Mit Urteil vom 4.7.2025 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 77/24 entschied der BGH, dass ein Beschluss, in dem die Gemeinschaft eine Abmahnung ausspricht (Abmahnungsbeschluss), gerichtlich gleichermaßen selbständig anfechtbar ist wie ein Beschluss, der den Verwalter mit dem Ausspruch einer Abmahnung beauftragt, und zwar selbst dann, wenn dieser Ermächtigungsbeschluss die Anforderungen an eine wirksame Abmahnung nicht erfüllt, weil er dem abzumahnenden Wohnungseigentümer das beanstandete Verhalten und die Gefahr der Entziehung seines Sondereigentums nicht vor Augen führt.
Der Fall
Die Klägerin ist Wohnungseigentümerin und früheres Mitglied des Verwaltungsbeirats. Die Gemeinschaft hat ein Dienstverhältnis mit Frau B. wegen Schlechterfüllung gekündigt. Möglicherweise ging es um Hausmeisterdienste o. ä. Die Einzelheiten sind umstritten und Frau B. hat gegen die Kündigung anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen. In einer Eigentümerversammlung vom 24.1.2023 wurde beschlossen, die Klägerin durch die „Hausverwaltung“ für ihr „WEG- schädigendes“ Verhalten abzumahnen. Die Klägerin habe sich gegen die Interessen der GdWE gestellt, der Frau B. Schützenhilfe geleistet, die Argumentation des gegnerischen Rechtsanwalts aufgegriffen und darüber hinaus siebenmal ihre Kontovollmacht zur Einsichtnahme in die Verwaltungskonten missbraucht, nachdem sie aus dem Beirat ausgeschieden war. Mit Schreiben vom 1.2.2023 mahnte der Verwalter die Klägerin entsprechend den Vorgaben des Beschlusses ab. Die Anfechtungsklage der Klägerin wurde von Amtsgericht und Landgericht Köln als unzulässig abgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin war erfolgreich, ihre Revision aber nicht, weil die Klage im Ergebnis jedenfalls unbegründet sei.
Die Entscheidung
Im Gegensatz zu den Kölner Gerichten bejaht der BGH das Rechtsschutzbedürfnis. Dass der Beschluss vollzogen worden sei, beseitige es nicht. Denn der Beschluss sei Grundlage für eine Abmahnung und eine mögliche spätere Entziehungsklage. Dass der Beschluss die Abmahnung nicht selbst beinhalte, sondern vorbereite, mache rechtlich ebenfalls keinen Unterschied. Rechtsschutz durch eine Anfechtungsklage sei eröffnet, allerdings beschränkt auf formelle Einwendungen. Ob die dem Wohnungseigentümer zur Last gelegten Vorwürfe zutreffen und ausreichen, um von ihm die Veräußerung des Wohnungseigentums beanspruchen zu können, sei der Entziehungsklage vorbehalten. Weil die Klägerin keine formellen Beschlussmängel gegen den Beschluss, sie abzumahnen, geltend gemacht habe, sei die Anfechtungsklage unbegründet.
Fazit für den Verwalter
Einer erfolgreichen Entziehungsklage muss eine Abmahnung vorausgehen. Eine Abmahnung kann, muss aber nicht durch Beschluss erfolgen. Erfolgt sie durch Beschluss, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder ist die Abmahnung direkt Gegenstand des Beschlusses oder sie ermächtigt und beauftragt den Verwalter, die Abmahnung auszusprechen. Die Abmahnung erfolgt also entweder durch (im) Beschluss oder aufgrund eines Beschlusses. Sobald ein Beschluss in der Welt ist, ist er gerichtlich angreifbar, allerdings beschränkt auf formelle Einwendungen, beispielsweise eine fehlende Ankündigung in der Tagesordnung, eine Verletzung von Einladungsfrist oder Nichtöffentlichkeit oder eine mangelhafte Bestimmtheit. Der BGH spricht eine dritte Variante an: der Verwalter als vertretungsbefugtes Organ der GdWE kann eine Abmahnung ohne vorherige Beschlussfassung aussprechen. Das darf der Verwalter unter Umständen, beispielsweise unter den Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG, wenn eine unverzügliche Abmahnung geboten und ein Zuwarten bis zu der nächsten Eigentümerversammlung untunlich ist.
Eine Abmahnung muss das Fehlverhalten, dessen wegen abgemahnt wird, so konkret beschreiben, dass der Empfänger nachvollziehen kann, was ihm zur Last gelegt wird. Der Störer muss aufgefordert werden, sich ab sofort gemeinschaftskonform zu verhalten. In der Abmahnung muss unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden, dass bei Fortsetzung des Fehlverhaltens die Entziehung des Wohnungseigentums droht. Fehlt es daran, liegt keine wirksame Abmahnung vor, sondern – wie im Fall – allenfalls eine Aufforderung zur Unterlassung.
Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte
Wohnungseigentümer, die abgemahnt werden oder abgemahnt werden sollen, sollten sich überlegen, ob sie eine Anfechtungsklage erheben. In der Regel ist diese aussichtslos. Anders kann es ausnahmsweise sein, wenn der Beschluss auf einem formellen Mangel beruht (Kausalität). Der Kläger muss diesen formellen Mangel und die Kausalität innerhalb der Klagebegründungsfrist schlüssig begründen.
Wohnungseigentümern fehlt die Beschlusskompetenz, um Tatsachen oder Rechtsfolgen, die objektiv nicht vorliegen, „herbei zu beschließen“. Ob Wohnungseigentum entzogen werden darf, bleibt der gerichtlichen Klärung im Entziehungsprozess vorbehalten. Gleiches gilt für Aufforderungsbeschlüsse. Ob ein Wohnungseigentümer zur Unterlassung eines ihm vorgehaltenen Verhaltens verpflichtet ist, muss im Streitfall das mit der Sache befasste Gericht klären.
Fazit für die Gemeinschaft
Das Urteil, durch das ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums verurteilt wird, berechtigt die GdWE zur Zwangsvollstreckung. Das Gleiche gilt für Schuldtitel im Sinne des § 794 der Zivilprozessordnung, durch die sich der Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums verpflichtet. Ein Wohnungseigentümer, der rechtskräftig zur Veräußerung verurteilt ist, hat bei Beschlussfassungen kein Stimmrecht mehr (§ 25 Abs. 4 Variante 3 WEG).
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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