WEG-Recht

Vorbehaltsanfechtung tödlich!

Nicht selten legen sich Anfechtungskläger mit Erhebung der Klage noch nicht fest, welche Beschlüsse einer Eigentümerversammlung sie anfechten. Eine vorsorgliche Anfechtung aller Beschlüsse ist zulässig, kann aber teuer sein. Ein Kläger in Berlin hatte deswegen innerhalb der Klagefrist überhaupt nicht verraten, welche Beschlüsse er anfechten will und sich die Konkretisierung für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten. AG Wedding, LG Berlin und letztlich der BGH hauten dem Kläger diese Verfahrensweise „um die Ohren”.

Mit Beschluss vom 16.02.2017 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 204/16 wies der Bundesgerichtshof (BGH) eine Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurück, weil der Kläger mit seiner Vorbehaltsanfechtung die Klagefrist verpasst hatte. Den Gegenstandswert setzte der BGH auf 176.861,41 EUR fest. Es wird also ein teurer Spaß für den Kläger geworden sein.

Der Fall

Der Kläger hatte beim Amtsgericht eine Klage erhoben, die sich „gegen Beschlüsse der Eigentümerversammlung” vom 25.11.2014 richtete. Zugleich kündigte er an, er werde mit der Klagebegründung mitteilen, „auf welche Beschlüsse sich die Klage beschränkt”. In der nach Ablauf der Anfechtungsfrist eingereichten Klagebegründung erklärte er, dass die Beschlüsse zu TOP 1 bis 4 Gegenstand der Anfechtungsklage sein sollen. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Das Landgericht wies die Berufung des Klägers zurück. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wollte der Kläger die Zulassung der Revision erreichen. Dieses Vorhaben scheiterte.

Die Entscheidung

Der BGH führt aus, dass ein Gericht zwar dazu verpflichtet sei, den wirklichen Willen des Klägers zu erforschen und dabei den Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt sei, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht, was wiederum dazu führen müsse, dass ein Klagantrag in aller Regel nicht in einer Weise ausgelegt werden dürfe, die zu einer Unwirksamkeit der Prozesshandlung (hier: wegen Unbestimmtheit des Klagantrags) und in der weiteren Folge zur Versäumung der Anfechtungsfrist führe (Rn 5 der Entscheidungsgründe). Jedoch müsse in dem vorliegenden Fall beachtet werden, dass der Kläger sich nicht für eine – zulässige – so genannten Vorratsanfechtung entschieden habe, d. h. eine Anfechtung aller in der Versammlung gefassten Beschlüsse; vielmehr habe er überhaupt nicht zu erkennen gegeben, welchen Teil der in der Versammlung gefassten Beschlüsse er angreife. In dieser Situation dürfe das Gericht keineswegs davon ausgehen, dass eine Vorratsanfechtung gewollt sei, denn angesichts der damit verbundenen Prozesskosten könne es ebenso gut sein, dass der Kläger – bei der ihm eröffneten Wahl zwischen Pest und Cholera – lieber die Versäumung der Anfechtungsfrist hinnehme, zumal es ihm dann außerdem immer noch möglich sei, die Nichtigkeit der ihm missfallenden Beschlüsse geltend zu machen, da insoweit die Anfechtungsfrist nicht gelte.

Fazit für den Verwalter

Die Anfechtung aller Beschlüsse einer Eigentümerversammlung ist für einen Wohnungseigentumsverwalter ein Super-Gau, jedenfalls dann, wenn die Klage Erfolg hat. Der umsichtige Kläger wird bereits in der Klageschrift, also innerhalb der einmonatigen Anfechtungsfrist ab Versammlungstag, festlegen, gegen welche konkreten Beschlüsse er sich mit der Klage wendet. Häufig wird dazu vorab das Versammlungsprotokoll oder dessen Entwurf beim Verwalter angefordert werden, gegebenenfalls auch ein Auszug aus der Beschluss-Sammlung der betroffenen Eigentümerversammlung. Der Verwalter muss darauf achten, dass er die Beschluss-Sammlung innerhalb von 3 bis 4 Werktagen nach der Versammlung auf den neuesten Stand bringt. Bezüglich des Protokolls sollten keine Spielchen mit einem Anfechtungskläger gespielt werden. Notfalls muss der nicht unterschriebene Protokollentwurf an den Anfechtungskläger oder dessen anwaltlichen Vertreter herausgegeben werden.

Fazit für den Klägervertreter (Rechtsanwalt)

Die sog. Vorratsanfechtung, d.h. die Anfechtung sämtlicher Beschlüsse einer Eigentümerversammlung, wahrt zwar die Anfechtungsfrist, kann aber teuer werden, wenn die Klage bezüglich der nach dem Streitgegenstand „teuren” Beschlüsse dann nicht durchgeführt wird, sondern der Kläger eine Teilrücknahme der Klage erklären muss.

Aus Klägersicht tödlich ist die Vorbehaltsanfechtung, also eine Anfechtungsklage, in der die Klägerseite innerhalb der Klagefrist (Anfechtungsfrist) nicht zu erkennen gibt, auf welche Beschlüsse sich die Klage bezieht. Im vorliegenden Fall wandte sich der Kläger „gegen Beschlüsse der Eigentümerversammlung”. Er focht also weder „alle” Beschlüsse an (was hinreichend bestimmt gewesen wäre) noch lieferte er eine sonstige Kennzeichnung des Streitgegenstandes (außer der Verwendung des Plurals, was darauf hindeutete, dass wohl zumindest mehr als ein Beschluss angegriffen werden sollte).

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
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