05.09.2017 Ausgabe: 6/2017

Kein Anspruch eines behinderten ­Wohnungseigentümers auf nachträglichen Einbau eines Personenaufzugs

(BGH, Urteil vom 13.1.2017 – V ZR 96/16)

DAS THEMA

In Zeiten steigender Lebenserwartung und der damit einhergehenden Sensibilisierung der Bevölkerung für Themen wie Barrierefreiheit und Mobilität im Alter erregt diese BGH-Entscheidung Aufmerksamkeit. Der BGH wies die Klage eines 80-jährigen Wohnungseigentümers auf Duldung des Einbaus eines Personenaufzugs gegen die übrigen Miteigentümer ab.

DER FALL

Der 80 Jahre alte Kläger ist Eigentümer einer im 5. Obergeschoss einer Plattenbau-Mehrhausanlage gelegenen Eigentumswohnung. Einen Personenaufzug gibt es im zugehörigen Treppenhaus nicht, weshalb die Wohnung für gehbehinderte Personen schlecht zu erreichen ist. Zeitweise betreuen der Kläger und seine Ehefrau die zu 100 Prozent schwerbehinderte Enkeltochter, die keine Treppen steigen kann. Auf einer Wohnungseigentümerversammlung beantragte der Kläger deshalb gemeinsam mit einigen anderen Wohnungseigentümern, ihm den Einbau eines geräuscharmen und energieeffizienten Personenaufzugs in dem Schacht in der Mitte des Treppenhauses auf eigene Kosten zu gestatten. Das Fundament des Fahrstuhls sollte im Keller auf der aktuell als Abstellplatz für Fahrräder und Kinderwagen genutzten Fläche errichtet werden.

Nachdem der Beschlussantrag abgelehnt worden war, klagte der Eigentümer gegen die übrigen Mitglieder der WEG auf Duldung der Errichtung des Aufzugs, hilfsweise auf eine Beschlussersetzung durch das Gericht gem. § 21 Abs. 8 Wohnungseigentumsgesetz. Der BGH wies die Klage in letzter Instanz ab.
Dem Anspruch des Klägers auf Duldung des Aufzugeinbaus standen nach Ansicht des BGH zwei gewichtige Argumente entgegen: Zum einen führte das Gericht aus, dass ein Duldungsanspruch des Klägers nur dann bestehen könnte, wenn die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer gem. §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 Wohnungseigentumsgesetz nicht erforderlich wäre. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Aufzugaufbau keinen erheblichen Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 Wohnungseigentumsgesetz darstellt. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein solcher „Nachteil“ besteht, sind sowohl die Grundrechte des Klägers als auch der übrigen Eigentümer zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung der betroffenen Grundrechte (Eigentum gem. Art. 14 Abs. 1 GG einerseits und Benachteiligungsverbot gemäß Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG andererseits) entschied der BGH zugunsten der übrigen Miteigentümer. Nach Ansicht des Gerichts dürfte die Interessenabwägung in der Regel ergeben, dass die übrigen Wohnungseigentümer zwar die Anbringung eines Treppenliftes oder einer Rollstuhlrampe dulden müssten, wenn ein Wohnungseigentümer unter einer erheblichen Gehbehinderung leidet. Der Einbau eines Personenaufzugs ginge aber über die Duldungspflicht hinaus und stelle einen Nachteil im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes dar. Dabei berücksichtigte der BGH, dass ein Aufzugeinbau nur mit erheblichen Eingriffen in die Bausubstanz erfolgen könnte und zudem auch der im Treppenhaus zur Verfügung stehende Platz maßgeblich eingeschränkt würde.
Zum anderen wies der BGH die Klage mit dem Argument ab, dass im Beschlusswege kein Sondernutzungsrecht geschaffen werden kann. Weil aber die Benutzung des Lifts nur einzelnen Miteigentümern erlaubt sein sollte (nämlich denjenigen, die die Kosten tragen) und das Fundament des Aufzugs auf einer Gemeinschaftsfläche errichtet werden sollte, würde der Bau des Aufzugs faktisch ein Sondernutzungsrecht für diese Gemeinschaftsfläche kreieren. Für ein Sondernutzungsrecht muss jedoch eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer vorliegen.

Verwalter­strategie
Von erheblicher Bedeutung dürften die Ausführungen des BGH zu der Frage sein, wann ein Wohnungseigentümer seine Miteigentümer zur Duldung eines behindertengerechten Umbaus zwingen kann. Der Gesetzgeber selbst hat bei der neuen Fassung des Wohnungseigentumsgesetzes abgewogen, dass ein Anspruch auf Duldung des Einbaus einer Rollstuhlrampe im Eingangsbereich oder eines Treppenliftes regelmäßig bestehen müsste, weil Barrierefreiheit geboten ist und diese Maßnahmen ohne erhebliche Eingriffe in die Bausubstanz technisch machbar sind. Darüber hinausgehende Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum werden üblicherweise einen Nachteil im Sinne von § 14 Wohnungseigentumsgesetz darstellen und deshalb die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer erfordern. Es werden jedoch immer die auf beiden Seiten bestehenden Interessen gegeneinander abzuwägen sein.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.