WEG-Recht

Hausgeldklage trotz Anfechtung?

Die Sommerferien neigen sich allmählich dem Ende entgegen und wir alle nehmen wieder normale Betriebstemperatur auf. Vom Bundesgerichtshof (BGH) gab es in den letzten 14 Tagen keine Entscheidung zum Wohnungseigentumsrecht, so dass der vorliegende Beitrag genutzt werden soll, um Taktikschule für Wohnungseigentumsverwalter beim Hausgeldinkasso zu betreiben. Aufhänger ist ein Fall aus der eigenen Praxis.

Der Fall

Wohnungseigentümer W zahlt eine fällige Sonderumlage von 2.000,00 EUR nicht. Die WEG, vertreten durch den Verwalter V, erwirkt beim Amtsgericht ein Urteil, in dem W zur Zahlung verurteilt wird. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des titulierten Betrages vorläufig (also vor Eintritt der Rechtskraft) vollstreckbar. Einen Anwalt hatte V für die WEG nicht eingeschaltet, sondern die Klage selbst geführt. W hatte über seinen Rechtsanwalt mit streitigen Gegenforderungen aufgerechnet und ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. W legt gegen das Urteil Berufung zum Landgericht ein. In der Zwischenzeit werden weitere Sonderumlagen beschlossen, die W nicht bezahlt und mit einer Anfechtungsklage bekämpft. Die Anfechtungsklage ist noch nicht begründet. V ist sich unsicher, was zu tun ist.

Rechtliche und taktische Überlegungen

Zunächst zur Berufung: Vor dem Landgericht besteht Anwaltszwang. V muss im Namen der WEG einen Rechtsanwalt beauftragen. Die gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG erforderliche Ermächtigung findet sich in der Regel in der Gemeinschaftsordnung oder im Verwaltervertrag. Noch einfacher wäre eine entsprechende Ermächtigung im Sonderumlagebeschluss.

Mit seinen Einwendungen wird W auch in der Berufungsinstanz aller Voraussicht nach nicht durchdringen können. Gegenüber Hausgeldforderungen besteht ein grundsätzliches Verbot von Aufrechnung oder Zurückbehaltung. Eine Ausnahme gilt nur für unstreitige oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen. Daran fehlt es hier.

Taktisch kann es sich anbieten, aus dem Amtsgerichtsurteil die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Voraussetzung ist – da wegen der Berufung noch keine Rechtskraft eingetreten ist – eine Sicherheitsleistung. Gängig ist die Hinterlegung der Sicherheitsleistung (hier 2.200,00 EUR) bei der Hinterlegungsstelle des Gerichts. Den Betrag darf V aus dem Verwaltungsvermögen der WEG entnehmen.

Ist die Wohnung des W vermietet, könnte sich eine Mietpfändung anbieten. Ansonsten kommt auch ein Antrag auf Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums aus der Rangklasse 2 in Betracht, da die WEG bis zu einer Höhe von 5% des gerichtlich festzusetzenden Verkehrswerts privilegiert ist vor anderen Gläubigern. Hat W´s Wohnung einen anzunehmenden Verkehrswert von mindestens 40.000,00 EUR, würde die WEG mithin vorrangig befriedigt werden. Anderseits bleibt ein Restrisiko für die WEG: Sollte das amtsgerichtliche Urteil vom Landgericht aufgehoben und die Klage abgewiesen werden, wäre die WEG zum Schadensersatz verpflichtet, der dem W durch die Vollstreckung des Urteils entstanden ist.

Sodann zu den weiteren Sonderumlagen: Die neuen Sonderumlagen sind fällig, wenn im Beschluss der Fälligkeitszeitpunkt festgelegt wurde oder der Verwalter die Zahlung abgerufen hat. Die Anfechtungsklage des W kann die Fälligkeit der Sonderumlagen nicht beseitigen. Anfechtungsklagen haben keine aufschiebende Wirkung. Der Verwalter ist kraft seines Amtes gesetzlich verpflichtet, die Sonderumlagebeschlüsse trotz Anfechtungsklage durchzuführen. Sollte W mit seiner Anfechtungsklage erfolgreich sein und die (neue) Zahlungsklage noch laufen, müsste die WEG den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären, da der Zahlungsgrund rückwirkend entfallen wäre. Es spricht vieles dafür, dass die Prozesskosten der W zu zahlen hätte, da die Zahlungsklage bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses (rechtskräftige Ungültigerklärung des Sonderumlagebeschlusses) zulässig und begründet gewesen wäre. Das Landgericht Düsseldorf hat kürzlich in einem anderen Fall in diesem Sinne entschieden.

Fazit für den Verwalter

Vor den Amtsgerichten herrscht kein Anwaltszwang. Wohnungseigentumsverwalter dürfen mithin Hausgeldklagen ohne anwaltliche Einschaltung einreichen und durchführen. Wichtig ist, dass der Verwalter im Namen der WEG klagt, sich selbst also in der Klageschrift als Vertreter angibt. Eine Klage im eigenen Namen (Prozessstandschaft) wäre unzulässig.

Obsiegt die WEG, vertreten durch den Verwalter, sollte der Verwalter daran denken, die eingezahlten Gerichtskosten gegen den Beklagten festsetzen zu lassen. Den Antrag kann er im Kostenfestsetzungsverfahren ebenfalls selbst stellen (im Namen der WEG).

Theoretisch zulässig ist es ferner, dass der Verwalter wie ein Rechtsanwalt nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) seine gerichtliche Tätigkeit abrechnet. Im Kostenfestsetzungsverfahren wird er diese Kosten indessen zumeist nicht festsetzen lassen können. Gibt es aber im Verwaltervertrag eine wirksame Vergütungsvereinbarung, kann ihm der Anspruch materiell gegen die WEG zustehen. Die WEG müsste prüfen, ob sie ihrerseits den durch den Zahlungsverzug entstandenen besonderen Verwaltungsaufwand vom Hausgeldschuldner ersetzt verlangen kann.

Rechnet ein Hausgeldschuldner mit angeblichen Gegenforderungen auf, sollte der Verwalter der Forderung widersprechen und diese streitig stellen, es sei denn, es ist unzweifelhaft, klar und eindeutig, dass die Gegenforderung berechtigt ist. Im Regelfall wird aber das Aufrechnungsverbot greifen.

Von einer Hausgeldklage dringend abzuraten ist, wenn der Verwalter kein WEG-Konto führt, sondern ein Treuhandkonto, dessen Kontoinhaber also er selbst ist und nicht der rechtsfähige Verband. Nach inzwischen überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung ist kein Wohnungseigentümer verpflichtet, auf ein Treuhandkonto des Verwalters zu zahlen. Treuhandkonten sind verboten und in der Regel ein wichtiger Grund zur sofortigen Abberufung des Verwalters, jedenfalls dann, wenn er trotz Aufforderung / Abmahnung nicht bereit ist, ein gesetzmäßiges Konto zu eröffnen. Manche Landgerichte billigen dem Hausgeldschuldner ein Zurückbehaltungsrecht zu, so dass eine Verurteilung Zug um Zug gegen Eröffnung eines gesetzmäßigen Kontos zu erfolgen hätte. Nach der Ansicht anderer Landgerichte soll die Hausgeldforderung nicht fällig sein, so dass die Klage abgewiesen werden müsste. Höchstrichterlich ist diese Frage noch nicht entschieden.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
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