Arbeitsrecht

Das strittige Zeugnis

Der Fall

Der Arbeitgeber hat ein Zeugnis erteilt, das u.a. folgende Formulierung enthielt:
 „[...] Durch seine aktive Einstellung in Verbindung mit seinen guten Kenntnissen führte er seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit durch. [...] Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war einwandfrei. [...]“

Der Arbeitnehmer ist der Auffassung, dass diese Führungsbeurteilung unzutreffend sei. Er habe sich sowohl dem Vorgesetzten als auch den Kollegen gegenüber stets einwandfrei verhalten. Ein gefordertes fachärztliches Attest habe er fristgemäß vorgelegt. Er habe seinen Arbeitgeber über Arbeitsunfähigkeitszeiten und Erwerbsminderungsrenten auf dem Laufenden gehalten und sei über das Telefon, welches er sich mit seinen Eltern teile, erreichbar gewesen.

Er fordert, dass der Passus wie folgt geändert wird: „Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war stets einwandfrei.“

Der Arbeitnehmer soll vor seinem Ausscheiden während des Krankenstandes und im Bezug der befristeten Erwerbsminderungsrente keinen Kontakt mit seiner Dienststelle gewünscht und sei telefonisch nicht erreichbar gewesen. Mitteilungen seien zum Teil nicht an die Dienststelle gerichtet gewesen, sondern ans lokale Personalamt, häufig nicht durch den Kläger selbst, sondern durch seinen Rechtsanwalt.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht. Zwar ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, das Zeugnis im Einzelnen zu verfassen. Die Formulierung und Ausdrucksweise steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Maßstab ist dabei ein wohlwollender verständiger Arbeitgeber. Aber es muss allgemein verständlich sein und darf nichts Falsches enthalten.

Ansatzpunkt sei die Note „befriedigend“ als mittlere Note der Zufriedenheitsskala. Will der Arbeitgeber eine unterdurchschnittliche Bewertung erteilen, ist er darlegungs- und beweisbelastet. Der Beurteilung „einwandfrei“ fehlt ein verstärkender Zusatz. Daher liegt darin die Behauptung, das Verhalten sei nicht durchgehend einwandfrei gewesen. Diese Behauptung konnte die Arbeitgeberin nicht darlegen und beweisen.

Der Tipp

Es ist erstaunlich, wie viel Streit es um Zeugnisse gibt. Die Entscheidung zeigt, dass es sich für Arbeitgeber meistens nicht lohnt. Diese Praxis entwertet möglicherweise Zeugnisse, lässt es aber unbenommen, zum Telefonhörer zu greifen und den vorherigen Arbeitgeber anzurufen.

(LAG München, Urteil vom 27.01.2016 – Aktenzeichen: 10 Sa 815/15)

Ivalio Ziegenhagen,
Ziegenhagen Rechtsanwälte Berlin