11.03.2024 Ausgabe: 1&2/24

Im Spiegel der Gerichte

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Aktuelle Rechtsprechung zur Jahresabrechnung der Wohnungseigentümergemeinschaft

Nachdem die Rechtsprechung seit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungs-gesetzes (WEMoG) am 1. Dezember 2020 eine Vielzahl von Fragen des Übergangsrechts zu entscheiden hatte, dringen nunmehr auch materiell-rechtliche Konflikte in den Vordergrund, darunter auch solche, die insbesondere die mit der Neufassung des § 28 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) einhergehenden Änderungen betreffen. Im Mittelpunkt der aktuellen Recht­sprechung zur Abrechnung stehen die folgenden beiden Entscheidungen:

Keine Teilanfechtung des Beschlusses über die Jahresabrechnung

Das Streitpotenzial der Gemeinschaft der Wohnungs­eigentümer (GdWE) sollte mit der Neufassung des § 28 WEG gemindert, den gerichtlichen Auseinandersetzungen bewusst begegnet werden (BT-Drucksache 19/18791,76). Diesem Sinn und Zweck – der Schaffung von Rechtssicher­heit durch Reduktion des Beschlussgegenstandes – folgt auch die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main, Urteil vom 7.12.2023, Az. 2-13 S 27/23, wonach eine Teilanfechtung des Beschlusses über die Vorschüsse (§ 28 Abs. 1 WEG) bzw. die Einforderung von Nachschüssen (§ 28 Abs. 2 WEG) nicht möglich ist.

Gegenstand der Beschlussfassung sind nach geltendem Recht ausschließlich die Zahlungspflichten, somit nur noch die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse bzw. die Einforderung von Nachschüssen. Sind jedoch die einzelnen Positionen einer Jahresabrechnung nicht mehr Gegenstand der Beschlussfassung, können diese Positionen nicht mehr isoliert angefochten werden. Die zum alten Recht ergangene höchstrichterliche Recht­sprechung, wonach auch die Anfechtung einzelner, abtrennbarer Positionen einer Jahresabrechnung zulässig war, ist auf das seit dem Inkrafttreten des WEMoG gel­tende Recht nicht mehr anwendbar (Bärmann/Becker, WEG § 28 Rn. 244; MüKoBGB/Skauradaszun, 9. Aufl. 2023, WEG § 28 Rn. 75; aA Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 28 Rn. 211).

Auch wenn die Abrechnung nur teilweise angefochten wird, steht dies einer Auslegung des Klageantrags dahingehend, dass der Beschluss im Zweifel insgesamt angefochten werden soll, nicht entgegen (BGH, Urteil vom 19.10.2012, Az. V ZR 233/11, ZWE 2013, 47).

 

Die Beschlussfassung ist dann insgesamt für ungültig zu erklären, wenn sich einzelne Fehler im Zahlenwerk der Jahresabrechnung auf die Zahlungspflicht der Woh­nungseigentümer auswirken (LG Frankfurt a. M., Urteil vom 15.12.2022, Az. 2-13 S 20/22, BeckRS 2022, 36422). Ob jedoch die Reduktion des Beschlussgegenstandes auch zu einem tatsächlichen Rückgang, der in diesem Bereich vergleichsweise häufigen Streitigkeiten führt, darf zumindest bezweifelt werden, bedenkt man, dass sich jeder Abrechnungsfehler regelmäßig auf das Ergebnis auswirken wird.

Anspruch auf Korrektur einer Jahresabrechnung

Wird ein vereinbarter Kostenverteilungsschlüssel in der Jahresabrechnung falsch angewendet und wirkt sich dieser Fehler in den Abrechnungsergebnissen aus, ist der Be­schluss fehlerhaft und ist im Anfechtungsverfahren – wie sich aus vorstehender Entscheidung ergibt – insgesamt für ungültig zu erklären. Abweichend von diesem Regelfall hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil vom 16.6.2023, Az. V ZR 251/21, entschieden, dass auch eine nicht angefochtene und damit bereits in Bestandskraft erwachsene Jahresabrechnung fehlerhaft wird, wenn ein in ihr enthaltener Verteilerschlüssel nachträglich für ungültig erklärt wird, auch wenn über diesen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht rechtskräftig entschieden war.

In diesem Fall gilt: Auch im Nachhinein fehlerhaft gewor­dene Beschlüsse über die Jahresabrechnung sind so lange gültig, zu beachten und von der Verwaltung zu vollziehen, wie sie nicht rechtskräftig für ungültig erklärt werden.

Solange Beschlüsse über die Erhebung von Beiträgen nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden sind, sind sie gemäß § 23 Abs. 4 S. 2 WEG wirksam und begründen die Zahlungspflicht des einzelnen Wohnungseigentümers. Dies setzt sich auch auf Beschlüsse fort, die zwischenzeitlich getroffen werden, selbst wenn diese den angegriffenen und später für ungültig erklärten Kostenverteilungsschlüssel zugrunde gelegt haben.

Insbesondere sind Wohnungseigentümer nicht auf eine Anfechtung auch des Beschlusses über den Kostenverteilungsschlüssel und des Beschlusses über die Jahresabrechnung zu verweisen; dies ist ihnen an­gesichts des hohen Prozessrisikos nicht zuzumuten. Es liegt demnach bei der GdWE im Fall der erfolgreichen Anfechtung des Kostenverteilungsschlüssels Änderungen vorzunehmen. Folge der rechtskräftigen Ungültigerklärung des Verteilungsschlüssels für den Beschluss über die Jahresabrechnung ist, dass die GdWE

  • zur Erstellung und Beschlussfassung über einer korrigierte Jahresabrechnung verpflichtet ist, denn jeder Wohnungseigentümer hat einen Anspruch auf Korrektur, etwa durch einen abändernden Zweitbe­schluss. Geleistete Zahlungen sind bei der Neube­rechnung zu verrechnen; Guthaben zu erstatten.
  • soweit ein Eigentümer die ursprüngliche Zahlung verweigert hat, den Anspruch auf Forderung von Nachschüssen aus der fehlerhaften Abrechnung nicht mehr durchsetzen darf; Gegenteiliges wider­spricht dem Grundsatz von Treu und Glauben. Wird eine bereits erhobene Zahlungsklage für erledigt erklärt, sind die Kosten regelmäßig dem säumigen Wohnungseigentümer aufzuerlegen. Erfolgt keine Erklärung, ist die Zahlungsklage abzuweisen.
  • von dem säumigen Wohnungseigentümer bis zum Zeitpunkt der Ungültigerklärung entstandene Schä­den wegen Zahlungsverzugs ersetzt verlangen kann.
Bordt, Franziska

Rechtsanwältin; Kanzlei Bub Memminger & Partner, München