WEG-Recht

Ordnungsmäßiger Beschluss über bauliche Maßnahme muss Kostenrahmen oder Kostenobergrenze enthalten

Die ordnungsmäßige Vorbereitung, Formulierung und Durchführung von Beschlüssen über bauliche Maßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum gehört zu den Pflichtaufgaben des Verwalters. Auch wenn die Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung einen weiten Ermessens-, Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum haben, muss auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage beschlossen werden, damit der Beschluss im Falle einer gerichtlichen Überprüfung „hält“. Dies gilt unabhängig davon, ob die Baumaßnahme als bauliche Veränderung oder Erhaltung zu qualifizieren ist und ob es sich um einen Grundlagen- oder Durchführungsbeschluss handelt. Einer GdWE in Ebenhausen im Amtsgerichtsbezirk München fiel das auf die Füße.

Mit Urteil vom 13.03.2025 zum gerichtlichen Aktenzeichen 1294 C 22650/24 WEG entschied das Amtsgericht München, dass die Nennung eines Kostenrahmens oder einer Kostenobergrenze bei Beschlüssen über Erhaltungsmaßnahmen oder bauliche Veränderungen auch bei einem Grundlagenbeschluss zu den notwendigen Mindestangaben gehört. 

Der Fall

In der Eigentümerversammlung vom 29.07.2024 wurde zu dem in der Tagesordnung als „TOP 6 Wiederherstellung Hof gem. Ursprung“ angekündigten Beschlussgegenstand die Umgestaltung der Bepflanzung im Hof der Wohnanlage mit 58,00% MEA Ja-Stimmen gegen 42,00% MEA der abgegebenen Nein-Stimmen beschlossen. Der Beschluss nimmt Bezug auf eine als Anlage beigefügte Pflanzskizze, die aus 7 Seiten besteht, 23 Pflanzen und einen Zaun samt konkreter Standorte und Farbfotos angibt, die zu entfernen sind, und auf den Seiten 6 und 7 die konkreten Stellen und Pflanzen für eine Neubepflanzung des Hofes. Im Beschluss wird der Verwalter beauftragt, drei Angebote von Fachfirmen einzuholen, um die in der Anlage dargestellte Umgestaltung des Hofes durchzuführen. Die Kosten der Umgestaltung haben laut Beschluss die Wohnungseigentümer, die sie beschlossen haben, nach dem Verhältnis ihrer MEA zu tragen. Die Entscheidung über die Auftragsvergabe erfolge in der nächsten Eigentümerversammlung. 

Die Klägerin ist Wohnungseigentümerin. In ihrer Anfechtungsklage beanstandet sie, dass der Beschluss weder einen Kostenrahmen noch eine Kostenobergrenze festlege. Ihr MEA beträgt 21,00%, offensichtlich gehört sie zu den beiden Nein-Stimmenden. 

Die Entscheidung 

Das Amtsgericht München erklärt den Beschluss für ungültig. Seiner Meinung nach sei die Nennung eines Kostenrahmens oder einer Kostenobergrenze bei Beschlüssen über Baumaßnahmen wesentliche Tatsachengrundlage für die Ermessensausübung der Wohnungseigentümer. Dies gelte umso mehr, als diese auch das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten hätten und weil auch im Falle eines Grundlagenbeschlusses bereits zu diesem Zeitpunkt feststehen müsse, ob die Leistungsfähigkeit der GdWE und der einzelnen Wohnungseigentümer gegeben sei und letztere auch wissen müssten, welche voraussichtlichen Kosten auf sie zukommen. 

Fazit für den Verwalter

Der Verwalter als intern zuständiges Organ der GdWE ist dazu verpflichtet, die Wohnungseigentümer vor Beschlussfassungen mit allen notwendigen Informationen zu versorgen. Der Beschluss muss auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage gefasst werden. Nur dann sind die Wohnungseigentümer als Stimmrechtsinhaber bzw. Die GdWE in der Lage, dass der Mehrheit grundsätzlich eröffnete weite Ermessen samt Beurteilungs- und Gestaltungsspielräumen sachgerecht (ordnungsmäßig) auszuüben. Die Informationen müssen die Wohnungseigentümer rechtzeitig erreichen, grundsätzlich spätestens im Zeitpunkt der Abstimmung in der Versammlung (oder im Umlauf), teilweise auch schon mit den Einladungsunterlagen, um sich ausreichend vorbereiten zu können. 

Baumaßnahme ist der juristisch neutrale Oberbegriff für jedwede bauliche Maßnahme, insbesondere Erhaltung und bauliche Veränderung. Das Amtsgericht geht auf die rechtliche Qualifizierung der Umpflanzungsarbeiten und die Entfernung des Zaunes nicht ein, da es für seine Sichtweise nicht hierauf ankommt. Liest man als unbefangener Betrachter die Überschrift zu TOP 6 könnte man auf den Gedanken kommen, dass es um die erstmalige Wiederherstellung des ursprünglichen plangerechten Zustandes der Wohnanlage geht. Dann wäre (insoweit) keine bauliche Veränderung gegeben. Es könnte sich um eine Erhaltungsmaßnahme handeln. Bei kaputten Pflanzen würde dies ebenfalls gelten, bei einer Erneuerung eines gesunden und intakten Pflanzenbestandes wäre man im Bereich einer baulichen Veränderung. 

Weniger riskant wäre es gewesen, lediglich die Weisung an den Verwalter zu beschließen, drei Angebote einzuholen, um zu einem späteren Zeitpunkt über die Maßnahme als solcher zu beschließen. Denn dann hätte man bereits Vorstellungen zum Kostenrahmen als wichtigem Puzzleteil der Tatsachengrundlage gehabt. Die Nennung eines Kostenrahmens („von … bis … EUR“) oder einer Kostenobergrenze („bis zu maximal … EUR) hat juristisch nicht nur Bedeutung für die Ermessensausübung, sondern auch für die notwendige Bestimmtheit des Beschlusses. Verwalter als Versammlungsleiter sollten daran denken, derartige Textbausteine in ihre Beschlussformulierungen einzubinden. 

Ein Grundlagenbeschluss über eine Baumaßnahme bei unklarem Kostenrahmen könnte mit einer Bedingung versehen werden. Formulierungsbeispiel: „… Der Beschluss steht unter der Bedingung, dass die Umgestaltung des Hofes gemäß Anlage nicht mehr als 20.000 EUR kostet.“ Der Wechsel in ein nachträgliches mehrheitliches Umlaufbeschlussverfahren gem. Absenkungsbeschluss wäre im vorliegenden Fall vermutlich nicht rechtens gewesen, weil der Preis in der Versammlung noch nicht diskutiert werden konnte.

Unklar ist die Formulierung, die Kosten der Umgestaltung trügen die Wohnungseigentümer, die sie beschlossen haben. Beschlossen haben sie alle, auch die überstimmten. Gewollt und gemeint war offenkundig, dass die mit Ja stimmenden Eigentümer die Kosten tragen. Dies sollte bei der Beschlussformulierung klarer zum Ausdruck kommen, um Auslegungsschwierigkeiten und Zweifeln vorzubeugen.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

Die Mehrheit der Ja-Stimmenden wird einwenden, dass mangels einer Kostenschätzung oder sonstiger Anhaltspunkte die Nennung eines Kostenrahmens oder einer Kostenobergrenze im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht möglich war, da der Verwalter erst im Nachgang Angebote einholen sollte. In der Tat ist der Preis der beschlossenen Umgestaltung des Hofes eine Tatsache, die Nennung eines Kostenrahmens oder einer Kostenobergrenze hingegen eine Vorgabe für die weitere Durchführung der Maßnahme. Dennoch lässt sich nachvollziehen, dass bereits im Zeitpunkt der Abstimmung zu TOP 6 die voraussichtlichen Kosten einer zentraler Entscheidungsfaktor für eine fehlerfreie Willensbildung war. Es ist anerkannt, dass die Wohnungseigentümer im Rahmen ihres Ermessens einen Gestaltungsspielraum haben, bei dem sie das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und im Grundsatz auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen müssen. Deshalb sind sie unter anderem berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen und nicht zwingend erforderliche Maßnahmen ggf. auf einen späteren Zeitpunkt zurückzustellen. 

Problematisch ist, dass nicht nur die Weisung zur Einholung von Angeboten beschlossen wurde, sondern bereits im Sinne eines Grundlagenbeschlusses die Gestattung der Baumaßnahmen. Hätte sich später – nach Einholung der Angebote – herausgestellt, dass die Maßnahme zu teuer ist, wäre eine Aufhebung oder Abänderung des bestandskräftigen Erstbeschlusses nur noch rechtens gewesen, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für einen Zweitbeschluss vorgelegen hätten. An dieser Stelle wäre der Ermessensspielraum der Mehrheit also bereits beschnitten gewesen. 

Fazit für die Gemeinschaft

Die GdWE finanziert sich aus Hausgeldzahlungen, bei unerwarteten Ausgaben häufig durch eine Sonderumlage. Ein Finanzierungsbeschluss musste vorliegend nicht gefasst werden, weil die Beschlussfassung über die konkrete Auftragsvergabe auf einen späteren Zeitpunkt zurückgestellt wurde. Wenn das Amtsgericht ausführt, bereits im Zeitpunkt des Grundlagenbeschlusses müsse feststehen, ob die Leistungsfähigkeit der GdWE und der einzelnen Wohnungseigentümer gegeben ist, schießt dies über das Ziel hinaus. Die Leistungsfähigkeit kann erst bei Fälligkeit einer Hausgeldschuld als Tatsache festgestellt werden, nicht im Vorfeld. Das ungefähre Kostenausmaß einer Maßnahme frühzeitig zu benennen, ist allerdings ein in der Regel zentraler Aspekt einer ordnungsmäßigen Willensbildung.

 

Dr. Jan-Hendrik Schmidt 
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt 
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg 
www.wir-breiholdt.de