16.04.2025 Ausgabe: vdivDIGITAL 2025/1

Die smarte Basis zur effizienten Umsetzung der Europäischen Gebäuderichtlinie

Symbolbild Altbaufassade eines Mietobjektes
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Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) und der EU-Kommission könnten bis 2050 die Emissionen im Gebäudesektor um bis zu 90 Prozent reduziert werden. Einsparpotenziale liegen besonders in den Bereichen der Energieeffizienz von Gebäuden, in der Nutzung von erneuerbaren Energien, in der Verwendung nachhaltiger Baumaterialien und der digitalen Planung und Optimierung von Gebäudebetrieb und -management.

Das Einsparpotenzial im Gebäudesektor ist zwar enorm, aber die vorhandenen Chancen werden nicht genutzt. Ganz im Gegenteil – die Investitionen in energetische Sanierungen liegen laut Unter­suchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung heute unter dem Niveau von 2011. Hohe Investitionskosten, langsame Sanierungsraten, regulatorische Hürden, aber auch Akzeptanzprobleme führen in Deutschland zu einem Sanierungsstau. Die derzeitige Sanierungsquote in Deutschland liegt deutlich unter dem Zielwert, um Klimaneutralität zu erreichen. Das wiegt umso schwerer, weil die Europäische Gebäuderichtlinie (EPBD) bereits seit Mai 2024 in Kraft ist.

Die EPBD und ihre Umsetzung in nationales Recht

Die EPBD ist ein zentrales Instrument der Europäischen Union zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden und muss bis 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, Mindestvorgaben für die Energieeffizienz von Gebäuden festzulegen. Für Wohngebäude soll bis 2030 der durchschnittliche Primärenergieverbrauch um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent gegenüber 2020 reduziert werden. Die Mitgliedstaaten müssen langfristige Renovierungsstrategien entwickeln, um den Gebäudebestand bis 2050 in Nullemissions-gebäude umzuwandeln.

Die Situation in Deutschland

Der erste nationale Plan ist der Europäischen Kommission bis zum 31. Dezember 2025 vorzulegen und alle fünf Jahre zu aktualisieren. Die nationalen Maßnahmen müssen dabei sicherstellen, dass mindestens 55 Prozent des Rückganges des durchschnittlichen Primärenergieverbrauches durch Renovierungen von 43 Prozent der Wohngebäude mit der schlechtesten Gesamtenergieeffizienz erreicht werden. Um diese 43 Prozent zu erreichen, rücken die Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz in den Mittelpunkt. Die beiden Klassen G und H umfassen zusammen 30 Prozent des Wohnungsbestandes. Mit 15 Prozent gehört auch die Klasse F zu den unteren Energieeffizienzklassen. Die Effizienzklassen G, H, F (und vermutlich ein Teil von E, das 14 Prozent des Gebäude­bestands ausmacht) werden primär adressiert werden, da hier der größte Handlungsbedarf besteht und die gesetzlichen Ziele nur durch Sanierung dieser Gebäude erreicht werden können.

Energieausweise, Gebäudeautomation und Renovierungspässe

Energieausweise mit der Skala A bis G, wie sie die EPBD verlangt, sind in Deutschland noch nicht umgesetzt. Derzeit gilt die Skala A+ bis H. Mit der nächsten GEG-Novelle dürfte die Anpassung eingeführt werden. In der EPBD wird auch gefordert, die Gebäudeautomation zu verstärken, um die Energieeffizienz kontinuierlich zu überwachen, um die optimale Erzeugung, Verteilung, Speicherung und Nutzung der Energie zu gewährleisten und um auf externe Signale reagieren und den Energieverbrauch anzupassen zu können. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten ein Schema zum Erstellen von Renovierungspässen anlegen und zur Verfügung stellen. In Deutschland sind das aktuell die individuellen Sanierungsfahrpläne (iSFPs). Sanierungsfahrpläne sind aufwändig, komplex und bislang sehr starr bzw. punktuell. Sie zeigen die konkrete Situation zum Zeitpunkt der Erstellung, reagieren aber nicht auf spätere Veränderungen in den Bau- und Materialpreisen, auf gesetzliche Vorgaben, neue Förderprogramme und technologische Entwicklungen. Von einer stabilen Basis für eine langfristige Planung kann daher nicht die Rede sein. Darüber hinaus sind die digital abrufbaren Informationen über den technischen Zustand vieler Gebäude noch sehr ungenau. Dadurch erfordern Sanierungsmaßnahmen derzeit noch einen zu hohen Planungs- und Koordinationsaufwand. Statt den optimalen Sanierungsfahrplan für ein individuelles Gebäude zu einem fixen Zeitpunkt zu fixen Kosten festzulegen, sollte auf dynamische Sanierungsfahrpläne gesetzt werden, die an der schnellen Reduktion des Primärenergiebedarfs ausgerichtet sind. Eine effiziente Gebäudesanierung kann den Primärenergiebedarf durch bessere Dämmung, moderne Heiztechnologien und erneuerbare Energien deutlich reduzieren.

Die Basis für individuelle, dynamische Sanierungsfahrpläne

Dank der Digitalisierung stehen zahlreiche Gebäude-, Energie-, Klima-, Finanz- und Simulationsdaten für dynamische Sanierungsfahrpläne zur Verfügung. Sie ermöglichen eine genaue Planung, den optimierten Einsatz von Fördermitteln und die effizientere Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen. Besonders intelligenten Gebäudeanalysen, Smart Metering und digitalen Zwillingen wird dabei eine Schlüsselrolle zukommen. Softwarelösungen, wie die von der ecowo eingesetzte Software, können die Daten zu Katastern, Liegenschaften, Denkmalschutz, Wärmenetzen, Gas- und Wasserstoffversorgung zusammenführen und die Eignung von Grundstücken für Wärmepumpen, Geothermie und Grundwasserwärmenutzung sowie Solarenergiepotential analysieren. Das erlaubt den transparenten Vergleich diverser Sanierungsstrategien und das Finden der optimalen Lösung in Hinsicht auf Wirtschaftlichkeit und CO2-Bilanzierung. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es ohne dynamische Sanierungsfahrpläne nicht gelingen wird, den Gebäudebestand bis 2050 in Nullemissionsgebäude umzuwandeln. Wesentlich, um diese dynamischen Sanierungsfahrpläne effizient auf Basis der Digitalisierung zu erstellen, ist die strukturierte Erfassung von Gebäude- und Verbrauchsdaten. Sie muss zum Standard werden. Hausverwalter und Eigentümer müssen damit konsequent arbeiten und sie nicht nur durchreichen. Darüber hinaus müssen smarte Tools zur digitalen Verarbeitung dieser Daten eingesetzt werden. Nur so sind dynamische Sanierungsfahrpläne über den Lebenszyklus der Immobilie hinweg möglich, bei denen aktuelle Anforderungen und Förderungen berücksichtigt werden, und die an technologische Entwicklungen angepasst sind.

VDIV Aktuell Autor - Thomas H Beutner
Beutner, Thomas H.

Geschäftsführer,
ecowo GmbH