WEG-Recht

Nachbarklage auf Notwegerecht (Zufahrtsrecht) ist gegen die WEG zu richten

Will der Nachbar einer WEG ein Notwegerecht geltend machen, um die Erreichbarkeit bzw. Befahrbarkeit seines Grundstücks zu verbessern, hat er den rechtsfähigen Verband in Anspruch zu nehmen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich hierzu in zwei Entscheidungen im Jahr 2016 geäußert.

Mit Beschluss vom 07.07.2016 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 11/16 verwarf der Bundesgerichtshof (BGH) eine Nichtzulassungsbeschwerde mangels erreichter Beschwerde (von 20.000 Euro) als unzulässig. Gleichwohl lassen sich dem geschilderten Fall einige interessante Aussagen entnehmen.  

Der Fall

Die Parteien sind Nachbarn. Ihre Grundstücke befinden sich in der Altstadt eines Ostseebades. Das Grundstück der beklagten WEG grenzt in voller Länge an eine öffentliche Straße. Das Grundstück des Klägers hat keine Verbindung zu einem öffentlichen Weg. Es ist mit einem Fußweg (27 Meter lang, 1,50 Meter breit) mit der Straße verbunden. Der Fußweg weist einen Höhenunterschied von 4 Metern auf. Seine Benutzung wird von der beklagten WEG gebilligt. Der Kläger will sein Wohnhaus modernisieren und verlangt von der WEG die Duldung eines auf seine Kosten auszubauenden Notweges, sodass dieser nicht nur fußläufig benutzt, sondern in Zukunft auch mit Pkw und Versorgungsfahrzeugen befahren werden kann. Das Landgericht gab der Klage statt, das Oberlandesgericht Rostock wies sie ab und ließ die Revision zum BGH nicht zu. Dagegen wendet sich der Kläger (Nachbar) mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.

Die Entscheidung

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger nicht glaubhaft machen konnte, dass der Wert der von ihm beanspruchten Maßnahmen 20.000 Euro übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).

Der erforderliche Wert wurde deshalb nicht erreicht, weil in den Tatsacheninstanzen von Klägerseite versäumt wurde, vorzutragen, dass es dem Kläger vorrangig nicht um die Erreichbarkeit seines Grundstücks mit Fahrzeugen ging, sondern tatsächlich darum, auf seinem Grundstück drei dauerhafte Parkplätze anzulegen und diese jederzeit uneingeschränkt anfahren zu können. Nur mit einer solchen Behauptung wäre die erforderliche Beschwerde erreicht worden, da ohne Parkplätze und Anfahrbarkeit eine ausreichende Wertminderung des Grundstücks des Klägers gegeben gewesen wäre. Die bloße Möglichkeit des Anfahrens bei Bedarf liege hingegen weit unter dem erforderlichen Wert. Der BGH schätzt den Wert eines Notwegerechts für ein Anfahren bei Bedarf auf lediglich 5.000 Euro.

Im Fall ging es um die Klage eines Dritten gegen die WEG als rechtsfähigen Verband. Hierbei handelt es sich um eine WEG-Sache gemäß § 43 Nr. 5 WEG. Besonderheit daran ist, dass nicht das Amtsgericht als Eingangsinstanz zuständig ist, sondern bei einem Streitwert über 5.000 Euro das Landgericht und in der Instanz darüber mithin das Oberlandesgericht.

Die Klage auf Gewährung eines Notwegerechts (Zuwegung, Zufahrt), Anspruchsgrundlage § 917 BGB, ist nicht gegen die Wohnungseigentümer zu richten, sondern gegen den rechtsfähigen Verband. Diesen trifft eine Wahrnehmungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 WEG in Bezug auf die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer (Grundstückseigentümer). Dies hatte der BGH in einem Urteil vom 22.01.2016 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 116/15 bereits näher ausgeführt. Im hier besprochenen Fall wird dies lediglich stillschweigend vorausgesetzt.

Fazit für den Verwalter

Verlangt der Nachbar einer WEG ein Notwegerecht, hat der Verwalter die Wohnungseigentümer damit zu befassen, gegebenenfalls auch im Rahmen einer außerordentlichen Eigentümerversammlung. Er muss die Eigentümer informieren und ihre Entscheidung darüber herbeiführen, ob dem Anspruch freiwillig Folge geleistet werden soll oder ob man dem Nachbarn entgegen treten möchte.

Das Notwegerecht kann, muss aber nicht zwingend in der Gewährung eines Zufahrtsrechts liegen. Denkbar ist auch die Ausübung eines fußläufigen Notwegerechts über das WEG-Grundstück. Im BGH-Fall V ZR 11/16 war die Benutzung eines Fußweges gewährt worden. Auch darüber haben die Wohnungseigentümer abzustimmen. Sind für die Benutzung bzw. Mitbenutzung des Weges keine baulichen Veränderungen erforderlich, dürfte es sich um eine Gebrauchsregelung handeln, über die nach § 15 Abs. 2 WEG mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden kann.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de