Im Oktober 2019 zahlte der Beklagte aus dem Vermögen der GdWE 70.000 € und nach dem Beginn der Arbeiten weitere 34.500 €, ohne dass Abschlagsrechnungen gestellt wurden. Die Arbeiten wurden bei einem Baufortschritt von etwa 85-90 % eingestellt. Ein von der GdWE in Auftrag gegebenes Privatgutachten bezeichnet die erbrachten Arbeiten als insgesamt mangelhaft und unbrauchbar. Die GdWE verklagt in einem Parallelverfahren den Werkunternehmer auf Rückzahlung geleisteter Abschläge und nimmt in dem vorliegenden Schadenersatzprozess den beklagten Ex-Verwalter ebenfalls in dieser Höhe auf Zahlung in Anspruch.

Die Entscheidung

Der BGH hebt das Berufungsurteil auf und verweist den Fall zurück an das Landgericht Dortmund, da der Fall nicht entscheidungsreif war. Die Begründung, mit der das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, sei nicht tragfähig.

Der Beklagte habe seine Pflichten verletzt und möglicherweise einen Schaden verursacht. Erhaltungsmaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum habe der Verwalter wie ein Bauherr zu überwachen. Vor der Bewirkung von Zahlungen müsse er prüfen, ob eine geforderte Abschlagszahlung dem Grunde und der Höhe nach berechtigt ist. Insbesondere habe der Verwalter die Voraussetzungen des § 632a BGB zu prüfen. Bei einer Abschlagsrechnung für Stoffe, Bauteile oder sonstige Materialien müsse deren tatsächliche Lieferung überprüft und darüber hinaus dafür gesorgt werden, dass dem Besteller (GdWE) nach seiner Wahl Eigentum am Material oder entsprechende Sicherheit hierfür geleistet werde.

Ob und inwieweit der Beklagte durch sein pflichtwidriges Verhalten einen Schaden der GdWE angerichtet habe, könne noch nicht abschließend beurteilt werden. Das Berufungsgericht müsse feststellen, ob sich der Bauvertrag noch im Erfüllungsstadium befinde oder bereits im Abrechnungsstadium. Eine Haftung des Verwalters wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen scheide aus, solange eine vertragsgerechte Leistung im Wege der (Nach-)Erfüllung durch den Werkunternehmer noch herbeigeführt werden könne. Sei hingegen das Vertragsverhältnis zwischen GdWE und Werkunternehmer in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen, haftet der Verwalter neben dem Werkunternehmer, allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung der auf Geldzahlung gerichteten Ansprüche der GdWE.

Für die Schadenbewertung komme es darauf an, ob und inwieweit die bislang erbrachten Leistungen brauchbar sind. Insoweit würden sie einen Vorteil verkörpern, den sich die GdWE anrechnen lassen müsse. Zu denken sei etwa an den bereits erbrachten Abriss des alten Daches und die Verwertung restlicher angelieferter oder erneut verwendbarer Materialien und Baustoffe.

Fazit für den Verwalter

Den Verwalter treffen Informations- und Organisationspflichten. Dies gilt bei der Vorbereitung und Herbeiführung von Beschlüssen über Sanierungsmaßnahmen und bei der anschließenden Beauftragung und Abwicklung von Bauverträgen auf Grundlage gefasster Beschlüsse. Der BGH verlangt nicht, dass der Verwalter die Kenntnisse und Fertigkeiten eines Bausachverständigen oder Architekten besitzt. Fehlt es an eigener Fachkunde, muss der Verwalter dies den Wohnungseigentümern unverzüglich mitteilen und gegebenenfalls einen Beschluss zur Beauftragung eines geeigneten Fachmanns herbeiführen. Dies gilt jedenfalls nach der im Fall maßgeblichen alten Gesetzeslage (zur neuen siehe unten den letzten Abschnitt).

Gehen Abschlagsrechnungen für gelieferte Materialien ein, wird eine fachkundige Überprüfung in der Regel nicht erforderlich sein. Es ist dem Verwalter möglich und zumutbar durch bloße Sichtkontrolle auf dem Grundstück die Lieferung zu prüfen. Es genügt eine überschlägige, stichprobenartige Kontrolle. Die rechtliche Überprüfung von Abschlagsrechnungen kann der Verwalter ohne Baustellenbesichtigung vornehmen. Insoweit wird von ihm die Kenntnis des § 632a BGB [Abschlagszahlungen] erwartet, der sich weitgehend auch in § 16 Abs. 1 VOB/B wiederfindet. Die Abschlagsrechnung muss prüffähig sein, der Werkunternehmer muss seine Leistungen durch eine Aufstellung nachweisen, die eine rasche uns sichere Beurteilung ermöglicht. Bei gelieferten Stoffen oder Bauteilen muss der Verwalter zudem prüfen, dass der GdWE nach deren Wahl Eigentum übertragen oder entsprechende Sicherheit hierfür geleistet wird (§ 632a Abs. 1 S. 6 BGB).

Da der BGH eine Kontrollpflicht des Verwalters bejaht, bejaht er inzident die Pflicht, den Inhalt der Rechtsvorschrift zumindest in ihren tatsächlichen Auswirkungen zur Kenntnis zu nehmen. Die Vorschrift wurde zum 01.01.2018 in das BGB eingefügt.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

Vor größeren (teuren) Sanierungsarbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, eine Fachplanung zu beauftragen und z.B. einen Architekten mit der Objektüberwachung (Bauüberwachung) zu beauftragen. Viele Gemeinschaften – so auch die Klägerin im Fall – sehen aus Kostengründen davon ab und beauftragen den Unternehmer direkt. Wurde bei einer Beschlussfassung die Beauftragung des Planers abgelehnt, hat der Verwalter seine diesbezüglichen Pflichten zur Herbeiführung sachgerechter Beschlüsse pflichtgemäß, aber vergebens erfüllt.

Der Verwaltungsbeirat kann, muss aber nicht bei der Prüfung von Abschlagsrechnungen beteiligt werden. Ist ein Verwalter im Umgang mit Abschlagsrechnungen und deren Bezahlung unsicher, ist es vielfach hilfreich, den Verwaltungsbeirat hinzuzuziehen und eine Stellungnahme zu erbitten. Dies gilt umso mehr, wenn die GdWE einen Architekten ablehnt und der Verwalter nicht eigenmächtig einen Fachmann einschalten will.

Fazit für die Gemeinschaft

Die klagende GdWE führte zwei Zahlungsprozesse. Werkunternehmer und Verwalter (Ex-Verwalter) haften nebeneinander, also nicht als Gesamtschuldner – sofern das Bauvertragsverhältnis zwischen GdWE und Werkunternehmer schon in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Die Beauftragung eines Architekten oder Ingenieurs wäre rückblickend sinnvoller gewesen und hätte womöglich hohe Prozesskosten von der GdWE ferngehalten.

Wie wäre es nach dem neuen WEG 2020 (WEMoG)?

Der Fall spielte noch nach altem Recht. Nach der seit dem 01.12.2020 geltenden Gesetzeslage kann der Verwalter aufgrund seiner insoweit unbegrenzten gesetzlichen Vertretungsmacht einen Architekten und/oder Rechtsanwalt mit der Prüfung von Abschlagsrechnungen beauftragen. Er darf dies allerdings nur innerhalb der Grenzen seiner gesetzlichen Entscheidungsmacht, die in § 27 Abs. 1 WEG geregelt ist und deutlich hinter den gesetzlichen Befugnissen im Außenverhältnis zurückbleibt. Die Einholung einer kurzen überschlägigen Stellungnahme des Fachmanns zu einer geringen Vergütung kann – gerade in größeren Wohnanlagen und teureren Auftragsvolumen – von dieser gesetzlichen Kompetenz gedeckt sein. Ergänzend empfehlen sich Beschlüsse nach § 27 Abs. 2 WEG. Sollte hingegen – was sich dem hier mitgeteilten Sachverhalt nicht entnehmen ließ – die beantragte Architektenbeauftragung in einen Negativbeschluss gemündet sein, wird sich der Verwalter daran zu halten haben.

 

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de