07.01.2013 Ausgabe: 1/2013

Fortentwicklung der Figur des werdenden Wohnungs­eigentümers- Werdender Wohnungs­eigentümer auch nach gewordener Wohnungs­eigentumsgemeinschaft

Die Beklagte war Eigentümerin einer Wohnanlage, die sie in Wohnungseigentum aufteilte. Sie ist weiterhin Eigentümerin einer Wohnung und zweier Tiefgaragenstellplätze. Diese sind an eine Erwerberin verkauft worden, für die auch eine Auflassungsvormerkung eingetragen wurde. Danach wurde der erste weitere Erwerber als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Unklar ist, wann der Erwerberin auch die Nutzung der Wohnung und der Stellplätze überlassen wurde. Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt von der Beklagten die Zahlung von Abrechnungsspitzen und rückständigem Hausgeld.

Die Meinung des Gerichts:

Der BGH war der Auffassung, dass Schuldner der geltend gemachten Beträge nicht die eingetragene Eigentümerin, sondern die Erwerberin als werdende Wohnungseigentümerin ist. Zur Begründung wurde die Figur der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. des werdenden Wohnungseigentümers fortentwickelt. 
Bislang stand fest, dass der Erwerber, der eine Wohnung vom teilenden Alleineigentümer kauft, als werdender Wohnungseigentümer anzusehen ist, wenn

  • der Erwerbsvertrag abgeschlossen
  • eine Auflassungsvormerkung eingetragen und
  • dem Erwerber der Besitz an der Wohnung eingeräumt ist.

Sobald diese Voraussetzungen bei mindestens einem Erwerber eingetreten sind, besteht die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie setzt sich aus dem teilenden Eigentümer und dem Ersterwerber zusammen und wird durch weitere Ersterwerber erweitert, deren Erwerbsposition sich später durch die Einräumung des Besitzes verfestigt, sodass sie die Voraussetzungen eines werdenden Wohnungseigentümers erfüllen. Folge ist, dass die Vorschriften des WEG anwendbar sind. Die werdenden Wohnungseigentümer haben Mitwirkungsrechte und die Pflicht Lasten und Kosten zu tragen. Diese Position verlieren sie nicht, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft mit der Eintragung des ersten Erwerbers in das Wohnungsgrundbuch entsteht.

Neu an der vorliegenden Entscheidung ist, dass auch zu diesem Zeitpunkt weitere Ersterwerber die Position als werdender Wohnungseigentümer erlangen können. Voraussetzung ist, dass vor Entstehung der Wohnungseigentümergemeinschaft ein Erwerbsvertrag mit dem teilenden Alleineigentümer geschlossen wurde. Die Position als werdender Wohnungseigentümer wird mit Eintragung einer Auflassung und der Erlangung des Besitzes an der Wohnung erreicht. Nun sind - wie auf die anderen (werdenden) Wohnungseigentümer- die Vorschriften des WEG anwendbar. Der Erwerber alleine ist aufgrund des WEG berechtigt und verpflichtet.

Dokumentation: BGH, Urt. v. 11.05.2012 - V ZR 196/11, Entscheidungsabdruck in NZM Heft 18 vom 28.9.2012.

Ratschlag für den Verwalter:

Der Verwalter hat zu beachten, dass Entscheidungen nun von einer Versammlung aus Wohnungseigentümern und werdenden Wohnungseigentümern getroffen werden und Kosten und Lasten von diesen zu tragen sind. Auch nach Entstehung der Wohnungseigentumsgemeinschaft, kann die ­Position als werdender Wohnungseigentümer erlangt werden, wenn eine Auflassungsvormerkung eingetragen und der Besitz eingeräumt wurde. Dann ist für die fragliche Wohnung nicht mehr der teilende Eigentümer, sondern alleine der Ersterwerber Träger von Rechten und Pflichten aus dem WEG. Teilender ­Eigentümer und Erwerber haften nicht gesamtschuldnerisch.

Fotos: © Alexander Kalina / Shutterstock.com

 


 

Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.