WEG-Recht

Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zwischen Sondereigentümern für Leitungswasserschaden bei Vermietung nicht zwingend

Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), dass in Wohnungseigentümergemeinschaften eine verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Haftung analog § 906 Abs. 2 S. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Betracht kommt, wenn das Verhältnis zwischen Sondereigentümern betroffen ist. Ein Anspruch scheidet hingegen aus, wenn gemeinschaftliches Eigentum schadensursächlich ist. Nunmehr hat die Rechtsprechung eine Fallvariante hervorgebracht, in der möglicherweise ein Mietereinbau alleinige Ursache des Leitungswasserschadens in der benachbarten Sondereigentumseinheit gewesen ist.

Mit Urteil vom 18. Dezember 2020 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 193/19 äußerte sich der BGH zur Frage, ob ein Teileigentümer verschuldensunabhängig für einen Leitungswasserschaden haftet, den nicht er, sondern sein Mieter verursacht und einem anderen Sondereigentümer Schaden an dessen Sondereigentum zugefügt hat. Der Gebäudeversicherer hatte Zahlungsklage erhoben, nachdem er den Schaden bedingungsgemäß reguliert hatte.

Der Fall

Die Wohnungseigentümergemeinschaft besteht aus zwei Teileigentumseinheiten, von denen die eine als Gastronomiebetrieb genutzt wird und die andere dem Beklagten gehört, der sie an einen Zahnarzt vermietet. Die Begründung von Wohnungseigentum (Teileigentum) erfolge im Jahr 2002 durch den Beklagten und den Vater der heutigen Eigentümerin des Gastronomie-Teileigentums. In der Nacht vom 20.12. zum 21.12.2009 brach in der Zahnarztpraxis bei Außentemperaturen von -20°C eine Kaltwasserleitung, die vom Vater und dem Beklagten noch in der Zeit, als sie Bruchteilseigentümer des ungeteilten Grundstücks waren, in einem nachträglich eingebauten Podest lose verlegt worden war und – von dem gemeinschaftlichen Leitungssystem durch eine Absperreinrichtung getrennt – zu einem Zahnarztstuhl führt. Es entstanden Wasserschäden in der gastronomisch genutzten Teileigentumseinheit, die von dem klagenden Gebäudeversicherer in Höhe von 73.137,40 Euro wegen der am Sondereigentum des Vaters der Versicherungsnehmerin entstandenen Schäden reguliert wurde. Unklar ist, ob die gerissene innenliegende Leitung zum Zahnarztstuhl vom Beklagten oder dessen Mieter verlegt wurde, ob sie – im ersteren Falle – bei Gebrauchsüberlassung an den Mieter bereits schadhaft oder mangelhaft isoliert (gedämmt) war und ob der Leitungsschaden auf ein fehlendes Beheizen der Räumlichkeiten durch den Mieter zurückzuführen ist. Hierzu hatte das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen getroffen.

Das Amtsgericht Nordhausen hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht Gera hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision zum BGH zugelassen.

Die Entscheidung

Der BGH hebt die Entscheidung des Berufungsgerichts auf und verweist die Akte zurück nach Gera. Nach den vom Berufungsgericht bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte Störer (mittelbarer Handlungsstörer oder Zustandsstörer) im Sinne des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB sei. Auf dieses tatbestandliche Merkmal komme es aber entscheidend an. Der BGH differenziert für das weitere Verfahren wie folgt:

Sollte der Schaden allein auf ein fehlendes Beheizen der Räumlichkeiten durch den Mieter zurückzuführen sein, haftete der Beklagte nicht als mittelbarer Handlungsstörer. Der Beklagte als Vermieter müsse nicht davon ausgehen, dass ein Mieter die Räume bei strengem Frost nicht beheize, so dass insoweit eine mietvertragliche Aufklärungspflicht nicht ersichtlich sei.

Bei Mieterverschulden hafte der Beklagte auch nicht als Zustandsstörer, denn eine fahrlässige oder vorsätzliche Handlung des Mieters schließt die Störereigenschaft des Vermieters aus, es sei denn, es lasse sich feststellen, dass die Beschaffenheit der zum Zahnarztstuhl führenden Leitung schon vorher nicht ordnungsgemäß war und für den Schadenseintritt zumindest mitursächlich gewesen ist. Wäre hingegen die Leitung vom Mieter angebracht worden, hätte von vornherein nur dieser gehaftet, nicht aber der Beklagte.

Sachenrechtlich äußert sich der BGH ebenfalls. Dem gemeinschaftlichen Eigentum könne die wasserführende Leitung nicht zugeordnet werden, da der gebrochene Leitungsabschnitt unstreitig hinter der für die Handhabung durch den Nutzer liegenden Absperrvorrichtung lag. Nach der Aufteilung des Gebäudes in Wohnungseigentum (Teileigentum) habe sie daher vielmehr im Eigentum des Beklagten gestanden und war somit Teil der von ihm vermieteten Sache, und zwar entweder als Sondereigentum oder als Zubehör (§ 97 BGB). Zubehör kommt in Betracht, wenn es sich bei der Leitung nicht um einen wesentlichen Bestandteil handeln sollte. Sollte es sich bei der Leitung hingegen um einen Mietereigenbau handeln, käme auch ein Scheinbestandteil infrage, so dass es sich ebenfalls nicht um Sondereigentum handeln würde.

Fazit für den Verwalter

Versicherungsnehmerin einer Gebäudeversicherung ist grundsätzlich die Gemeinschaft. Dies gilt auch in Zweiergemeinschaften. Es handelt sich um eine Versicherung auf fremde Rechnung. Versicherter in Bezug auf Schäden am Sondereigentum ist der Sondereigentümer. Im vorliegenden Fall war Versicherter der Vater der Versicherungsnehmerin als damaliger Eigentümer der von seiner Tochter genutzten Einheit (näher Rn 5 der Urteilsgründe).

Am faktisch einheitlichen Wasserleitungssystem eines nach WEG aufgeteilten Gebäudes bestehen rechtlich „merkwürdige“ Eigentumsverhältnisse. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH gehören wasserführende Versorgungsleitungen nicht etwa nur bis zu ihrem Eintritt in den räumlichen Bereich des Sondereigentums zum gemeinschaftlichen Eigentum, sondern jedenfalls bis zu der ersten für die Handhabung durch den Sondereigentümer bzw. Mieter (Nutzer) vorgesehenen Absperrmöglichkeit (BGH 26.10.2012 – V ZR 57/12 Rn 21). Da es vorliegend solche Absperrvorrichtungen tatsächlich gab und die gebrochene Leitung dahinter lag, konnte der Leitungsabschnitt nicht im gemeinschaftlichen Eigentum stehen.

Die Rechtsprechung hat die gesetzliche Regelung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB im Laufe der Zeit zu einem umfassenden verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichs- bzw. Aufopferungsanspruch ausgebaut. Der durch zahlreiche Analogien eröffnete Anwendungsbereich ist bei weitem umfassender als der direkte gesetzliche Anwendungsbereich der Vorschrift. Bei Leitungswasser- oder Brandschäden lohnt es sich als Verwalter immer zu prüfen, inwieweit eine analoge Anwendung in Betracht kommt. Gegebenenfalls sollte anwaltlicher Rechtsrat eingeholt werden, sofern sich nicht ohnehin der Gebäudeversicherer nach Regulierung der Anspruchsverfolgung (Regress) annimmt.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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