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Der neue europäische und nationale Regulierungsrahmen
Fit-for-55 ist nicht etwa eine neue Trendsportart im Bereich der Fitness, sondern bedeutet eine Kraftanstrengung ganz anderer Art. Europa hat sich vorgenommen, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu sein. Eine wichtige Zwischenetappe auf dem Weg dorthin markiert das EU-Klimagesetz 2030, welches eine CO2-Redu-zierung von 55 Prozent gegenüber 1990 vorsieht. Dafür will Europa fit werden: Fit-for-55. Das gleichnamige Paket enthält dazu einen Instrumenten- und Maßnahmenkasten bestehend aus nicht weniger als zwölf Richtlinien und Verordnungen.
Die Immobilienwirtschaft tut sich bis heute sehr schwer mit diesem Paket. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist die Immobilienbranche schon im nationalen Kontext schwer irritiert von der neuen Art der Politikgestaltung über das das Ordnungsrecht (Stichwort Gebäudeenergiegesetz) und die ohnehin zunehmenden Regulierungsdichte (in Häufigkeit und Umfang). Zum anderen ist es die Branche schlicht nicht gewöhnt, den Blick nach Brüssel zu richten.
Das ist im Grundsatz auch nicht verwunderlich: Die EU hat keinerlei Gesetzgebungskompetenzen im Bereich der Baupolitik, des Mietrechts oder der Immobilienpolitik im Allgemeinen. Es gab nie wirklich eine Notwendigkeit, sich primär mit europäischen Vorschriften auseinandersetzen zu müssen. Doch über das Politikfeld des Energie- und Klimarechts, auf dem die EU sehr wohl weitreichende Vorgaben machen darf, steuert das Fit-for-55-Paket in einem in der Geschichte der Europäischen Union unge-kannten Maße in die Immobilienwirtschaft hinein. Das ist nicht nur an sich neu, sondern auch im Inhalt. Umso wichtiger ist es, sich schnell und ernsthaft darüber klar zu werden, worauf es Brüssel ankommt.
Zunächst reformiert Brüssel den Emissionshandel. Der ist immerhin kein Unbekannter. Im Emissionshandel sind seit 2005 die Sektoren Energie, Industrie und der innereuropäische Luftverkehr erfasst. Wer eine Tonne CO2 ausstoßen will, muss dafür ein Zertifikat erwerben. Der Preis bestimmt sich nach Angebot und Nachfrage. Wollen viele ein Zertifikat haben, steigt der Preis. Doch das Fit-for-55-Paket zäumt das Pferd von hinten auf und eliminiert über diverse kleine Stellschrauben jährlich eine hohe Zahl an Zertifikaten. Das ist eine klassische, regulatorisch induzierte Angebotsverknappung und führt dazu, dass der CO2-Preis in diesen Sektoren sehr viel stärker steigen muss, als das in der Vergangenheit zu beobachten war.
Für die Immobilienwirtschaft hat das zunächst nur einen scheinbar mittelbaren Effekt, wird sie selbst ja gar nicht direkt adressiert. Allerdings verteuern sich mit einem massiv steigenden CO2-Preis alle im Industriesektor hergestellten Baustoffe, die noch immer unter hoher CO2-Intensität hergestellt werden, wie etwa Stahl, Beton und Zement. Ohne eine Dekarbonisierung der Industrie im ausreichenden Maße wird die Bauwirtschaft allein wegen des Emissionshandels weiter mit hohen Baukostensteigerungen konfrontiert sein.
Doch auch der Gebäudesektor selbst bleibt nicht unbedacht. So wird dem etablierten Emissionshandel ein zweites Handelssystem danebengestellt, das technisch zwar etwas anders funktioniert, am Ende aber genauso mittels zu erwerbender CO2-Zertifikate die Wärmeversorgung adressiert. Denn auch durch den Betrieb einer Immobilie soll möglichst wenig CO2 entstehen, weshalb der fossile Anteil in der Wärmeversorgung sinken soll.
In Deutschland gibt es diese Form eines nationalen Emissionshandels in Form des Brennstoffemissionshandels-gesetzes (BEHG) bereits seit wenigen Jahren. Ab 2027 wird das deutsche BEHG dann fast vollständig im europäischen Emissionshandel aufgehen. Und man ahnt es schon: Die Prämisse ist auch hier ein perspektivisch steigender CO2-Preis.
Das Ganze wird flankiert durch eine Vielzahl weiterer Richtlinien, allen voran die EU-Gebäuderichtlinie. In den ursprünglichen Entwurfsfassungen schickte sich die Gebäuderichtlinie an, das schärfste ordnungsrechtliche Schwert zu werden mit einem gänzlich neu gefassten Neubaustandard, der Einführung von europaweiten Gebäudeausweisen (mit ganz anderer Tiefe als unsere deutschen Energieausweise) und harten Sanierungspflichten.
Übrig geblieben ist am Ende in der Substanz nur eine recht vage Beschreibung zur Bestandsmodernisierung. Danach soll der durchschnittliche Primärenergieverbrauch des gesamten, jeweils national zu betrachtenden Wohnungsbestandes bis 2030 um mindestens 16 Prozent und bis 2035 um mindestens 20 bis 22 Prozent gesenkt werden. Diese Vorgaben sollen vor allem über die Renovierung der sogenannten „worst performing buildings“ erzielt werden. Diese energetisch schlechtesten Gebäude eines jeweils nationalen Bestandes sind definiert als die 43 Prozent schlechtesten Gebäude. Von ihnen sollen 55 Prozent renoviert werden.
Am Ende dieser schier wirren Zahlenkette lässt sich schlicht die Erkenntnis ableiten, dass das deutsche GEG schon weitgehend die EU-Vorgaben antizipiert hat. Der Bundesregierung muss es jetzt gelingen, die Wärmepumpe in die energetisch schlechtesten Gebäude zu bringen. Dann wäre der Richtlinie genüge getan. Erreichen könnte sie dies über eine Neuausrichtung der Förderpolitik nicht auf die soziale Situiertheit des Nutzers, sondern auf die energetische Qualität des Gebäudes.
Zweifelsohne bedeutet das Fit-for-55-Paket eine Kraftanstrengung. Aber es geht weiter: Im Februar hat die EU-Kommission in einer Mitteilung erstmals die Grundzüge eines Klimagesetzes 2040 skizziert und eine CO2-Redu-zierung um 90 Prozent bis 2040 empfohlen. Wäre das Fit-for-55-Paket also eine neue Trendsportart im Fitnessbereich wird eines jetzt klar: Es handelt sich beileibe nicht um Intervalltraining, sondern um Hochpulstraining. Das Fit-for-XX-Paket 2.0 für die Immobilienwirtschaft steht schon in den Startlöchern
Geschäftsführer der KPC Berlin
Politikberatung für Immobilienunternehmen