WEG-Recht

Gerichtlich ersetzter Gestattungsbeschluss für klassische bauliche Veränderung (Fassadendurchbohrungen)

Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) letztes Jahr erste Grundsatzentscheidungen zur Gestattung gesetzlich privilegierter baulicher Veränderungen (Aufzug und andere Barrierereduzierung) veröffentlicht hat, wendet er sich in Urteilen aus dem Jahr 2025 der „klassischen“ baulichen Veränderung nach § 20 Abs. 3 WEG zu. In dem hier besprochenen Fall biss ein Erdgeschosseigentümer, der im Bereich seiner Wohnung die Außenfassade für eine Wohnraumentlüftungsanlage vierfach durchbrechen wollte, bei seinen Miteigentümern auf Granit. Er wehrte sich mit der Beschlussersetzungsklage und erreichte als Teilerfolg, dass der BGH das klagabweisende Urteil des LG aufhob und die Akte in die zweite Instanz zurückverwies.

(Dazu auch vom 19.02.2024: BGH entscheidet erstmals grundlegend - und großzügig - zur privilegierten baulichen Veränderung nach WEMoG!)

Mit Urteil vom 14.02.2025 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 86/24 kommt der BGH bauwilligen Wohnungseigentümern entgegen im Hinblick auf die Frage, welche Unterlagen und Informationen geliefert werden müssen, um die Gemeinschaft (GdWE) ausreichend mit der begehrten Maßnahme vorzubefassen. 

Der Fall

Der Kläger ist Mitglied der beklagten GdWE. Ihm gehört eine Erdgeschosswohnung, in der er vier Wohnraumentlüftungen installieren will. Zur Eigentümerversammlung im Juni 2022 beantragte er die Montage von vier außenseitig sichtbaren, farblich an die Fassade angepassten Abdeckungen und die hierzu erforderlichen Fassadenbohrungen mit einem Durchmesser von rund 225 mm unter Einhaltung des KfW-Standards. Seinem Antrag fügte er ein Lichtbild der geplanten Abdeckung bei. Weitere Unterlagen, wie z.B. Angebot, Ansichtszeichnung, statische Unbedenklichkeitsbescheinigung, fachliche Stellungnahmen etc., präsentierte er nicht, da zunächst die Reaktion der Gemeinschaft abwarten und keine Planungskosten aufwenden wollte. In der Versammlung wurden Bedenken geäußert und der Beschlussantrag auf Gestattung mehrheitlich abgelehnt. Der Kläger erhob Beschlussersetzungsklage und berief sich auf seinen Anspruch auf Gestattung der begehrten Maßnahme aus § 20 Abs. 3 WEG. Das Amtsgericht Erlangen wies die Klage als unbegründet ab, das Landgericht Nürnberg-Fürth hielt die Klage mangels ausreichender Vorbefassung sogar für unzulässig, ließ aber die Revision zu, sodass der Fall in Karlsruhe landete. 

Die Entscheidung 

An einer entscheidenden Stelle beurteilt der BGH den Fall anders als AG und LG. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, bereits zur Versammlung eine optimale Entscheidungsgrundlage zu liefern. Insbesondere habe keine Verpflichtung oder Obliegenheit bestanden, frühzeitig ein Privatgutachten oder eine fachliche Stellungnahme vorzulegen. Das sog. Vorbefassungsgebot sei eine bloße Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Beschlussersetzungsklage, sodass die Hürden in diesem frühen Stadium nicht überhöht werden dürften. Daher genüge es, dass der bauwillige Eigentümer vorgerichtlich eine Beschlussfassung fordere, wie er sie in der Folge von dem Gericht an Stelle der Eigentümergemeinschaft ersetzt verlange. Es sei zwar richtig, dass grundsätzlich verhindert werden müsse, dass die Gerichte Staatsgewalt unnütz oder gar unlauter bemüht werden oder eine Beschlussersetzungsklage zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele ausgenutzt werde. Dies bedeute aber nicht, den bauwilligen Eigentümer sogleich zur Präsentation einer umfangreichen Tatsachengrundlage zu zwingen. Mit der Vorlage des Lichtbildes habe der Kläger den ersten Anforderungen genügt. Er durfte abwarten, ob und welche weiteren Informationen die Versammlung verlange. Unnütze und hohe Ausgaben müsse der bauwillige Eigentümer im Vorfeld nicht aufs Geratewohl aufwenden. 

Fazit für den Verwalter

Der Vorbefassungsgrundsatz ist eine spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses einer Klage. Bevor ein Wohnungseigentümer gegen seine GdWE den Rechtsweg beschreitet, muss er diese – in der Regel im Rahmen einer Eigentümerversammlung – mit seinem Anliegen befassen. Eine Ausnahme gilt, wenn die Befassung der Versammlung eine unnötige Förmelei wäre, etwa dann, wenn bereits tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Eigentümer ein Nein erntet. 

Verlangt ein Wohnungseigentümer vom Verwalter bzw. der GdWE die Gestattung einer baulichen Veränderung, ist der Verwalter nach pflichtgemäßem Ermessen in aller Regel verpflichtet, das Begehren als Tagesordnungspunkt (TOP) in die Einladung und Tagesordnung aufzunehmen. Existiert ein Absenkungsbeschluss zu diesem konkreten Thema, kommt statt einer Versammlung die Initiierung eines nachträglichen mehrheitlichen Umlaufbeschlussverfahrens in Frage. Grundsätzlich ist es vom pflichtgemäßen Ermessen gedeckt, wenn der Verwalter unklare, widersprüchliche oder unvollständige Gestattungsverlangen durch Rückfragen beim Eigentümer weiter aufklärt. Mit seiner neutralen Amtsstellung für die GdWE verträgt es sich grundsätzlich, wenn er dem bauwilligen Eigentümer verdeutlicht, dass seine Chancen auf eine schnelle Gestattung im Beschlusswege erheblich steigen dürften, wenn er der GdWE zu Händen des Verwalters schon jetzt im Anfangsstadium seines Vorhabens aussagekräftiges Tatsachenmaterial übermittelt, welches der Verwalter mit den Einladungsunterlagen versendet bzw. im Verwalterportal hochlädt.

Fehlt es im Zeitpunkt der Abstimmung an einer hinreichenden Tatsachengrundlage, kann und darf die Gemeinschaft sich grundsätzlich darauf beschränken, den auf Gestattung gerichteten Beschlussantrag abzulehnen oder zurückzustellen und weitergehende Unterlagen, Nachweise oder sonstige Informationen einzufordern, um zu einem späteren Zeitpunkt erneut zum Gegenstand abstimmen zu können. In Betracht kommen kann insoweit auch ein Grundlagenbeschluss, der für das »Ob« ein positives Signal sendet, die Entscheidung über die konkrete Gestattung einer konkreten baulichen Veränderung aber einem späteren Durchführungsbeschluss überlässt.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

Sofern in der Gemeinschaftsordnung keine abweichenden Vereinbarungen getroffen sind, besteht für die Gestattung baulicher Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum ein Beschlusszwang (lies § 20 Abs. 1 WEG). Dies gilt sowohl für privilegierte (§ 20 Abs. 2 WEG) als auch für klassische (§ 20 Abs. 3 WEG) bauliche Veränderungen. Bauwillige Eigentümer werden im Regelfall nicht wissen, wie die Reaktion der Gemeinschaft auf ein Baubegehren ausfällt. Insofern ist es nachvollziehbar, keine überzogenen Anforderungen zu stellen und den Eigentümer z.B. sogleich zur Beschaffung fachlicher Stellungnahmen von Behörden oder Architekten zu zwingen. Geht es um Durchbrüche durch tragende Wände oder Geschossdecken oder – wie im Fall – um Durchbohrungen tragender Außenwände, ist regelmäßig an eine statische Unbedenklichkeitsbescheinigung zu denken. Ist die Baumaßnahme statisch und brandschutztechnisch unbedenklich, wird es in der Regel an rechtlich relevanten Beeinträchtigungen, die der Gestattung der baulichen Veränderung entgegenstehen könnten, fehlen. 

Beschließt eine Mehrheit die Gestattung, ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht zu überprüfen, inwieweit sich das optische Erscheinungsbild der Wohnanlage durch die Maßnahme verändert. Optisch wird die Grenze zu einer rechtswidrigen baulichen Veränderung erst überschritten, wenn gem. § 20 Abs. 4 WEG eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage festzustellen ist (§ 20 Abs. 4 1. Alternative WEG). Daran wird es im Regelfall fehlen, da diese rechtliche Hürde vom Gesetzgeber bewusst hoch ausgeführt wurde und die Rechtsprechung Zurückhaltung gebietet.

Fazit für die Gemeinschaft

Das Gestattungsverlangen eines Wohnungseigentümers kann eine Art Wechselspiel auslösen. Zunächst muss der bauwillige Eigentümer hinreichend skizzieren, was er vorhat. Die GdWE darf gegebenenfalls präzisere Angaben oder Nachweise verlangen und unter Umständen auch Vorgaben in den Beschlussantrag aufnehmen, die vor Baubeginn erfüllt werden müssen. Der Gestaltungsspielraum der Mehrheit ist grundsätzlich weit. Andererseits dürfen dem bauwilligen Eigentümer nicht so viele oder schwere Steine in den Weg gelegt werden, dass er mit seinem Anliegen im Ergebnis abgewehrt wird. 

Fehlt es bei der Abstimmung über den auf Gestattung gerichteten Beschlussantrag an hinreichenden Informationen, ist ein ablehnender Beschluss (Negativbeschluss) in der Regel rechtmäßig. Eine hiergegen gerichtete Anfechtungsklage wird in der Regel abzuweisen sein, weil die klagende Partei eine Ermessensreduzierung auf null darlegen und beweisen muss, d. h. einen Anspruch auf exakt diese eine konkret begehrte Maßnahme, was ihr oft nicht gelingt. Bei einer Beschlussersetzungsklage stellt das Gericht nicht auf den Zeitpunkt der Abstimmung in der Versammlung ab, sondern auf den Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (AG oder zweitinstanzlich LG). Deswegen - so der BGH in Rn. 14 - kann die beklagte GdWE in einem Beschlussersetzungsverfahren unterliegen, obwohl die Ablehnung des Beschlussantrags in der Eigentümerversammlung (noch) rechtmäßig war.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt 
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt 
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg 
www.wir-breiholdt.de