WEG-Recht

Gestattung einer Überdachungskonstruktion

In den Sommermonaten bieten Markisen, Pergolen, Pergola-Markisen, Überdachungskonstruktionen und sonstige Anlagen Schutz vor Sonneneinstrahlung. Je nach Bauweise und Konstruktion, können sie auch in der kalten Jahreszeit den Gebrauchswert der Wohnung erhöhen. Unabhängig von der öffentlich-rechtlichen Lage handelt es sich wohnungseigentumsrechtlich gesehen in der Regel um bauliche Veränderungen. Ein Fall aus Hamburg veranschaulicht die Grundzüge.

Mit Beschluss vom 4.11.2024 zum gerichtlichen Aktenzeichen 318 S 37/22 hatte das Landgericht Hamburg über die Prozesskosten eines Rückbauverfahrens zu entscheiden, welches sich in 2. Instanz in der Hauptsache erledigt hatte. Heraufbeschworen hatte den Konflikt ein Wohnungseigentümer, der ohne vorherige behördliche und gemeinschaftliche Gestattung eine Überdachungskonstruktion errichtete und sich hierbei auf eine Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung (GO) sowie einen Beschluss der Eigentümerversammlung berief, wonach Markisen ohne Beschluss und ohne Gestattung errichtet werden dürften.

Der Fall

In der GO einer in Hamburg-Altona belegenen Wohnanlage (GdWE) ist vereinbart, dass nur solche baulichen Veränderungen im Bereich des Sondereigentums und im Sondernutzungsbereich ohne Zustimmung der anderen Miteigentümer oder des Verwalters gestattet sind, die baurechtlich zulässig sind und keinen nachteiligen Eingriff in die Statik zur Folge haben (§ 6 Abs. 4 GO). Ferner ist vereinbart, dass Markisen auf eigene Kosten an der Außenfassade mit vorheriger Zustimmung des Verwalters errichtet werden dürfen (§ 6 Abs. 6 GO), was im Jahr 2015 von den Eigentümern zudem generell beschlossen worden war. Der Beklagte errichtete ohne Beschluss eine Überdachungskonstruktion. Diese besteht aus einer im Boden verankerten Konstruktion aus Querträgern und Pfosten, die bestehen bleibt, auch wenn die Stoffbahnen eingefahren sind. Die GdWE klagte auf Rückbau und Wiederherstellung des vorherigen Zustandes. Während des Prozesses führte der Beklagte einen Gestattungsbeschluss der Versammlung vom 15.8.2022 herbei, der unter dem Vorbehalt einer behördlichen Baugenehmigung gefasst wurde. Die Baugenehmigung wurde dem Beklagten am 23.2.2023 erteilt. Beschluss und Genehmigung sind bestandskräftig. Der Rechtsstreit wurde in der Hauptsache für erledigt erklärt, der Beklagte meinte, er müsse die Kosten des Prozesses nicht tragen. Die Klägerin war anderer Ansicht, das Landgericht ebenfalls.

Die Entscheidung 

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen, weil die Rückbauklage bis zur Hauptsacheerledigung zulässig und begründet war. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 GO waren im maßgeblichen Zeitpunkt der Errichtung der baulichen Anlage nicht erfüllt. Bei objektiver Auslegung nach Wortlaut und Sinn bedeute die Formulierung »… die baurechtlich zulässig sind…«, dass die behördliche Genehmigung vor Bauausführung vorliegen müsse. Eine Genehmigungsfähigkeit im Sinne einer nachträglichen Genehmigung genüge nicht. Unstreitig habe der Beklagte die Baugenehmigung erst nachträglich erwirkt. § 6 Abs. 6 GO und der Beschluss aus 2015 führten nicht weiter, da sie nicht einschlägig sein. Bei der Überdachungskonstruktion handele es sich nicht um eine Markise.

Fazit für den Verwalter

Bei der Auslegung der GO, aber auch bei der Gestaltung von Beschlussanträgen über die Gestattung von baulichen Veränderungen kommt es auf klar und eindeutige Formulierungen an. Nur wenn eine Vereinbarung oder ein Beschluss die baubehördliche Genehmigungsfähigkeit ausreichen lässt, muss der bauwillige Eigentümer die Baugenehmigung nicht bereits im Vorfeld beschaffen. Allerdings geht er auch hier das Risiko eines Rückbaus ein, wenn ihm die nachträgliche behördliche Genehmigung misslingt.

Der Verwalter ist nicht zur Rechtsberatung berufen und befugt. Rechtsinformationen sind ihm aber gestattet. Zu derartigen Informationen zählt der allgemeine Hinweis, dass Begriffe, die in der Gemeinschaftsordnung verwendet werden, objektiv auszulegen sind, also nach Wortlaut und Sinn, wie ein objektiver und unbefangener Leser ihn versteht. Gestattet die GO eine Markise, ist es objektiv naheliegend, dass die hier geschaffene Überdachungskonstruktion etwas anderes ist. Spricht die Gemeinschaftsordnung von baurechtlicher Zulässigkeit, liegt es nahe, dass die Baugenehmigung vor Baubeginn da sein muss. Inwieweit im Erfordernis bzw. der Vorlage einer behördlichen Genehmigung zugleich die Abbedingung des wohnungseigentumsrechtlichen Beschlusserfordernisses liegt, sodass der bauwillige Eigentümer die Versammlung vor Baubeginn gar nicht mit seinem Vorhaben befassen muss, ist ebenfalls eine Frage der Auslegung. Gibt es hierzu keine klare und eindeutige Regelung in der GO, bleibt es im Zweifel bei der gesetzlichen Ausgangslage, also dem förmlichen Beschlusserfordernis. Dieses ist seit dem 1.12.2020 ausdrücklich im Gesetz (§ 20 Abs. 1 WEG) verankert.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

Ein bauwilliger Eigentümer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, bei Einreichung seines Beschlussantrags sofort sämtliche in Betracht kommenden Informationen, behördlichen Genehmigungen, Unterlagen etc. vorzulegen. Grundsätzlich darf er sich in einem ersten Schritt von der GdWE einen Grundlagenbeschluss abholen, der ihm die begehrte Maßnahme grundsätzlich gestattet. Der Beschluss darf mit Auflagen, Vorbehalten oder sonstigen Nebenbestimmungen versehen werden, die der Bauwillige vor Baubeginn vorlegen muss. Im Fall hier wurde die zivilrechtliche Gestattung unter den Vorbehalt der behördlichen Genehmigung gestellt.

Stützt sich ein Eigentümer auf die GO, die – wie hier – einen nachteiligen Eingriff in die Statik verbietet, kann es sich zur Beschleunigung des Bauprojekts anbieten, dass er seinem Begehren sofort eine statische Unbedenklichkeitsbescheinigung beifügt. Unter Umständen kann man in einer derartigen Vereinbarung sogar eine Ausnahme zu dem vorgenannten Grundsatz (Grundlagenbeschluss „ohne alles [Teure]“) sehen, sodass die Ablehnung des Beschlussantrags mangels statischer Unbedenklichkeitsbescheinigung (d.h. wegen ungenügender Tatsachengrundlage) ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.

Fazit für die Gemeinschaft

Nicht nur für die Sicherheit von Bauwerk, Gebäude und Grundstück, sondern auch für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ist es aus Sicht der GdWE vorzugswürdig, bei baulichen Vorhaben, die eine Baugenehmigung erfordern oder erfordern könnten, eine vorherige Baugenehmigung zu verlangen. Deutet sich an (oder behauptet der bauwillige Eigentümer es), dass eine bauliche Veränderung öffentlich-rechtlich verfahrensfrei ist, kann die Vorlage eines sog. Negativattestes sinnvoll sein. Die Verfahrensfreiheit baulicher Maßnahmen nach öffentlichem Recht ist in den Landesbauordnungen geregelt, beispielsweise in § 60 Hamburgische Bauordnung mit Anlage 2 und dort aufgelisteter Maßnahmen. Im Übrigen bedeutet Verfahrensfreiheit nicht, dass der Eigentümer von der Einhaltung des materiellen Baurechts, vor allem bauplanungs- und bauordnungsrechtlicher Natur, befreit ist.

Wie wäre es nach dem neuen WEG 2020 (WEMoG)?

Genau genommen war Klägerin nicht die GdWE, sondern eine Miteigentümerin. Dies war prozessual zulässig, weil der Fall vor dem 1.12.2020 anhängig wurde und die GdWE während des Verfahrens davon absah, die Prozessführung an sich zu ziehen. Stattdessen war sogar beschlossen worden, dass die Klägerin auf eigenes Risiko weiter klagen sollte, womit diese einverstanden war.

 

Dr. Jan-Hendrik Schmidt 
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt 
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg 
www.wir-breiholdt.de

 

“Gestattung einer Überdachungskonstruktion” - erschien im NL 06-1.