Mietrecht

Nicht jeder Verstoß gegen die Schriftform berechtigt zur Kündigung

Eine Kündigung wegen Schriftformverstoßes gemäß § 550 BGB ist unwirksam, wenn eine Mietvertragspartei eine nachträgliche schriftformwidrige Abrede, die nur ihr einen Vorteil bringt, zum Anlass für eine Kündigung nimmt.

Der Fall

Die Parteien hatten 1977 einen Gewerbemietvertrag zum Betrieb eines Lebensmittelmarkts geschlossen. Im November 2018 teilte die inzwischen neue Vermieterin der Mieterin im Rahmen einer indexbedingten Mieterhöhung mit, dass die Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen insgesamt 1.752 Euro betragen. Die Mieterin zahlte daraufhin die Erhöhungsbeträge. Der Mietvertrag regelte bis dahin eine Nebenkostenvorauszahlung von 1.700 Euro.

Nach umfangreichen Verhandlungen über eine Neufassung des Mietvertrags teilte die Vermieterin der Gewerbemieterin mit, dass sie nunmehr beabsichtige, einen Mietvertrag mit einem anderen Mieter abzuschließen und erklärte kurz darauf mit Schreiben vom 24.06.2019 die Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.12.2019 unter Hinweis auf einen Verstoß gegen das Schriftformgebot des § 550 BGB. Die Mieterin wies die Kündigung mit Schreiben vom 27.09.2019 zurück und erklärte, dass sie die feste Vertragslaufzeit bis zum 31.12.2023 erfüllen wolle und sodann gegebenenfalls von ihrem Optionsrecht Gebrauch machen werde. Die Vermieterin argumentierte, dass ihr Schreiben aus November 2018 ein wirksames Angebot auf Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen gewesen sei, das die Mieterin durch die Zahlung stillschweigend angenommen habe. Diese formlose Vereinbarung widerspreche jedoch dem Schriftformgebot des § 550 BGB, so dass der Ausspruch der Kündigung wirksam sei. Die Vermieterin klagte daraufhin auf Herausgabe des gewerblichen Mietobjekts. Die Mieterin hingegen vertrat die Ansicht, dass kein Herausgabeanspruch des Mietobjekts bestehe.

Dieser Ansicht folgte auch das zuständige Landgericht und wies die Klage der Vermieterin ab. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass eine Entscheidung nicht darüber getroffen werden müsse, ob im Schreiben der Klägerin vom 16.11.2018 ein wirksames schriftliches Angebot auf eine Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen zu sehen sei, das die Mieterin durch Zahlung angenommen hat. Denn eine hierauf gestützte Kündigung wegen Formmangels wäre rechtsmissbräuchlich, weil die Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen allein für die Klägerin vorteilhaft sei.

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht schließt sich der Ansicht der Vorinstanz an und weist die eingelegte Berufung der Vermieterin als unbegründet zurück. Der Vermieterin stehe kein wirksames vorzeitiges Kündigungsrecht des Mietvertrages zu, da das Schreiben der Vermieterin kein rechtsgeschäftliches Verlangen nach einer Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen sei. Das Berufungsgericht führt ferner aus, dass selbst wenn die Änderung der Vorauszahlung als eine formbedürftige Vereinbarung anzusehen wäre, dies nicht zu einem Schriftformverstoß führe. Es sei ausnahmsweise nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich, wenn eine Partei eine nachträglich getroffene, nicht schriftformkonforme Abrede, die nur ihr einen Vorteil bringt, zum Anlass nehme, den Mietvertrag zu kündigen. Eine solche einseitige Begünstigung der Vermieterin sei im vorliegenden Fall gegeben. Die Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlung sei nur für den Vermieter vorteilhaft. Wenn er den Mietvertrag darauf stützend dann wegen Schriftformverstoßes kündigt, sei dies nach Ansicht des Gerichts rechtsmissbräuchlich. Auch der Bundesgerichtshof hatte bereits eine Kündigung für treuwidrig erachtet, die auf eine formwidrige Änderung einer Wertsicherungsklausel für die Miethöhe gestützt war, die sich ausschließlich zugunsten der Vermieterin auswirkte (BGH NJW 2017, 3772f.).

OLG Hamburg, Urteil vom 04.11.2020 – Az. 4 U 40/20

Vorinstanz:
LG Hamburg, Urteil vom 07.05.2020 – Az. 333 O 149/19