Mit Urteil vom 24.10.2025 zum Aktenzeichen V ZR 129/24 entschied der BGH, dass in einer GO für den Fall einer Bauzeitüberschreitung bei der Ausübung eines Ausbaurechts Regelungen über Strafzahlungen getroffen werden dürfen, für die im Ausgangspunkt die gesetzlichen Regelungen für Vertragsstrafen (§§ 339 ff. Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) gelten. Außerdem entschied er, dass im Hinblick auf eine dem Grunde nach angefallene „verwirkte“ Strafzahlung die gerichtliche Herabsetzung einer in der GO abstrakt überhöhten Strafpauschalierung in Betracht kommt.
Der Fall
In der TE/GO ist zugunsten des Wohnungseigentums Nr. 38 ein Dachausbaurecht vereinbart. Danach darf der jeweilige Wohnungseigentümer den Dachbereich aus- bzw. umbauen und das Dach aufstocken. Die Vereinbarung lautet auszugsweise:
„[…] Die Baumaßnahmen von Beginn bis zur Beendigung der Arbeiten müssen innerhalb von maximal 15 Monaten abgeschlossen werden. Der Beginn ist dem Verwalter anzuzeigen. Bei einer Bauzeitüberschreitung von 15 Monaten ist eine Konventionalstrafe an die Wohnungseigentümergemeinschaft in Höhe von 1 % der Bausumme des Dachgeschosses pro Monat der Bauzeitüberschreitung zu zahlen. Als Bausumme wird ein Betrag von 1.500 € pro Quadratmeter Wohnfläche für die Bemessung der Vertragsstrafe verbindlich festgelegt. […]“
Das Wohnungseigentum Nr. 38 gehört einer GmbH & Co. KG, die am 30.09.2020 die klagende GdWE darüber informierte, dass sie im Oktober 2020 mit den Baumaßnahmen, die eine Wohnfläche von über 1.000m² beträfen, beginnen werde (Gerüstaufstellung). Da sich die Baumaßnahmen erheblich verzögerten, nimmt die GdWE die Beklagten zu 1 und 2 (KG und Komplementär-GmbH) auf Zahlung von rund 230.000 EUR nebst Zinsen in Anspruch und verlangt zudem die gerichtliche Feststellung, dass die Beklagten zu weiteren monatlichen Zahlungen bis zum Abschluss der Baumaßnahmen verpflichtet sind. Das Amtsgericht Schöneberg hatte der Klage stattgegeben, die Berufung vor dem Landgericht Berlin II blieb ohne Erfolg. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück, insbesondere auch, um die Möglichkeit der Herabsetzung der Strafzahlung zu prüfen.
Die Entscheidung
Der BGH legt die in der GO getroffene Vereinbarung im Sinne einer Konventionalstrafe aus und unterstellt sie den gesetzlichen Bestimmungen für Strafversprechen nach den §§ 339 ff. BGB. Unbeachtlich sei hierfür, dass die Pflicht zur Strafzahlung nur an ein Verhalten des Ausbauberechtigten anknüpfe und somit nicht – wie eine mitgliedschaftliche Pflicht – jeden Wohnungseigentümer treffen könne. Die in diesem Sinne auszulegende Vereinbarung sei auch von der Gestaltungsfreiheit des teilenden Eigentümers gedeckt und halte insbesondere einer inhaltlichen Kontrolle Stand, weil in der GO vereinbarte Strafzahlungen weder missbräuchlich noch gesetz- oder sittenwidrig seien und darüber hinaus eine Korrektur der Höhe der Strafzahlung durch das Gericht in Betracht komme (§ 343 BGB). Da das Landgericht die Anwendung dieser gesetzlichen Herabsetzungsvorschrift rechtsfehlerhaft verneint hatte, verwies der BGH die Akte zurück zum Landgericht.
Fazit für den Verwalter
Vereinbarungen in der Gemeinschaftsordnung sind objektiv-normativ auszulegen nach Wortlaut und Sinn, wie er sich für einen unbefangenen Leser erschließt. Dies gilt auch für Vereinbarungen über nachträgliche Dachausbaurechte. Fehlt es an einer klaren und eindeutigen Regelung, verbleibt es im Zweifel bei der gesetzlichen Ausgangslage. Diese sieht für nicht privilegierte bauliche Veränderungen – um eine solche handelt es sich – ein gesetzliches Beschlusserfordernis und eine Gestattungsbedürftigkeit vor (§ 20 Abs. 1 WEG). Anerkannt ist, dass sowohl dieses gesetzliche Beschlusserfordernis als auch die gesetzliche Gestattungsnotwendigkeit in der GO abbedungen werden können. In diesem Sinne war die vorliegende Vereinbarung offenbar zu verstehen.
In der hier zitierten Vereinbarung war der Zweck von Ausbau und Aufstockung nicht genannt. Es ist anzunehmen, dass das Ausbaurecht zu Wohnzwecken diente und dies an anderer Stelle in der GO hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt.
Obwohl in Fällen der einseitigen Begründung von Wohnungseigentum durch eine Teilungserklärung (§ 8 WEG) der teilende Eigentümer den Inhalt der GO bestimmen kann und darf, handelt es sich rechtlich um einen Vertrag im Sinne einer Satzung. Das einseitige Änderungsrecht des teilenden Eigentümers endet spätestens, sobald der erste Erwerber als werdender Wohnungseigentümer in die Gemeinschaft eintritt.
Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte
Strafzahlungen wegen Bauzeitüberschreitung oder aus anderen Gründen müssen vereinbart sein. Eine gesetzliche Beschlusskompetenz gibt es nicht und auch der frühere § 21 Abs. 7 WEG a.F. (er galt vom 01.07.2007 bis 30.11.2020) erfasste nicht die Einführung von Vertragsstrafen durch Mehrheitsbeschluss.
Gemäß § 343 Abs. 1 Satz 1 BGB kann eine aufgrund einer Vereinbarung ausgelöste (verwirkte) Strafzahlung auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden, wenn sie unverhältnismäßig hoch ist. Antrag des Schuldners in diesem Sinne ist der von der GdWE auf Zahlung in Anspruch genommene Ausbauberechtigte. Der sicherste Weg besteht darin, dass der Ausbauberechtigte die Herabsetzung der Strafzahlung ausdrücklich beantragt, um sich nicht auf die Diskussion einlassen zu müssen, inwieweit in seinem Antrag auf Klagabweisung bzw. seiner sonstigen Rechtsverteidigung ein solcher Antrag zu sehen ist.
Die Herabsetzung gem. § 343 BGB ist nicht durch § 10 Abs. 2 WEG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Wohnungseigentümer eine vom Gesetz oder in der GO abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer solchen Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unbillig erscheint. Der Antrag auf Herabsetzung auf einen angemessenen Betrag stellt allerdings laut BGH kein Verlangen in diesem Sinne dar, da die Vereinbarungen in der GO unverändert weitergelten sollen.
Im hier entschiedenen Fall war das Ausbaurecht zugunsten einer bestehenden Wohnungseigentumseinheit eingeräumt worden. Offenbar stand auch die Dachausbaureserve bereits im Sondereigentum und war nach ihrer Zweckbestimmung zu Wohnzwecken freigegeben. Da über 1000 m² von den Baumaßnahmen betroffen waren, ist anzunehmen, dass die neu geschaffenen Dachgeschosse nachträglich unterteilt werden sollen. Die Unterteilung kann der Sondereigentümer grundsätzlich allein und ohne weitere Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer vornehmen und im Grundbuch vollziehen. Anders kann es sich verhalten, wenn die Ausbaureserve im gemeinschaftlichen Eigentum steht, beispielsweise kombiniert mit einem Sondernutzungsrecht. Hier kann die Umwandlung in Sondereigentum nicht durch einen Änderungsvorbehalt in der Gemeinschaftsordnung vorweggenommen werden, da es um die sachenrechtlichen Grundlagen geht.
Fazit für die Gemeinschaft
Der Anspruch auf eine in der GO vereinbarte Strafzahlung steht der GdWE zu. Das entspricht der Gesetzeslage und war in der GO nicht anders geregelt. Hier im Fall entstand der Anspruch mit Ablauf von 15 Monaten nach Baubeginn. Das Amtsgericht Schöneberg entschied mit Urteil vom 02.08.2023, sodass zu diesem Zeitpunkt die Bauzeitüberschreitung in etwa 15 Monate umfasste.
Mit dem Urteil äußert sich der BGH erstmals zu Strafzahlungsvereinbarungen in der GO. Noch keine höchstrichterliche Klärung gibt es zur Frage der Zulässigkeit und Wirksamkeit von Kontrahierungszwangsvereinbarungen über Verträge, die die GdWE ab ihrer Entstehung auf Geheiß des teilenden Eigentümers abschließen oder übernehmen muss.
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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