WEG-Recht

"Weg vom Fenster!" – Teil 2

Im » DDIVnewsletter vom 28. Juni 2019 berichteten wir vom Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14. Juni 2019 zum Aktenzeichen V ZR 254/17, wonach ein Wohnungseigentümer für die eigenmächtige Fenstererneuerung im Bereich seiner Wohnung von der Gemeinschaft keinen Kostenersatz bekommt. Der Newsletter stützte sich auf die Pressemitteilung des BGH und ließ einige Fragen offen. Inzwischen wurde das Urteil veröffentlicht und sorgt für noch mehr Durchblick. Daher eine Nachlese…

Der Fall

Der Kläger verklagt seine Wohnungseigentümergemeinschaft auf 5.500,00 EUR Wertersatz für neue Fenster, die er – wie etliche Eigentümer vor ihm – im Vertrauen auf eine Regelung in der Gemeinschaftsordnung (GO) auf eigene Kosten hatte austauschen lassen anstatt sich an die Gemeinschaft zu wenden. Der Kläger und viele andere Eigentümer waren irrtümlich davon ausgegangen, selbst für die Fenster verantwortlich und kostentragungspflichtig zu sein. In Wahrheit verhielt es sich aber so, dass die GO bei korrekter Auslegung keine von der gesetzlichen Ausgangsregelung (Zuständigkeit und Kostentragung bei allen) abweichende Vereinbarung enthielt. Der Kläger und viele andere Eigentümer waren mit ihrem Verständnis von der fraglichen Bestimmung in § 4 Absatz 1 GO auf dem Holzweg. § 4 Absatz 1 GO lautet:

„Jeder Wohnungseigentümer ist zur ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung seiner Wohnung sowie der dem Sondereigentum zugeordneten Sondernutzungsbereiche und der darin befindlichen Anlagen und Ausstattung, auch soweit sich diese im gemeinschaftlichen Eigentum befinden und unbeschadet eines eventuellen Mitbenutzungsrechts der anderen Wohnungseigentümer bzw. Bewohner verpflichtet. (…) Er hat hierfür die Kosten einschließlich etwaiger Betriebskosten zu tragen. Die Verpflichtung umfasst insbesondere: (…)

b) die Fenster einschließlich der Rahmen, der Verglasung und der Beschläge, jedoch ausschließlich des Farbanstrichs der Außenseite der Fenster und Wohnungsabschlusstüren.”

Der Kläger unterlag in allen drei Instanzen.

Die Entscheidung

Zunächst kann erneut auf den » DDIVnewsletter vom 1. Juli 2019 verwiesen werden. Ergänzend ist anzumerken, dass der BGH seine bisherige Rechtsprechung teilweise aufgibt. Namentlich geht es um sein Urteil vom 25. September 2015 mit dem Aktenzeichen V ZR 246/14. Dort hatte der BGH einen Zahlungsanspruch noch bejaht, wenn die eigenmächtig durchgeführte Maßnahme entweder ohnehin hätte vorgenommen werden müssen, weil sie zwingend geboten und ohne Alternative war (Variante 1), oder es sich um eine Notmaßnahme im Sinne § 21 Abs. 2 WEG handelte (Variante 2). Von Variante 1 verabschiedet sich der BGH jetzt. Nur in Fällen der Notgeschäftsführung (Variante 2) kann der eigenmächtig handelnde Wohnungseigentümer noch immer Ersatz aus der Gemeinschaftskasse beanspruchen. In Fensterfällen wird ihm das freilich nicht weiterhelfen, da eine Erneuerung keine Notgeschäftsführungsmaßnahme ist, sondern eine Maßnahme, die zunächst zur Abstimmung in die Versammlung gebracht werden kann und muss. Wird der Beschlussantrag abgelehnt (Negativbeschluss), kann der Eigentümer den erforderlichen Beschluss der Eigentümer, das Fenster durch die Gemeinschaft auf deren Kosten erneuern zu lassen, mit der Beschlussersetzungsklage gerichtlich erzwingen.

Fazit für den Verwalter

Erfreulicherweise ist die Vereinbarung in der GO, die von allen Eigentümern viele Jahrzehnte falsch interpretiert worden war, im Urteil abgedruckt. Ein kollektiver Rechtsirrtum kann durchaus funktionieren, solange kein Eigentümer aus der übereinstimmenden Praxis ausschert und „seine” Fenster wie bisher immer alleine auf eigene Kosten in Stand setzt. Will aber ein Wohnungseigentümer – vielfach sind es Käufer, Erben oder sonstige Rechtnachfolger – zur wirklichen Rechtslage zurückkehren, kann er verlangen, dass die gemeinschaftliche Fenstererneuerung beschlossen, beauftragt und bezahlt wird. Nehmen ihm andere Eigentümer das übel und fordern sodann ihrerseits Ersatz für in der Vergangenheit selbst bezahlte Fenstererneuerungsmaßnahmen, wird ein solcher Dominoeffekt juristisch nicht von Erfolg gekrönt sein. Zahlungsansprüche bestehen nicht.

Der BGH überträgt seine Fensteraußenanstrich-Rechtsprechung (Urteil vom 2. März 2012 – V ZR 174/11) auf die vorliegende Formulierung in § 4 Abs. 1 GO. Im damaligen Fall lautete die Vereinbarung in der dortigen GO folgendermaßen:

    a) Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet, die Gegenstände, die sein Sondereigentum sind, seinem Sondernutzungsrecht unterliegen oder von ihm allein genutzt werden, auf eigene Rechnung ordnungsgemäß zu pflegen, instandzuhalten und instandzusetzen. Den einzelnen WE treffen also beispielsweise im räumlichen Bereich des Sondereigentums folgende Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten, unabhängig davon, ob sich die genannten Gegenstände im Sonder- und Gemeinschaftseigentum befinden:

    aa) (…)

    bb) Die Behebung von Glasschäden und die Instandhaltung und Instandsetzung der Wohnungsabschlusstüren samt Rahmen, der Außenfenster samt Fensterrahmen, der Rollläden sowie der Kellerabteile und Kraftfahrzeugabstellplätze; soweit dabei die Außenansicht betroffen wird, ist eine einheitliche Ausführung unabdingbar; daher ist die Erneuerung des Außenanstrichs der Fenster samt Rahmen und Rollläden sowie der Wohnungsabschlusstüren samt Rahmen Sache der Eigentümergemeinschaft. (…)

Der BGH entschied damals: Weist die GO die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung der Fenster nebst Rahmen in dem räumlichen Bereich des Sondereigentums den einzelnen Wohnungseigentümern zu und nimmt dabei den Außenanstrich aus, ist eine vollständige Erneuerung der Fenster im Zweifel (erst recht) Sache der Gemeinschaft.

Viele Gemeinschaftsordnungen enthalten Vereinbarungen, die den hier wiedergegebenen Regelungen ähneln oder sogar mit ihnen identisch sind. Schauen Sie nach und lesen Sie gründlich, wenn Eigentümer der von Ihnen verwalteten Gemeinschaft Schwierigkeiten mit der Auslegung der GO bezüglich Fenstern haben! Ein professioneller Wohnungseigentumsverwalter muss diese Klippen bei der Auslegung von Fensteraußenanstrichklauseln kennen. Auch diejenigen, die der vom BGH angestellte Erst-Recht-Schluss (Wenn schon Außenanstrich Gemeinschaftssache ist, dann erst recht die Erneuerung der Fenster) nicht überzeugt, haben sich an dieser für die Praxis höchstrichterlich geklärten Rechtslage auszurichten. Die Weitergabe und Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist Rechtsinformation und Rechtsdienstleistung im objektiven Gesamtinteresse aller zur Gemeinschaft gehörenden Eigentümer, nicht etwa Rechtsberatung für einzelner Eigentümer oder Eigentümergruppen. Kommt es zwischen den Eigentümern zu konkreten Streitigkeiten und Interessenkonflikten, müsste zur Klärung der Rechtslage freilich ein Rechtsanwalt hinzugezogen und/ oder gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Der Verwalter hat sich neutral zu verhalten.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de