WEG-Recht

Verbrauchsabhängige Verteilung von Müllgebühren mit Mindest-Müllmenge

Rechnet ein Vermieter die Betriebskosten für die Müllbeseitigung ganz oder teilweise am Maßstab des verursachten und erfassten Restmülls ab, ist es zulässig, pro Person und Jahr eine angemessene Mindest-Müllmenge in die Umlage einzubeziehen. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) für die Wohnraummiete. Interessant ist, welche Schlussfolgerungen daraus für das Wohnungseigentum gezogen werden dürfen.

Mit Urteil vom 06.04.2016 zum gerichtlichen Aktenzeichen VIII ZR 78/15 entschied der u. a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH), dass der dem Vermieter nach § 556a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eröffnete Gestaltungsspielraum es zulässt, auch bei solchen Betriebskosten, die theoretisch zu 100% nach erfasstem Verbrauch bzw. erfasster Verursachung verteilt werden könnten, dennoch im gewissem Umfang verbrauchs- bzw. verursachungsunabhängig in die Kostenverteilung einzubeziehen. Der BGH widersprach damit der Rechtsansicht der klagenden Mieter, die der abgerechneten Mindest-Müllmenge von 520 Litern (10 Liter pro Woche für einen 2-Personenhaushalt) entgegenhielten, im Abrechnungszeitraum tatsächlich nur 130 Liter Restmüll verbraucht bzw. verursacht zu haben.  

Der Fall

In dem vom BGH entschiedenen Fall rechnete der Vermieter gemäß Ankündigung aus November 2007 die kommunalen Müllgebühren zu 70% nach erfasstem Volumen und zu 30% nach Wohnfläche ab. Zur Erfassung des Volumens und Bedienung der für den Restmüll eingerichteten Abfallschleuse erhielt jede Wohnungseinheit einen Transponder oder Identchip. Auf diese Weise wurden in den beiden folgenden Betriebskostenabrechnungen für den Kläger und seine Ehefrau 95 Liter (2008) und 65 Liter (2009) Restmüll erfasst. Mit Schreiben aus Dezember 2009 teilte der Vermieter mit, dass die Abfallschleuse bisher noch nicht von allen Haushalten genutzt werde, die gemeindliche Abfallsatzung jedoch ein zu bezahlendes Mindestvorhaltevolumen vorsehe von 10 Litern pro Person pro Woche. Daher werde der bisherige Verteilerschlüssel beibehalten, so dass die Umlage weiterhin zu 70% nach individueller Verursachung (allerdings unter Berücksichtigung der Müll-Mindestmenge) und zu 30% nach der Wohnfläche erfolge.

Die Entscheidung

Während das Berufungsgericht die Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2010 und 2011 noch für gesetzeswidrig hielt, da darin fiktive Verbräuche in Gestalt einer Mindest-Schüttmenge angesetzt worden seien, war der BGH gegenteiliger Auffassung. Der Vermieter habe den ihm eingeräumten Spielraum bei der Gestaltung gerechter Verteilerschlüssel für Betriebskosten nicht überschritten. Es sei zudem nicht zu beanstanden, dass der Vermieter den Abrechnungsmaßstab binnen kürzerer Zeit nochmals änderte, nachdem sich der zuvor gewählte Maßstab als korrekturbedürftig erwiesen habe.

Der BGH vermag Ermessensfehler nicht zu erkennen. Zwar sei zuzugestehen, dass durch die verbrauchsunabhängige Mindest-Müllmenge solche Mieter benachteiligt seien, die tatsächlich weniger Abfall produzierten; die Berücksichtigung einer Mindest-Müllmenge sei gleichwohl sachlich gerechtfertigt, da sie dem Anreiz entgegen wirke, dass sich einzelne Mieter zur Minimierung ihrer Betriebskosten der Erfassung des Restmülls entzögen, indem sie diesen auf den Standplätzen der Hausmüllcontainer abstellten, die Wertstofftonnen fehlerhaft befüllten oder den Restmüll an anderer Stelle entsorgten, sei es in Nachbarobjekten, öffentlichen Abfallbehältern oder auf Wald- und Freiflächen. Billigem Ermessen entspreche es auch, dass sich der Vermieter bei der konkret angesetzten Mindest-Müllmenge an dem Mindestvorhaltevolumen für Restmüll des kommunalen Entsorgungsträgers orientiert habe.

Fazit für den Verwalter

Auch wenn die hier besprochene Entscheidung zum Wohnraummietrecht (Betriebskostenrecht) erging, lassen sich wichtige Parallelen und Schlussfolgerungen für das Wohnungseigentumsrecht ziehen. Nach § 16 Abs. 3 WEG ist es Wohnungseigentümern erlaubt, durch einfachen Mehrheitsbeschluss den Kostenverteilungsschlüssel für die Betriebskosten der Müllbeseitigung abzuändern und die Kosten nach Verbrauch oder Verursachung oder einem anderen Maßstab zu verteilen, soweit dies ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Diese gesetzliche Beschlusskompetenz ist den Wohnungseigentümern auch dann eröffnet, wenn nach der Gemeinschaftsordnung eine höhere (qualifizierte) Stimmenmehrheit erforderlich sein sollte, da diese insoweit unwirksam wäre (§ 16 Abs. 5 WEG).

Das grundsätzliche Gestaltungsermessen des Vermieters (§ 556a Abs. 1 S. 2 BGB) ist Wohnungseigentümern erst recht eröffnet. Der grundsätzlich weite Ermessens- und Gestaltungsspielraum ist insoweit anerkannt, insbesondere auch von dem u. a. für Wohnungseigentumssachen zuständigen V. Zivilsenat des BGH.

Es ist daher grundsätzlich anzunehmen, dass ein entsprechender Mehrheitsbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.

Wohnungseigentumsrechtlich noch nicht hinreichend geklärt ist die Frage, mit welcher Mehrheit der Einbau der erforderlichen Müllmengenerfassungsgeräte beschlossen werden darf. Rechtspolitisch wünschenswert ist es, wenn ein einfacher Mehrheitsbeschluss genügt, um insoweit auch den Gleichlauf mit der Beschlusskompetenz des § 16 Abs. 3 WEG herzustellen. Nach geltendem Recht könnte es sich bei der Einführung eines Müllbehälteridentifikationssystems (Identsystem) um eine sonstige Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 WEG handeln, möglicherweise auch um eine Gebrauchsregelung nach § 15 Abs. 2 WEG. Bei der Einführung einer Abfallschleuse könnte darüber hinaus an eine Modernisierung gemäß § 22 Abs. 2 WEG gedacht werden, wenngleich hierdurch die faktische Umsetzbarkeit bereits erschwert wird im Hinblick auf das nötige doppelt qualifizierte Mehrheitserfordernis.

Übernehmen Wohnungseigentümer durch einfachen Mehrheitsbeschluss einen im Außenverhältnis zum kommunalen Abfallentsorger geltenden Verteilerschlüssel in ihr Innenverhältnis, entspricht dies grundsätzlich dem Verursachungsprinzip, das durch § 16 in Absatz 3 WEG ausdrücklich zulässig ist. Im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung ist zu prüfen, ob und inwieweit Praktikabilitätserwägungen, die eine Anlehnung an die Personenzahl pro Haushalt mit sich bringt, den Mehrheitsbeschluss letztlich zu Fall bringen können. In dem hier besprochenen Fall hatte der BGH offenbar keine entsprechenden Bedenken. Überträgt man dies auf das Wohnungseigentum, dürfte der Verwalter zuständig sein, die entsprechende Personenzahl festzuhalten. Der damit verbundene Aufwand dürfte grundsätzlich zumutbar sein.

Die Ausführungen des BGH zur Zulässigkeit einer wiederholten Änderung des Abrechnungsmaßstabes wird man auf das Wohnungseigentumsecht übertragen können: Ein Beschluss über die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels für Müll gemäß § 16 Abs. 3 WEG (Erstbeschluss) schließt es nicht aus, die Änderungskompetenz für einen künftigen Abrechnungszeitraum erneut auszuüben (Zweitbeschluss), wenn sich der zuvor gewählte Maßstab als korrekturbedürftig erwiesen hat.

Wie immer bei Beschlüssen nach § 16 Abs. 3 WEG sollten Verwalter bedenken, dass Rückwirkungen grundsätzlich unzulässig sind und bei gerichtlicher Anfechtung zur Ungültigerklärung des Mehrheitsbeschlusses führen. Empfehlenswert ist es daher, im Beschlussantrag ausdrücklich festzulegen, dass die Änderung erst ab dem nächsten Abrechnungszeitraum gilt.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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