WEG-Recht

Kurzzeitvermietung durch ignorante Miteigentümer: Einführung von Vertragsstrafen durch Mehrheitsbeschluss ist nichtig!

Bei Kurzzeitvermietung an regelmäßig wechselnde Personen, z.B. Touristen, gibt es oft Ärger im Haus. Einer Kölner Wohnungseigentümergemeinschaft platzte der Kragen. Sie klagte auf Unterlassung und Zahlung einer Vertragsstrafe von 12.000,00 EUR. Eine solche Sanktion (2000 EUR je Verstoß) war durch unangefochten gebliebenen Beschluss der Eigentümerversammlung vom 5.6.2012 festgelegt worden. Streitig war, ob dieser Beschluss wirksam oder nichtig ist.

Mit Urteil vom 22.3.2019 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 105/18 wies der Bundesgerichtshof (BGH) die Revision der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) gegen das Urteil des Landgerichts Köln zurück. Das Landgericht hatte der Unterlassungsklage stattgegeben, die Zahlungsklage indes zurückgewiesen.

Der Fall

In der TE/GO ist vereinbart, dass die Vermietung oder sonstige Gebrauchsüberlassung die vorherige Zustimmung des Verwalters erfordert, die nur aus wichtigem Grunde verweigert werden darf. Nachdem Wohnungen immer wieder unter Missachtung dieser Vereinbarung an kurzfristig wechselnde Nutzer („Medizintouristen”, die sich in einer nahe gelegenen Klinik behandeln ließen und Angehörige mit ins Rheinland brachten) vermietet worden waren, beschloss die Eigentümerversammlung am 5.6.2012 Folgendes:

„1. Miteigentümer, die ohne die erforderliche Zustimmung der Verwalterin einen Mietvertrag über eine Wohnung abschließen (…), sind verpflichtet, der Gemeinschaft einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 500,00 € zu zahlen. Die Zahlungspflicht erhöht sich auf mindestens 2.000,00 € und höchstens 4.000,00 € für jeden angefangenen Monat der Gebrauchsüberlassung, wenn ein wichtiger Grund für die Versagung der Zustimmung vorlag (…).

2. Die Verwalterin soll bei ihrer Entscheidung über eine Zustimmung grundsätzlich davon ausgehen, dass aufgrund mehrjähriger Erfahrungen in unserer Wohnungseigentumsanlage (…) ein wichtiger Grund für die Versagung der Zustimmung vorliegt, wenn die Nutzer voraussichtlich nur kurzzeitig (bis zu drei Monate) in der Anlage anwesend sein werden (…).”

Eine Öffnungsklausel enthält die TE/GO nicht. Gestützt auf die Behauptung, der Beklagte habe seine Wohnung in sechs Fällen ohne Zustimmung kurzzeitig an arabische Gäste („Medizintouristen”) vermietet, verlangt die WEG, die per Mehrheitsbeschluss die Rechtsverfolgung an sich gezogen hat, von ihm Unterlassung sowie Zahlung von 12.000,00 EUR. Das Amtsgericht Bonn hatte der Klage vollen Umfanges stattgegeben. Das Landgericht Köln gab nur dem Unterlassungsantrag statt und wies den Zahlungsantrag ab, letzteres indes unter Zulassung der Revision zum BGH. Dieser bestätigt die landgerichtliche Beurteilung des Falles.

Die Entscheidung

Für die Zahlung gibt es keine Anspruchsgrundlage. In der TE/GO sei lediglich eine Vermietungsbeschränkung (vorherige Zustimmung) vereinbart, aber keine Vertragsstrafe im Falle von Verstößen gegen die Zustimmungseinholung. Der Beschluss vom 5.6.2012 könne nicht als Anspruchsgrundlage herhalten. Er sei mangels Beschlusskompetenz nichtig. Insbesondere scheide § 21 Abs. 7 WEG als Kompetenznorm aus, da es bei der Einführung einer Vertragsstrafe nicht um eine Regelung der Art und Weise von Zahlungen, der Fälligkeit oder Folgen des Verzugs, Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder Kosten für einen besonderen Verwaltungsaufwand gehe. Die Vertragsstrafe sei keine Regelung von Rechtsfolgen eines nach dem Gesetz oder der TE/GO bestehenden Zahlungsanspruchs, sondern die eigenständige Begründung eines Zahlungsanspruchs, der eine über die gesetzlichen Verzugsvorschriften hinaus gehende Sanktion für pflichtwidriges Verhalten konstituiere, die nur durch eine Vereinbarung gemäß § 10 Abs. 2 WEG wirksam eingeführt werden könne.

Der Umstand, dass laut Gesetzesbegründung zur WEG-Novelle vom 1.7.2007 (siehe Bundestags-Drucksache 16/887, Seite 27 rechte Spalte) die damals neu geschaffene Vorschrift des § 21 Abs. 7 WEG im Rahmen der Fallvariante „Folgen des Verzugs” Wohnungseigentümern ausdrücklich die Möglichkeit geben sollte, bei einem Verstoß gegen Vermietungsbeschränkungen Vertragsstrafen einzuführen, könne laut BGH zu keiner anderen Beurteilung führen. Dort sei „ein unglückliches Beispiel gewählt worden” (Rn 10 der Urteilsgründe). Die Einführung einer Vertragsstrafe stelle nämlich keine Regelung von Verzugsfolgen dar, weil der Verstoß gegen eine in der TE/GO vereinbarte Unterlassungspflicht nicht Verzug, sondern Unmöglichkeit zur Folge habe (Rn 8).

Die Sichtweise des BGH stehe nicht in Widerspruch zu seiner Rechtsprechung hinsichtlich der Umzugskostenpauschale. Deren Einführung über § 21 Abs. 7 WEG sei zulässig, weil es sich – anders als Vertragsstrafen – um Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums handele.

Fazit für den Verwalter

Die rechtswirksame Einführung von Vertragsstrafen als Sanktion gegen die Missachtung vereinbarter Vermietungsbeschränkungen oder sonstiger Gebrauchsregelungen ist vereinbarungsbedürftig. Es müssen demnach alle Wohnungseigentümer zustimmen. Soll die Vereinbarung auch gegen Sondernachfolger wirken, bedarf es zudem ihrer Eintragung im Grundbuch (§ 10 Abs. 3 WEG). Ein Mehrheitsbeschluss ist mangels Beschlusskompetenz nichtig, sofern die TE/GO keine einschlägige Öffnungsklausel enthält, welche die Einführung einer Vertragsstrafe abdeckt. § 21 Abs. 7 WEG hilft nicht weiter.

Streitigkeiten über Kurzzeitvermietungen nehmen bundesweit, speziell in beliebten Großstädten, zu. Wohnungseigentumsrechtlich handelt es sich auch bei Vermietungen an ständig wechselnde Nutzer (Touristen, Feriengäste, Medizintouristen, Saisonarbeiter) um Wohnnutzung. In Wohnungen ist sie daher zulässig, da sie sich innerhalb der Zweckbestimmung bewegt. Ist in der TE/GO – anders als im vorliegenden Fall – keine Gebrauchsbeschränkung (z.B. Vermietungsbeschränkung, Zustimmungserfordernis) vereinbart, ist ein Beschluss über ein Kurzzeitvermietungsverbot mangels Beschlusskompetenz nichtig (BGH 15.1.2010 – V ZR 72/09).

Eine Regelung zur Eingrenzung von Kurzzeitvermietung, die per Mehrheitsbeschluss eingeführt werden kann, ist die Umzugskostenpauschale. 50,00 EUR pro Vermietung dürften angemessen sein (vgl. BGH 1.10.2010 – V ZR 220/09). Wichtig ist es, jeden Fall des Nutzerwechsels bei Vermietung in den Beschluss einzubeziehen, da anderenfalls eine Ungleichbehandlung von Kurzzeit- und Langzeitvermietung vorliegt, die einen Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung darstellt.

Eine vereinbarte Vermietungsbeschränkung mag viele Verwalter an eine vereinbarte Verwalterzustimmung bei Veräußerung (§ 12 WEG) erinnern. Diese Annahme ist unzutreffend, insbesondere ist ein ohne Zustimmung abgeschlossener Mietvertrag nicht schwebend unwirksam. Rechtsgrundlage einer Vermietungsbeschränkung ist § 13 WEG. Es handelt sich um eine Gebrauchsregelung.

Ist sich der Verwalter unsicher, ob ein wichtiger Grund zur Versagung der Zustimmung vorliegt, ist er in jedem Falle – also auch dann, wenn die TE/GO dies nicht ausdrücklich anordnet – dazu berechtigt, die (ggf. außerordentlich einberufene) Eigentümerversammlung um eine Entscheidung zu bitten. Macht der Verwalter von einer derartigen (Rück-)Delegation Gebrauch, muss er den Eigentümern in der Versammlung aber alle notwendigen Tatsachen mitteilen, auf deren Grundlage die Eigentümer sodann ihre Abwägung bzw. Entscheidung treffen können.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
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