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(LG Krefeld, Urteil vom 21.09.2022 - Az. 2 S 27/21)
In allen Rechtsgebieten, insbesondere aber im Arbeits- und im Mietrecht gibt es Erklärungen, die innerhalb bestimmter Fristen zugehen müssen. Es handelt sich hierbei in erster Linie um die fristgerechte ordentliche Kündigung, ebenso aber um Mieterhöhungsverlangen und Erklärungen zur Ausübung einer Option und auch um Nebenkostenabrechnungen für Wohnraum, für die die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gilt. Gehen solche Erklärungen nicht mehr fristgerecht zu, sind sie entweder unwirksam (Optionsausübung, je nach Vereinbarung in Mietvertrag und Nebenkostenabrechnung) oder lösen verlängerte Fristen aus.
Werden solche Erklärungen am letzten Tag der Frist in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen und von ihm erst am nächsten Tag entnommen, stellt sich immer wieder die Frage, ob sie noch fristgerecht am gleichen Tag oder erst bei Abholung am nächsten Tag und damit verspätet zugegangen sind. Dies richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) danach, wann unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme des Empfängers vom Inhalt der Erklärung zu rechnen war, wann er also üblicherweise den Briefkasten leert. Bis 18:00 Uhr eingeworfene Briefe werden demnach als noch am selben Tage zugegangen angesehen.
Das Landgericht Krefeld hatte mit Urteil vom 21. September 2022 (Az. 2 S 27/21) über eine besondere Fallkonstellation zu entscheiden, nämlich über eine „Kündigung mit Ankündigung“. Der Vermieter hat die Kündigung unstreitig am letzten Tag der Frist um 22:30 Uhr in den Briefkasten des Mieters eingeworfen, beim Mieter geklingelt und ihn über die Gegensprechanlage informiert, dass er soeben eine Kündigung eingeworfen habe. Streitig blieb, ob der Vermieter den Mieter auch mündlich über den vollständigen Inhalt der Kündigung informiert hat. Jedenfalls begab sich der Mieter zu nachtschlafender Zeit gerade nicht mehr an den Briefkasten, sondern leerte ihn erst am nächsten Tag.
Das Landgericht hat entschieden, dass die Kündigung noch nicht zugeht, wenn der Vermieter den Mieter nur mündlich darüber informiert, dass er die Kündigung in dessen Briefkasten eingeworfen hat. Die angebliche mündliche Information über den Inhalt der Kündigung wahrt jedenfalls nicht das Schriftformerfordernis für eine Kündigung und kann damit nicht deren Zugang bewirken. Diese Behauptung konnte daher im Prozess dahingestellt bleiben.
Die schriftliche Kündigung stellt eine verkörperte Willenserklärung dar. Diese muss innerhalb der Frist nicht nur in den Machtbereich des Empfängers gelangen – hier der
noch fristgerechte Einwurf in den Briefkasten – sondern zusätzlich vom Empfänger zur Kenntnis genommen werden, bzw. es muss mit der Kenntnisnahme unter normalen Umständen zu rechnen sein.
Eine mündliche Willenserklärung stellt eine Erklärung unter Anwesenden dar, dies gilt auch für eine Erklärung per Telefon (oder Gegensprechanlage). Sie gilt als sofort zugegangen. Eine mündliche Kündigungserklärung erfüllt jedoch jedenfalls im Wohnraummietrecht nicht die vorgeschriebene Schriftform. Die mündliche Information des Vermieters, dass er eben eine Kündigungserklärung mit bestimmtem Inhalt in den Briefkasten eingeworfen habe, ersetzt daher nicht die schriftliche Kündigungserklärung. Zu entscheiden war daher die Frage, ob diese Information die Kenntnisnahme der schriftlichen (verkörperten) Willenserklärung ersetzt. Hierzu führt das Landgericht aus, dass bei der verkörperten Willenserklärung die Kenntnisnahme des Schriftstücks notwendig ist, diese gerade nicht durch die Information ersetzt wird, dass das Schriftstück im Briefkasten und damit im Machtbereich des Empfängers ist.
Der Mieter war auch nicht verpflichtet, sich zu nachtschlafender Zeit an den Briefkasten zu begeben, um das Schriftstück abzuholen. Das Gericht nimmt auf Entscheidungen Bezug, wonach auch Erklärungen in elektronischer Form (SMS oder E-Mail) vom Empfänger zur Nachtzeit nicht zur Kenntnis genommen werden müssen, selbst wenn er von seinem Gerät einen Hinweis darauf erhält. Dies muss erst recht gelten, wenn der Empfänger zwar einen Hinweis auf eine in seinem Briefkasten eingehende Erklärung erhält, er aber die Wohnung verlassen und sich zum Briefkasten begeben müsste, um diese Erklärung zur Kenntnis zu nehmen. Dies ist vom Empfänger nicht zu erwarten bzw. ihm nicht zuzumuten. Die Kündigung galt daher erst als am nächsten Tag zugegangen, und das Mietverhältnis wurde somit erst einen Monat später beendet.
VERWALTERSTRATEGIE
Beim Nachweis des Zugangs solcher fristgebundenen Erklärungen ist große Sorgfalt zu wahren. Ein Zugangsnachweis durch den Versand per Einwurf-Einschreiben oder Boten (mit Übergabebestätigung) ist notwendig. Bei Versand per Einwurf-Einschreiben sind die üblichen Postlaufzeiten zu beachten, die zulasten des Vermieters gehen. Soweit Originalunterlagen beigefügt werden müssen, z.B. Vollmachten, sollte darüber hinaus durch Aktennotiz bestätigt werden, dass alle erforderlichen Unterlagen vollständig in den Umschlag gesteckt und auf den Postweg gebracht werden.
DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.