WEG-Recht

Macht ein schlechter Verwaltervertrag die ganze Bestellung kaputt?

Fast alle im Umlauf befindlichen Verwaltervertragsmuster enthalten Klauseln, die einer AGB-Kontrolle zum Opfer fallen. Trotz der grundsätzlichen Trennung von Amt (Bestellung) und Vertrag gibt es bei Gerichten die Tendenz, sowohl den Beschluss über die Ermächtigung zum Abschluss des Verwaltervertrages für ungültig zu erklären als auch den Bestellungsbeschluss. Bittere Pille für Eigentümer und Verwalter ist, dass dies nicht nur einen vertragslosen, sondern einen verwalterlosen Zustand zur Folge hat. Ein aktuelles Urteil aus Frankfurt gibt Anlass zur Diskussion.

Mit Urteil vom 29.09.2017 zum gerichtlichen Aktenzeichen 2-13 S 49/16 hat das Landgericht Frankfurt/Main im Rahmen eines Anfechtungsprozesses den Beschluss zum Abschluss eines Verwaltervertrages, der zahlreiche AGB-widrige Klauseln enthielt, und auch den Beschluss über die Verwalterbestellung für ungültig erklärt. Die Urteilsbegründung geht auf zahlreiche in der Praxis gängige Klauseln ein und pflückt sie – in der Sache zu recht – Stück für Stück auseinander. Die Revision ließ da Landgericht nicht zu. Dem Vernehmen nach ist auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten jedoch ein Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof zum Aktenzeichen V ZR 278/17 anhängig.

Der Fall

In einer größeren Wohnungseigentümergemeinschaft wurde mit Beschluss der Eigentümerversammlung vom 11.09.2015 ein Verwalter bestellt (TOP 2). Unter TOP 3 wurden drei Wohnungseigentümer bevollmächtigt, den vom Verwalter vorgelegten vorformulierten Verwaltervertrag abzuschließen. Der Formular-Verwaltervertrag enthielt u. a. folgende Klauseln: Befreiung des Verwalters von der Beschränkung nach § 181 BGB (Verbot des Insichgeschäfts), Verwaltervollmacht zur Beauftragung von Sonderfachleuten bis zu 2.000,00 EUR je Fall ohne Jahresobergrenze, Verwaltervollmacht für Abschluss, Änderung und Kündigung von Hausreinigungsverträgen, Berechtigung zur Erteilung von Untervollmachten, Mahngebühr von 20,00 EUR netto je Mahnung, Sonderhonorar für die Erhebung einer Sonderumlage (1% netto, max. 1.785,00 EUR brutto) und Sonderhonorar für jede zusätzliche Eigentümerversammlung in Höhe einer 1,5fachen Monatsvergütung.

Die Entscheidung

Das Landgericht erklärt die Beschlüsse jeweils insgesamt für ungültig.

Die Billigung des Verwaltervertrages widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG), da der Vertragstext mit zahlreichen Klauseln gespickt sei, die der AGB-Kontrolle nicht standhielten. Es gelte ein strenger Maßstab, da die Wohnungseigentümergemeinschaft, die nicht nur aus Teileigentümern bestehe, Verbraucher sei und sich daher der durch die §§ 305 ff. BGB gewährleistete Verbraucherschutz maximal auswirke. Sämtliche o.g. Klauseln beinhalteten unbillige Benachteiligungen, da wesentliche Grundgedanken des Gesetzes unterlaufen werden würden (u.a. unzulässige Verlagerung von Entscheidungskompetenzen von den Eigentümern auf den Verwalter, unbegrenztes finanzielles Risiko mangels bezifferter Jahresobergrenzen und Mahnfälle).

Die Vielzahl der unwirksamen (AGB-widrigen) Klauseln führte das Landgericht in seiner Beurteilung dazu, den Beschluss insgesamt für ungültig zu erklären, also nicht beschränkt auf die fraglichen Klauseln; aus Sicht des Landgerichts mache es keinen Sinn, das Vertragswerk so zurecht zu stutzen, dass am Ende nur ein „leerer Vertragstorso” zurückbleibe (Hinweis auf LG Hamburg ZWE 2015, 461 = ZMR 2015, 735 mit kritischer Anmerkung Schmidt). Bei objektiver Betrachtung sei nicht anzunehmen, dass die Wohnungseigentümer den Verwaltervertrag auch ohne die unwirksamen Klauseln hätten abschließen wollen.

Sodann geht das Landgericht noch einen Schritt weiter: Auch die Verwalterbestellung müsse der Verwendung des mit zahlreichen unwirksamen Klauseln gespickten Verwaltervertrages zum Opfer fallen. Denn auch diesbezüglich könne trotz der grundsätzlichen Trennung von Amt und Vertrag nicht davon ausgegangen werden, dass die Wohnungseigentümer den Verwalter trotz Ungültigkeit des Beschlusses über den Verwaltervertrag hätten bestellen und mit ihm einen vertragslosen Zustand begründen wollen.

Fazit für den Verwalter

Nüchtern betrachtet, enthält so gut wie jeder vorformulierte Verwaltervertrag unwirksame Klauseln. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft wird rechtlich im Grundsatz wie ein Verbraucher behandelt, so dass die §§ 305  ff. BGB Anwendung finden. Was Vergütungsklauseln, insbesondere über Sonderhonorare, betrifft, gibt es im Schrifttum zwar gewichtige Stimmen, eine AGB-Inhaltskontrolle abzulehnen, weil nur Preisnebenabreden der Inhaltskontrolle unterliegen könnten, nicht aber Preishauptabreden, die kontrollfrei sind (vgl. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB und auch LG Frankfurt/Main unter Rn. 15 der Urteilsgrunde). Allerdings handelt es sich insoweit um eine Minderansicht, die bislang keinen Eingang in die Rechtsprechung gefunden hat. Zudem wird eine AGB-rechtliche Einordnung der Problematik dadurch erschwert, dass in der Verwalterbranche ein intransparentes Vergütungssystem von Grund- und Sonderleistungen bzw. -vergütungen vorherrscht.

Spannend ist, ob der BGH Gelegenheit haben wird, sich zum Phänomen „Schutz einer WEG vor Verbraucherschutz“ zu äußern. Grundsätzlich ist es für eine WEG als Verbraucherin unschädlich, bisweilen sogar günstig, wenn der Verwalter einen Verwaltervertrag verwendet, in dem Klauseln wegen Verstoßes gegen die §§ 305 ff. BGB unwirksam sind und stattdessen die gesetzlichen Regelungen gelten. Derartige Verträge kann die Gemeinschaft an sich problemlos eingehen, da im Streitfall der gesetzliche Schutz vollen Umfangs eingreift. Ein solcher rechtlicher Ansatz könnte dazu führen, dass eine Anfechtungsklage abzuweisen wäre, denn ein Verwaltervertrag, dessen Abschluss wegen der Unwirksamkeit der vom Verwalter vorformulierten Klauseln für Gemeinschaft und Eigentümer lediglich vorteilhaft ist, entspricht dem objektiven Gesamtinteresse aller Eigentümer sowie des Verbandes an einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Den Verstoß gegen AGB-Recht gleichzusetzen mit einem Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung, verliert Sinn und Zweck des Gesetzes aus dem Blick. Im Ergebnis versperrt die gerichtliche Ungültigerklärung den gesetzlichen Verbraucherschutz geradezu.

Prekär ist die Ungültigerklärung des Bestellungsbeschlusses. Die Annahme vieler Gerichte, die Wohnungseigentümer hätten entsprechend § 139 BGB von einer Verwalterbestellung abgesehen, wenn ihnen die Unhaltbarkeit des Vertragsinhaltes bewusst gewesen wäre, ist aus objektiver Sicht zweifelhaft. Der Parteiwille der Eigentümer dürfte vielmehr darauf gerichtet sein, das Verwalteramt in jedem Falle zu besetzen, auch wenn der Vertrag (zahlreiche) unwirksame Klauseln enthält. Ein verwalterloser Zustand wirkt sich im Rechtsverkehr deutlich nachteiliger aus als ein vertragsloser Zustand mit einem bestellten Verwalter. In Ermangelung einer vertraglichen Regelung ist nach dem Gesetz die am Ort übliche Vergütung für gewerblich tätige Wohnungseigentumsverwalter als vereinbart anzusehen (vgl. § 612 Abs. 2 BGB). Abgesehen davon hat der BGH entschieden, dass im Bestellungsbeschluss die beiden wichtigsten Eckdaten, namentlich die Verwaltervergütung und die Laufzeit, ohnehin enthalten sein müssen, so dass Gemeinschaft und Verwalter sehr gut ohne Verwaltervertrag zurecht kommen können.

Update

Mit Urteil vom 5. Juli 2019 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 278/17 hat der BGH entschieden, dass eine AGB-Kontrolle des Verwaltervertrages nicht im Rahmen einer Beschlussanfechtungsklage zu erfolgen hat. » Lesen Sie hier die Entscheidung.

 

Dr. Jan-Hendrik Schmidt

W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt

Rechtsanwälte PartmbB Hamburg

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