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Was dürfen Miteigentümer, was muss die Gemeinschaft, wenn es um bauliche Veränderungen zum Laden elektrischer Fahrzeuge geht?
Die Beschlussfassung zu den sogenannten privilegierten baulichen Veränderungen gemäß § 20 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) stellt selbst erfahrene Verwalterinnen und Verwalter immer wieder auf die Probe. Insbesondere zu baulichen Veränderungen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen sollen, kommen ständig neue Vorschläge aus den Reihen der Eigentümergemeinschaften, die diesen Paragrafen nach ihren eigenen Vorstellungen auslegen.
Gehen wir den Gesetzestext also einfach mal Wort für Wort durch: Die Rede ist von jedem Wohnungseigentümer, der „angemessene bauliche Veränderungen verlangen“ kann. Hier wird also nicht eingeschränkt, dass nur bestimmte Miteigentümer dies fordern können. Vorausgesetzt wird auch nicht, dass der die bauliche Veränderung verlangende Miteigentümer überhaupt einen Stellplatz besitzt, also ein Sondernutzungsrecht oder gar ein Sondereigentum an einem Parkplatz sein Eigen nennen darf. Warum auch? Schließlich beschränkt sich der Gesetzestext auch gar nicht auf E-Autos. Vielmehr ist von elektrisch betriebenen Fahrzeugen die Rede, was durchaus auch auf E-Scooter, E-Rollstühle oder E-Bikes zutrifft. Dafür ist aber in der Regel nicht unbedingt ein eigener Tiefgaragenstellplatz oder ein eigener Stellplatz im Freien notwendig. Es könnte also genauso gut ein Kabel beantragt werden, das über dem allgemeinen Fahrradabstellplatz baumelt und eben dort zum „Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge“ genutzt werden kann. Das Gesetz sagt auch nichts über die Kapazität von Wallboxen oder ähnlichen neuen Ausstattungsdetails von Wohnanlagen. Ob neun Kilowatt, elf oder Supercharger ist dem Gesetz völlig gleich. Es muss geladen werden können, in welcher Zeit, bleibt offen. Die Angemessenheit in Abs. 2 des § 20 WEG bezieht sich ja auf die bauliche Veränderung an sich und nicht darauf, ob angemessen schnell, leise oder günstig geladen werden kann.
Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass Eigentümergemeinschaften also nicht über das Ob, sondern lediglich über das Wie debattieren dürfen. Hier sind die üblichen Grenzen dergestalt gesetzt, dass dem beantragenden Wohnungseigentümer solange alles erlaubt ist, bis die Miteigentümer, „deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden,“ nicht mehr einverstanden sind.
Werden Miteigentümer von einer Steckdose oder einem Ladekabel tatsächlich stark beeinträchtigt? Auf jeden Fall dann, wenn auch sie eine Ladevorrichtung wünschen, aber die verfügbare Ladeleistung nicht mehr ausreicht, sodass kostspielige Grabungen zur Erweiterung der Anschlusskapazität notwendig werden. Damit wären sie die berühmten Letzten, die die Hunde beißen, indem sie entweder verzichten oder Kosten übernehmen, und das ist nicht zumutbar.
Beschließt die Eigentümergemeinschaft aber unter der weisen Anleitung ihrer erfahrenen Verwaltung, dass, falls weitere bauliche Veränderungen zum Laden elektrischer Fahrzeuge gewünscht werden, die früheren Genehmigungen angepasst werden, wobei die Leistung vorhandener Einrichtungen meist gedrosselt werden muss, ist niemand mehr benachteiligt und auch § 20 Abs. 3 WEG wäre erfüllt.
Nun stellt sich noch die Frage, wie lange eine Eigentümergemeinschaft für die Meinungsbildung über das Wie brauchen darf. Es soll schon welche gegeben haben, die das Thema jahrein, jahraus diskutierten, wegen der doch sehr komplexen Materie aber nie zu einem einvernehmlichen Ergebnis kamen.
Wäre demnach nicht eine Kombination aus § 20 Abs. 2 und § 20 Abs. 3 WEG die richtige Lösung für den entnervten und ungeduldigen Antragsteller? Hier wird ja über den Katalog der besonderen baulichen Veränderungen jeglicher Baumaßnahme Tür und Tor geöffnet, solange kein Miteigentümer beeinträchtigt wird. Er kann die Ladeeinrichtung demnach verlangen und auch direkt bekommen, wenn er dafür sorgt, dass § 20 Abs. 3 WEG eingehalten, also niemand über das unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt wird.
In einem zuletzt breit veröffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 9.2.2024, Az. V ZR 244/22) zur baulichen Veränderung, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dient, wurde deutlich, dass der Gesetzgeber eine weite Auslegung des § 20 WEG gewollt hat. Jedenfalls scheint die Rechtsprechung in diese Richtung zu gehen.
Einmal mehr ist es wichtig, die potenziellen Auswirkungen der Installation sorgfältig zu prüfen und ggf. sicherzustellen, dass die Interessen aller Miteigentümer angemessen berücksichtigt werden. Die Anforderungen an erfahrene Verwaltungen, die solche Diskussionen moderieren und praktikable Lösungen finden müssen, werden also stetig steigen.
(2) Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die
dienen. Über die Durchführung ist im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen.
(3) Unbeschadet des Absatzes 2 kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind.
Der Musterbeschluss des VDIV Deutschland sieht die erwähnten Voraussetzungen vor:
Die Beschlussvorlagensammlung des VDIV Deutschland zum Thema E-Mobilität finden Sie hier: vdiv.de/publikationen
Geschäftsführer IMMOBILIEN INTERPRES GmbH,
Vorstandsmitglied VDIV Bayern
www.immobilien-interpres.de