WEG-Recht

Der BGH legt was Hübsches unter den Baum: Beschlüsse über die „Genehmigung des Wirtschaftsplans“ sind nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig.

Knapp drei Jahre hat es gedauert, bis die seit dem 30.11.2020 umstrittene neue Rechtslage höchstrichterlich geklärt wurde: Ein nach diesem Tag gefasster Eigentümerbeschluss, durch den „der Wirtschaftsplan genehmigt wird“, ist gemäß eines Mitte Dezember 2023 auf der Webseite des Bundesgerichtshofs (BGH) veröffentlichten BGH-Beschlusses nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig, sondern dahin zu verstehen, dass die Wohnungseigentümer lediglich die Höhe der in den Einzelwirtschaftsplänen ausgewiesenen Beträge (Vorschüsse zur Kostentragung und zu den Rücklagen) festlegen wollen. Dies ist für Verwalter und Gemeinschaften erfreulich.

Mit Beschluss vom 25.10.2023 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZB 9/23 klärte der BGH eine umstrittene und für die Praxis wichtige Frage. Beschlüsse über die „Genehmigung des Wirtschaftsplans“ – so wie sie nach alter Gesetzeslage beinahe durchgängig und unproblematisch formuliert und gefasst wurden – sind nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig, sondern auch nach neuer Gesetzeslage gültig und wirksam. Der strengen Gegenauffassung einiger Instanzgerichte und Buchautoren, die sich vor allem auf den neuen Gesetzeswortlaut (§ 28 WEG) stützte, erteilt der BGH eine Absage. Fun Fact: die Entscheidung erging am ersten Tag der diesjährigen Fachgespräche zum Wohnungseigentum in Fischen/Allgäu. Inhaltlich bekannt wurde sie aber erst jetzt.

Der Fall

Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten GdWE und erhebt Anfechtungsklage. Sie wendet sich gegen folgenden Beschluss der Eigentümerversammlung vom 20.06.2022:

"Der vorgelegte Wirtschaftsplan 2022 wird genehmigt. Es gelten die ausgedruckten neuen Wohnlasten und zwar rückwirkend ab dem 01.01.2022. Der Wirtschaftsplan gilt bis zur Beschlussfassung eines neuen Wirtschaftsplanes fort."

Bei der Abstimmung lag der Wirtschaftsplan 2022 mit Gesamtausgaben von 126.680,32 € vor. Auf die Klägerin entfällt ein Anteil in Höhe von 4.226,19 €. Die monatlichen Vorschüsse der Klägerin betragen 352 €. Das Amtsgericht Bonn hat die Anfechtungsklage abgewiesen. Das Landgericht Köln hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes den erforderlichen Betrag von 600 € nicht übersteige. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Klägerin hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung der Akte an das Landgericht, das nun die notwendigen Feststellungen zu den gerügten Anfechtungsgründen treffen und auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben wird.

Die Entscheidung

Der BGH führt zunächst aus, dass die Beschwer der Klägerin den Betrag von 600 € übersteige, wobei es in diesem Zusammenhang noch nicht darauf ankomme, was Beschlussgegenstand sei, also die betragsmäßige Bestimmung der Vorschusshöhe oder jedenfalls auch der der Beschlussfassung zu Grunde liegende Wirtschaftsplan. In beiden Fällen sei das Jahreshausgeld maßgeblich, also 12 x 352 = 4.224 €.

In der Tat – so führt der BGH im Weiteren unter Darstellung des Meinungsstreits aus – sei es seit der Neufassung des § 28 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) juristisch umstritten, was Gegenstand eines Beschlusses im Zusammenhang mit Wirtschaftsplänen bzw. der Begründung von Hausgeldzahlungspflichten (Kosten und Rücklagen) sei. Über das Ziel hinaus schieße hierbei aber die Ansicht, die von einer Teilnichtigkeit oder sogar Gesamtnichtigkeit mangels Beschlusskompetenz ausgehe. Ein solches Auslegungsergebnis sei mit anerkannten höchstrichterlichen Beschluss Auslegungsgrundsätzen nicht in Einklang zu bringen. Nach Wortlaut und Sinn im Rahmen der gebotenen objektiv-normativen Auslegung von Eigentümerbeschlüssen wolle die Mehrheit im Zweifel keine rechtswidrigen oder – so wäre es nach der Gegenansicht hier – gar ganz oder teils nichtigen Beschlüsse in die Welt setzen. Bei objektiver Betrachtung sei der Genehmigungsbeschluss daher „aus sich heraus“ dahin auszulegen, dass die Wohnungseigentümer lediglich über die Höhe der Vorschüsse beschließen möchten, wie sie aus den vorgelegten Einzelwirtschaftsplänen für die verschiedenen Sondereigentumseinheiten im Einzelnen hervorgehen.

Fazit für den Verwalter

Die Entscheidung des BGH ist erfreulich und beruhigend - beruhigend vor allem für diejenigen Verwalter, die ihre Beschlussmuster seit dem Inkrafttreten des WEMoG nicht angepasst haben. Beruhigend aber auch für den Finanzhaushalt der GdWE. Derzeit gibt es viele Hausgeldprozesse, in denen die verklagten Sondereigentümer die Nichtigkeit des zugrunde liegenden Beschlusses über die Genehmigung des Wirtschaftsplans rügen und damit bei Amtsgerichten und Landgerichten durchdringen.

Diejenigen Verwalter, die ihre Beschlussmuster angepasst haben, sind in jedem Falle den sichersten Weg gegangen und haben das Risiko einer Mangelhaftigkeit ihrer Beschlüsse reduziert.

Phänomenal ist der streitgegenständliche Beschlussantrag nicht, dennoch „hält er“. Weder GdWE noch professionelle Verwalter sind verpflichtet, Beschlussanträge optimal zu formulieren. Will man „wettern“, kann man folgendes monieren: Wohnlasten gibt es im WEG nicht. Trotzdem ist für den objektiven Leser klar, dass es um Hausgeldvorschüsse geht, zumal dieser Begriff im Gesetz auch nicht auftaucht. Die „ausgedruckten“ neuen Wohnlasten verraten nicht auf Anhieb, was gemeint ist, weil Druckdatum und Gesamtausgaben sowie Einzelvorschüsse im Beschlusstext nicht erwähnt werden. Gleichwohl wird man durch objektive Auslegung einschließlich Einladung, Tagesordnung, versandten Wirtschaftsplänen, Versammlungsniederschrift etc. erkennen können, welcher Wirtschaftsplan beschlossen wurde. Das wird auch für die monatliche Fälligkeit gelten, wenn – was anzunehmen ist – die ausgedruckten und bei der Beschlussfassung vorgelegten Wirtschaftspläne monatliche Zahlungsbeträge benennen, sodass das Hausgeld nicht als Jahressumme auf einen Schlag fällig wird.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

Wohnungseigentümer, die Hausgeld schulden und sich auf die Nichtigkeit gefasster Beschlüsse nach der neuen Gesetzeslage stützten, sind antragsgemäß zur Zahlung zu verurteilen. Wohnungseigentümer, die Beschlüsse über die Genehmigung des Wirtschaftsplans mit dieser Begründung anfechten, werden unterliegen. Das jedenfalls gilt im Normalfall. Nur dann – was stets Einzelfallfrage ist und in der Praxis selten vorkommen dürfte –, wenn bei Anwendung objektiver Auslegungsgrundsätze kein Weg daran vorbeiführt, dass die Mehrheit vom Versammlungsleiter tatsächlich einen nichtigen Beschluss verkündet bekommen möchte, wird man einen Beschluss mangels Beschlusskompetenz als nichtig ansehen können. Dies kann beispielsweise und weiterhin der Fall sein, wenn Vorjahresschulden konstitutiv noch einmal neu begründet werden sollen.

Was für die Genehmigung des Wirtschaftsplans entschieden wurde, wird entsprechend für die Genehmigung der Jahresabrechnung (Abrechnung über den Wirtschaftsplan) zugrunde zu legen sein. Auch derartige Beschlüsse sind bei objektiver Auslegung von der erforderlichen Beschlusskompetenz getragen.

Gleiches gilt für Beschlüsse über Sonderumlagen, die mancherorts ebenfalls als nichtig erachtet werden, weil nach neuer Gesetzeslage nur noch Sondervorschüsse zur Kostentragung oder Rücklagenzuführung beschlossen werden dürfen.

Fazit für die Gemeinschaft

Die Anfechtungsklage gegen den Beschluss über den Wirtschaftsplan hemmt dessen Gültigkeit nicht, sodass die GdWE bei Fälligkeit auf Zahlung klagen darf. Anders wäre es bei Nichtigkeit des Beschlusses, weil dann von Anfang an und zu keinem Zeitpunkt eine Zahlungspflicht wirksam begründet worden, die Zahlungsklage also abzuweisen gewesen wäre. Derartige Risiken beim Hausgeldinkasso sind durch die Entscheidung des BGH aus dem Weg geräumt.

Wie wäre es nach dem neuen WEG 2020 (WEMoG)?

Der Fall spielt nach neuem Recht, weil die Versammlung nach dem 01.12.2020 beschloss. Aus dem gleichen Grund wird der Streitwert der Beschlussanfechtungsklage nicht nach dem alten § 49a GKG bemessen, sondern dem seit dem 01.12.2020 geltenden § 49 GKG. Maßgeblich ist daher der auf das siebeneinhalbfache Einzelinteresse der Klägerin gedeckelte Betrag, also 7,5 x 4.224 = 31.680 €) und nicht das volle Gesamtinteresse (126.680,32 €).

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de